Die Nanosatelliten CubeSats im Einsatz im Weltraum (Bild: Wikimedia)
Viel größer kann eine Technikutopie nicht werden: Ein Team von Unternehmern hat sich vorgenommen die digitale Ungleichheit und staatliche Zensur zu überwinden, indem sie das Internet durch ein Netz von Nano-Satelliten zurück auf die Erde beamen lassen—umsonst und für jeden Menschen zugänglich. Das Projekt trägt natürlich den bescheidenen Namen Outernet.
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In Wirklichkeit geht es bei dem Plan nicht um einen kompletten Web-Zugang, sondern darum eine Auswahl an Nachrichten und Bildungsinhalten von „hoher Qualität“ an jeden Menschen auf der Welt zu senden. Zu Beginn soll die Kommunikation noch „one-way“ sein, was das ganze zunächst zu einem überdimensionierten Mehrkanal-drahtlos-Programm macht.
Das hochfliegende Ziel ist es die Milliarden Menschen zu erreichen, die keinen Zugang zu den reichen Informationen des Internets haben. Es soll nicht darum gehen dafür zu sorgen, dass jeder Erdenbürger bei eBay oder Amazon einkaufen kann.
Das Startkapital für Outernet kommt von Digital News Ventures, einem Fördertopf der Non-Profit-Organisation Media Development Investment Fund, der in Start-Ups im Nachrichten Bereich in „neuen Märkten“ investiert. Die Gruppe bittet nun um Spenden und hofft „viele Millionen Dollar“ zu sammeln um schließlich hunderte der CubeSats in den niedrigen Erdorbit zu schicken. Die Webseite des Unternehmens erklärt, wie das alles genau funktionieren soll:
„Jeder Satellit empfängt Datenströme von einem Netzwerk an Bodenstationen und überträgt die Daten solange kontinuierlich bis neue Inhalte empfangen werden. Um das größtmögliche globale Publikum zu erreichen nutzt unsere Sternenkonstellation eine auf dem UDP-Benutzerdatensegmentprotokoll basierende Multikanal-Funkübertragung. Obwohl sie noch nicht sonderlich weit verbreitet ist, hat sich dieses WiFi-Multicasting bereits in der Praxis bereits bewiesen—besonders wenn es darum geht Daten direkt an die Rezipienten zu übertragen.“
Die Organisatoren von MDIF haben ihre Pläne am vergangenen Sonntag angekündigt, und der Projektleiter Syed Karem hat wenig später auf Reddit eine hitzige Debatte über die Pläne von Digital News Ventures geführt. Bis jetzt waren die Reaktionen gemischt, aber das schiere Ausmaß des Vorhabens bestärkt definitiv die Skeptiker.
Andererseits gewinnt Outernet mit seinen technoanarchistischen Plänen ein paar Fans unter den Netzbewohnern—die Webseite nennt es „BitTorrent für den Weltraum.“ Bis jetzt scheinen die Bitcoin Blockchain, Ubuntu, OpenStreetMap, Wikipedia und Coursera unter den Webseiten zu sein, die aus dem Weltraum heruntergebeamt werden sollen. Unterdessen haben andere Kommentatoren auf Reddit und in offiziellen Foren des Projekts, sich kritisch geäußert und auf die noch offenen Fragen hingewiesen. Und davon gibt es durchaus viele.
Zunächst einmal: Wo kommt das Geld her? Karem berichtete, dass der Grundpreis von SpaceX für den Start von einem 13 Tonnen schweren Mikrosatelliten bei knapp über 40 Millionen Euro liegt. Während dies nur ein Bruchteil traditioneller Satellitenkosten ist, so bleibt es alles andere als Kleingeld. Und damit ist es bei weitem auch noch nicht getan. Während die Spendenseite des Projekts als Standardrate 10 Dollar angesetzt hat, nehmen sie selbstverständlich auch Gaben in Kryptowährungen an. Aber dennoch wird es einige Dogecoin Spenden brauchen um hunderte CubeSats ins All zu schießen.
Bild: Outernet
Eine weitere offene Aufgabe für das Outernet Team ist es, überhaupt eine Auswahl unter all den Nachrichtenseite vorzunehmen, die ihren Inhalt über das Satellitennetz verschicken dürfen. Bis jetzt fragt es zunächst die Nutzer nach Empfehlungen. Aber sollte die technische Seite des Projekts jemals ein Erfolg werden, so dürfte das Crowdsourcen der besten verfügbaren Online-Inhalte in einer ziemlich wilden Auseinandersetzung münden. Natürlich kannst du nicht einfach jeden Nutzervorschlag mit einbinden. Und wir sollten auch nicht in eine Situation kommen, in der ein paar Online-Redakteure willkürlich kontrollieren, welche Informationen die Welt erhält.
Und schließlich gilt es auch noch zu beachten, dass einige Unternehmen und Regierungen etwas gegen die Pläne eines alternativen Internets einzuwenden haben dürften. Einerseits wären das repressive Staaten, die gerne einmal auf die Option der Totalabschaltung des Internets zurückgreifen. Aber auch große Unternehmen hätten die Macht und die Fähigkeiten das Signal zu blockieren oder zu hacken, wenn sie befinden, dass es ihren Geschäften im Weg steht. „Es wird sicherlich eine konstante Bedrohung unserer Sicherheit geben“, gab Karem auf Reddit zu. „Outernet wird ein primäres Ziel für System-Hacking sein.“
Alles in allem, kann man sicherlich feststellen, dass das Konzept des Outernet Teams gut durchdacht ist—schließlich arbeiten in ihrem Team laut eigenen Angaben unter anderem ein ehemaliger Anwalt der US-Kommunikationsbehörde FCC, ein Physiker, ein Graphikdesigner und ein Weltraumexperte (was immer dies auch genau bedeutet). Das Projekt ist dennoch ziemlich ambitioniert: „Wir haben es mit einer brenzligen Angelegenheit zu tun und wir arbeiten uns immer noch durch viele auftauchende Problem“, sagt Karem.
Nichtsdestotrotz haben sie sich einen ziemlich optimistischen Zeitrahmen für das Projekt auferlegt: Prototypen sollen bis Juni entwickelt werden, die Tests der Übertragung auf der ISS sollen bis September beginnen (sie haben einen Antrag auf eigene Arbeitszeit auf der internationalen Raumstation gestellt), und schließlich soll die Kommunikation bis zum Sommer nächsten Jahres fertig entwickelt sein und funktionieren.
Bis jetzt klingt vieles vor allem auch nach einer Hans-Guck-in-die-Luft Vision verpackt in einer altruistischen Technikutopie, die wir wahrscheinlich zusammen mit den Plänen einer Marskolonnie oder von einem funktionierenden Hyperloop-Transport ablegen können— irgendwann wird dies vielleicht Realität sein, aber bestimmt noch nicht bald. Sollte sich allerdings jemand mit den Ressourcen des Hyperloop-Idealisten Elon Musk das Projekt unterstützen, dann könnten wir uns vielleicht schon früher als wir denken ins Outernet einwählen.