Die Grammys waren politisch wie nie und trotzdem ein Armutszeugnis für Gleichberechtigung

Beim wohl prestigeträchtigsten Musikpreis der Welt ging es am 28. Januar richtig emotional zu. Ganz im Zeichen der #MeToo- und “Times Up”-Bewegung, setzten zahlreiche Musikerinnen und Musiker bereits im Vorfeld der Verleihung optisch ein solidarisches Zeichen gegen die Unterdrückung und Ungleichbehandlung von Frauen. Und zwar mit weißen Rosen als Anstecker. Diese Symbolik war vom Grammys-Orga-Kommitee vorab angeregt worden. So ähnlich lief das ja bereits bei den Golden Globes 2018, wo dieses Jahr eine große Zahl von Schauspielerinnen aus denselben Beweggründen wie bei den Grammys ganz in schwarz gekleidet erschien.

Durch den Abend führte zum zweiten Mal in Folge Late-Night-TV-Host und Carpool-Karaoke-Erfinder James Corden – einer dieser Typen vom Format “Sympathische Alleskönner”. Corden versäumte es durch den Abend hinweg nicht, viele Seitenhiebe und zotige Sprüche in alle Richtungen rauszukloppen, um am Ende dabei stets arschcool rüberzukommen.

Hier unsere Highlights und Erkenntnisse inklusive aller Gewinner (und den biggest Losern):

Videos by VICE

Die Opening-Performance

Kendrick Lamar trifft Bono und Edge von U2 plus Comedian Dave Chappelle und wir erkennen einmal mehr: Im HipHop gibt es wohl weltweit derzeit immer noch keinen spannenderen Künstler als King Kendrick. Darstellende Performance-Kunst und politische Aussagen vermischen sich bei ihm so spielerisch, das der große Grammys-2018-Gewinner Bruno Mars trotz quietschbunter Spaß-90er-Outfits einfach weggehen soll. Bitte.

https://www.youtube.com/watch?v=mdyegeGkdL4

Keshas “Praying”-Auftritt mit Gänsehaut-Faktor 1000

Zusammen mit Cindy Lauper, Camila Cabello, Andra Day und weiteren großartigen Sängerinnen lieferte Kesha die wohl persönlichste Performance des Abends ab – ganz im Zeichen der #MeToo-Debatte. Der Song “Praying” markiert inhaltlich und musikalisch das Ende ihrer, wie sie es selbst beschreibt, “traumatischen Zusamenarbeit” mit ihrem Ex-Manager und -Produzenten Dr. Luke, den sie u.a. wegen sexuellen Missbrauchs verklagt hatte. In jedem Wort des Songs und in jeder Geste dieses Auftritts fühlt man Keshas Leid. Angekündigt wurde das Ganze von Sängerin Janelle Monáe, die ebenfalls klare Worte gegen die Ausbeutung von Frauen in der Musikindustrie fand.

https://www.youtube.com/watch?v=7cmzAjwmc5k

Hillary Clintons Gastauftritt in James Cordens Gag-Video mit fettem Trump-Diss

In einem Sketch sah man den Spaßmacher Corden, wie er verschiedene Musiker für eine Spoken-Word-Performance castet. Dafür lesen u.a. Cardi B und DJ Khaled aus dem “Inside the White House”-Bestseller “Fire and Fury” von Michael Wolff über Donald Trumps Leben vor. Das Trump-kritische Buch gilt als inhaltlich noch hochentzündlicher als Gzuz auf deutschen Straßen. Am Ende steckt jedenfalls Hillary Clinton ihren Kopf hinterm Buch hervor und verarscht damit einmal mehr ihren Widersacher der vergangenen US-Wahl.

Trumps Sohnemann Donald Trump Jr. fand das übrigens nicht so lustig und tat seinen Unmut über die böse Hillary direkt mal auf Twitter kund:


Ivy Blue, Tochter von Beyoncé und Jay Z, bringt ihre Eltern zur Räson aka: “Wie kann ein Kind bitte schon so cool sein?” (rhetorische Frage)



Logic, Khalid und Alessia Cara performen “In Memoriam”-Tribut am Ende der Show

Rapper Logic ist ein Ehrenmann und diesem Image leistete er auch bei den Grammys brav folge, als er gemeinsam mit R’n’B-Sänger Khalid und Pop-Starlett Alessia Cara seinen Song “1-800-273-8255” präsentiert – quasi der Abschluss der Verleihung und eine Ehrung aller 2017 verstorbener Musikerinnen und Musiker. Am Ende des Lieds, das die Helpline für suizidgefährdete Personen in den USA aufgreift, zitierte Logic noch die Worte, die auf der Freiheitsstatue in New York zu finden sind: “Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to breathe free!” Ein emotionales Statement gegen Trumps Refugee-Politik.

https://www.youtube.com/watch?v=tOEgTsUncBY
https://www.youtube.com/watch?v=tOEgTsUncBY

Biggest Loser:

Jay Z, der ohne Preise nach Hause ging, trotz acht Nominierungen.

Und: Die Frauenwelt, die trotz zahlreicher Erwähnung im Kampf gegen das männliche Patriarchat innerhalb der Musikwelt und darüber hinaus am Ende nur eine einzige Frau in einer einzigen Kategorie (Alessia Cara) zur Gewinnerin hat. So viel zum Umbruch.

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