Houston, we have a phone call: Der “Funkasaurus” Brodus Clay will, dass jemand seine Mama anruft.
Wrestling-Wissenschaftler haben vor kurzem einen neuen extrasolaren Himmelskörper entdeckt: Er heißt Planet Funk, hat die Oberflächenbeschaffenheit einer Discokugel und wird nach aktuellem Wissensstand nur von einer Lebensform, und zwar dem wunderschön klingenden Funkasaurus, bewohnt. Das einzige Exemplar dieser Spezies, das bisher in Gefangenschaft überleben konnte, trägt den Namen Brodus Clay und ist (natürlich!) Wrestler mit Leib und Seele. Oder so ähnlich. Ehrlich gesagt habe ich auch noch nicht so ganz durchschaut, was die Schreiber der WWE uns mit dieser abstrusen Geschichte aus Vincent Ravens Anderswelt mitteilen wollen, außer, dass es mit dem Kokainnachschub wohl wieder ganz gut hinhaut (danke der Nachfrage).
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Charlie Sheen likes Coke – more than Pepsi.
Das wirklich Merkwürdige ist aber, dass mich das alles aus Gründen, auf die ich meine Wurstfinger noch nicht ganz legen kann, und die wahrscheinlich irgendwas mit dem inflationären Gebrauch des Wortes “Momma” im Einzugssong von Brodus Clay zu tun haben, frappant an meine späte Kindheit erinnert und damit Fragen aufwirft, die man sonst nur zum Vorzugspreis von 300 Euro pro Sitzung beantwortet bekommt. Das hier ist also die Geschichte vom Aufstieg eines shakenden Scheißhauses im Adidas-Jogger und meiner halbdurchen Nerd-Jugend als Wrestling-Fan. Oh, und die von glitzernden Keksen aus Einhornkacke.
PLANET NEUNZIGERJAHRE:
Waren wir zu Teenagerzeiten nicht alle Nerds? Okay, die Antwort ist “Nein, manche waren einfach nur hübsch und hatten einen ganzen Arsch voll hübscher, unnerdiger Freunde”, aber ihr wisst, was ich meine. Ich für meinen Teil war im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren jedenfalls ein pulvriges Häufchen Hormone und konnte mich neben Printpornos (ja, so alt!) eigentlich nur für Asimov’sche Science-fiction, Wrestling und Mulder-mäßige Staubmäntel begeistern.
Ja, wir waren damals alle sooo Napoleon Dynamite – und ich meine hier eher wie der Film, nicht wie sein Hauptdarsteller. Denn wir wussten, dass es irgendwo da draußen ein Publikum gab, für das unsere Schwächen zumindest ein bisschen cool waren und das sich beim gemeinsamen Hass auf alle anderen irgendwie auch wohlfühlte. Oder zumindest redeten wir uns gern ein, dass auf der anderen Seite der Sitcom-Wand irgendeiner saß und uns verstand.
Fun Fact: Die Farben, die man hier nicht sieht, sind Schweinchenrosa und Minzgrün.
Natürlich hab auch ich mich damals in meine beste Freundin verliebt und geschmachtet, natürlich hab ich pathetische Musik gehört und mir eingeredet, dass mich keiner mag, und natürlich dachte ich, ich wüsste alles besser als alle anderen und wäre diesen ganzen blöden Scheuklappen-Erwachsenen um Längen voraus (wobei letzteres natürlich auch stimmte, duh).
Aber weil sich das alles nicht irgendwann, sondern ausgerechnet in diesem schizoiden Prä-Ironikum namens “Neunzigerjahre” abspielte, wo noch nicht alles voll von Anführungszeichen und Augenzwinkerern war, fand ich es total stimmig und richtig, mich auf der einen Seite meiner Teenage Angst-Abgebrühtheit hinzugeben, und auf der anderen Seite der Seifenblasenoper-Welt des Wrestling, wo untote Totengräber aus Särgen schwebten, zauberstockschwingende Voodoo-Priester ihren Feinden grüne Kotze in die Münder zauberten und unbesiegbare Helden aus dem Weltall Interviews zu Themen wie Truthähnen und raumfahrenden Göttern gaben.
