Schon seit 2009 macht sich Haruhiko Kawaguchi aka „Photographer Hal” einen Namen, indem er ihm unbekannte Menschen fragt, ob sie zu ihm nach Hause kommen und sich einschweißen lassen wollen. Unter anderen Umständen würden bei so einem Angebot wohl alle Alarmglocken schrillen, aber der Fotograf aus Shibuya ist eine internationale Berühmtheit und seine Fotoreihen Flesh Love und Zatsuran fanden weltweit Anerkennung für die klaustrophobische Darstellung von dem, was wir Liebe nennen. Witzigerweise wird Kawaguchi dazu noch von dem Kondomhersteller Condomania gesponsert.
„Wenn man seine Beziehungspartner umarmt”, erklärt er mir, „dann wünscht man sich manchmal, mit ihnen zu verschmelzen. Um diesen Traum wahr werden zu lassen, fotografiere ich Pärchen auf engstem Raum. Dabei kam mir recht schnell die Idee mit der Vakuumverpackung. Als meine Arbeiten immer mehr an Intensität zunahmen, fiel mir auf, dass man unbedingt miteinander kommunizieren muss.”
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VICE: Hey Haruhiko. Dein Künstlername lautet „Photographer Hal”. Wie kam es dazu?
Haruhiko Kawaguchi: Wenn ich Fotos mache, dann liegt mir sehr viel daran, wie die Motive später rauskommen. Ich bin da dann wie ein Computer oder eine Maschine, also quasi HAL aus 2001: Odyssee im Weltraum.
Wo triffst du die Leute, die sich für dich in Plastikfolie einschweißen lassen?
In Clubs oder Bars, eigentlich überall und zu jeder Zeit. Ich habe auch immer Beispielfotos von Flesh Love dabei, damit ich den Pärchen zeigen kann, was ich vorhabe.
Aber wie genau schaffst du es, völlig fremde Menschen vom Mitmachen zu überzeugen? Deine Arbeiten machen ja doch einen ziemlich gefährlichen Eindruck.
Ich erzähle einfach von meinen guten Absichten und versichere ihnen, dass nichts passieren wird.
Dennoch verlangst du von ihnen, unter Umständen auf deinem Küchenboden zu ersticken.
Ich überzeuge die Pärchen durch meine Ehrlichkeit. Außerdem ist bei dem Shooting immer ein Assistent dabei, der im Notfall eingreifen und die Models befreien könnte. Dazu stehen auch noch ein Sauerstoffgerät und Sauerstoffgel bereit, um die Leute behandeln zu können, falls es ihnen nicht gut geht.
Ist dabei schon mal etwas passiert?
Nein, nie. Meistens bestand das einzige Problem darin, dass ein Model wegen seiner Körperfülle nicht in die Verpackung gepasst hat. Die Tüten sind nämlich für gewisse Posen gemacht. Vor dem Shooting hat jeder immer Angst, aber wenn alles vorbei ist, dann scheint jeder total glücklich zu sein und Spaß zu haben. Ich finde, dass das Ganze gewisse Ähnlichkeiten mit der Fahrt in einer Achterbahn hat.
Bezahlst du deine Models?
Sie bekommen einen Abzug des Fotos.
Musstest du für deine Arbeiten auch schon Kritik einstecken?
Es gibt nun mal Vor- und Nachteile. Jede Herausforderung birgt eben immer ein gewisses Risiko.
Wie genau läuft so ein Shooting ab?
Wenn das Pärchen in der Vakuumverpackung drin ist, entferne ich die Luft mit einem Staubsauger—und zwar so lange, bis wirklich nichts mehr da ist. Dann habe ich zehn Sekunden Zeit, um das Bild zu machen. In diesem sehr begrenzten Zeitfenster kann ich höchstens zwei Mal auf den Auslöser drücken. Auch ich habe mich schon einmal einschweißen lassen [letztes Bild] und die Angst dadrin ist wirklich überwältigend.
Das klingt in der Tat schrecklich.
Je weiter das Shooting fortschreitet, desto mehr kommunizieren die zwei Körper miteinander. Sie beginnen, die Form von dem anzunehmen, was sie ausdrücken wollen—das kann zum Beispiel durch die Ungleichmäßigkeit der Gliedmaßen oder durch die Winkel der Gelenke geschehen. Das Pärchen wächst zusammen und wird schließlich eine Einheit. Wenn wir uns diese vakuumverpackte Liebe anschauen, dann können wir uns auch eine friedlichere Welt vorstellen.
Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob es bei den Fotos jetzt mehr um Intimität oder mehr um Vertrauen geht.
Wie bereits gesagt kommt sich das Pärchen immer näher und „klebt” dann zusammen, bis es nicht mehr weiter geht. Ich versuche jedoch, noch einen Schritt weiter zu gehen und einen Zustand zu erreichen, der die Zweisamkeit übersteigt.
Das Interview führte Toby McCasker.