Womit wir irgendwie wieder bei Brodus Clay wären, der erst vor wenigen Wochen sein Re-Debüt im Ring feierte (hier das Video dazu). Und wenn ich sage feierte, dann meine ich auch FEIERTE, verFUNKt noch mal! Schließlich kam der dicke Turner als “Funkasaurus from Planet Funk” zurück und wird mittlerweile spitzbübisch als “the only Funkasaurus in captivity” bezeichnet. Dabei hilft natürlich, dass der abdominal-agile Brodus Clay nicht nur die Hüften erstaunlich gut kreiseln lassen kann, sondern auch wirklich ziemlich nach T-Rex aussieht, wenn er erst mal die Zwei-Krallen-Händchen macht.
Komisch ist das alles deshalb aber nicht weniger: Hier haben wir einerseits das Wrestling, das mit uns gemeinsam (ein bisschen) erwachsen geworden ist und genau wie wir andauernd Insider-Anspielungen macht, um Authentizität bemüht ist und ernstgenommen werden will – und andererseits haben wir den FUNKASAURUS, ein übergewichtiges homoerotisches Tanz-Monstrum, das seine eigenen Angriffe auf seine Gegner mit “My bad!” entschuldigt.
Wie zur Hölle passt das alles zusammen? Und wie bitteschön sollen wir Wrestling-Fans uns angesichts solcher Gestalten jemals aus der verschämten Schmuddelecke heraus trauen? Ich glaube, für die Antwort müssen wir die Zehen noch einmal in den adoleszenten Hormonsumpf tunken. Denn auch, wenn wir damals bis unters Kinn mit unsrer Bettdecke aus Unsicherheit zugedeckt waren, hatten wir komischerweise kein Problem damit, wenn sie von der Musterung her nicht zum Kopfpolster passte. Genau wie wir ist Wrestling seit damals stückchenweise erwachsen geworden. Und genau wie wir steckt im Wrestling gleichzeitig immer noch der kleine fünfzehnjährige Nerd.
Das folgende Video appelliert eher an zweiteres, also tut mir doch den Gefallen und versucht zumindest mal, dieses Match mit nur einer aktiven Gehirnhälfte anzuschauen – wenn eure Intelligenz dann immer noch beleidigt ist, dürft ihr mir auch gerne zur Bestrafung kindische Penisfotos an markus.lust@vice.com schicken:
Und soviel auch zu meinem Nerdtum mit fünfzehn. Zum Ausgleich sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich in etwa zur selben Zeit meine erste heiße Urlaubsaffäre mit einer dreizehnjährigen Ostdeutschen in Ägypten hatte, die mit Von-ihrem-Vater-am-Strand-beim-Rummachen-erwischt-werden anfing und mit sechs-bis-sieben-stündigem Telefonsex endete. Dazwischen hatten wir auch ganz viel echten Körperkontakt, den wir uns durch Ausreden wie “Ähm, ich muss schnell Badehose wechseln gehen…” – “Ähm, ich auch!” gegenüber unseren Eltern hart erkämpften – und das alles erzähle ich nur, damit ich in euren Köpfen nicht endgültig Aknewangen und Zahnstocherbeine kriege.
So. Abschließend möchte ich euch noch 47 Sekunden zeigen, die stellvertretend als Symbol dafür, was sich auf dem Nerdsektor seit den Neunzigern getan hat, stehen:
Zugegeben, das mit der Einhornkacke hat jetzt nicht wirklich irgendwas mit dem Rest hier zu tun, ich wollte euch einfach nur mit einem knackigen Teaser bei der Stange halten (wenn ich es mir recht überlege, schickt mir lieber doch keine Penisbilder, das macht auf Dauer doch niemanden glücklich). Im Ernst, was sollte ich auch groß über Einhornkacke zu sagen haben? Wir sind doch schließlich keine Kinder mehr.
Mahalo!