Ivorrie könnte die Östrogen-Infusion sein, welche die Schweizer R&B-Szene braucht

Ivorrie sagt dir wohl noch nichts, da bist du sicher nicht die einzige Person. Wenn du dich aber für R&B und HipHop interessierst, dann solltest du dir ihren Namen merken. Nachdem uns Ivorrie mehrmals mit ihren Tracks zugespamt hatte, hörten wir uns auf ihrem Soundcloud-Profil ein wenig um und müssen zugeben, dass sie überraschend gut für eine komplette Newcomerin ohne Label ist. Deshalb luden wir die Luzernerin zu einem Interview ein, um sie sowie ihr erstes Mixtape Twins, welches am Dienstag erschienen, vorzustellen.

Beim Interview kam eine ziemlich aufgeregte Ivorrie auf mich zu – es sei ihr erstes Interview. Während unserem Gespräch wurde schnell klar, dass Ivorrie noch viel vor hat, ihre Träume gross sind und von sich selber und ihren Handlungen ziemlich überzeugt ist. Mit ihrem crazy, träumerischen Wesen und einem nicht zu kleinem Ego merkt man, dass sie es weit bringen möchte. Doch sie hat durchaus Talent, darum sollte man sich ihr Mixtape zumindest mal anhören.

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Noisey: Wir haben deinen Song “Number” gehört, fanden ihn interessant und wollten eigentlich nur wissen, wer du bist. Kannst du dich kurz vorstellen?
Ivorrie: Ich bin Ivorrie aka Michelle – wie auch immer. Werde am Tag des Releases 21 Jahre alt. Mir ist für das Release kein anderes Datum eingefallen und ich dachte mir, dass es gut zusammenpasst. Vor einem Jahr habe ich angefangen, Musik aufzunehmen und singe schon seit ich klein bin. Ich nehme die ganze Musikgeschichte schon ziemlich ernst und möchte eigentlich die ganze Schweizer R&B- und HipHop-Szene ein wenig aufmischen. Irgendwie ist dort noch keine Frau richtig präsent – oder nicht so, dass ich davon wüsste. Ich möchte zeigen, dass wir Frauen das auch können.

Wie erklärst du dir, dass keine weiblichen Künstler in der Schweizer R&B-Szene präsent sind?
Wahrscheinlich weil sich viele nicht trauen, die Erste zu sein. Dazu kommt noch, dass den Frauen auch nicht wirklich eine Chance geboten wird. In der Schweizer R&B- und HipHop-Szene werden vor allem die Männer bevorzugt. Obwohl das im Ausland ja eigentlich nicht der Fall ist.

Du singst also schon seit du klein bist. Hattest du Gesangsunterricht oder warst im Chor?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe immer für mich selber gesungen. Meine Mutter sang ebenfalls und mein Vater war früher DJ. Liegt also alles irgendwie in der Familie. So bin ich auch zur Musik gekommen.

Hat dein Mixtape irgendein Motiv?
Also das Album heisst Twins und das ist die Abkürzung für “The wave is never slowing”. Bei den zwölf Liedern geht es immer um mich und um Sachen, welche ich bis jetzt erlebt habe. Es gibt keine wirklich chronologische Geschichte, es sind Teile aus meinem Leben. Ich möchte damit anderen helfen, vielleicht können sie sich damit identifizieren. Jeder Track ist etwas, das ich mit den Leuten teilen möchte. Ich möchte den Leuten Mut machen und eine Art Vorbild sein. Vor etwa einem Jahr haben wir angefangen an dem Mixtape zu arbeiten. Ich bin eine Perfektionistin und auch jetzt nicht zufrieden. Ich werde wahrscheinlich auch nie zufrieden sein, steigern kannst du dich immer. Doch schlussendlich dachte ich mir, dass ich endlich mal etwas veröffentlichen muss.

Seit einem Jahr arbeitet du jetzt an dem Mixtape, hat dir jemand dabei geholfen?Ich war bis vor zwei Monaten bei einem Label aus Basel, aber das funktionierte gar nicht – der Vibe hat nicht gestimmt. Es hat Streitigkeiten innerhalb des Labels gegeben und auch mit anderen Künstlern. Dazu kommt noch, dass sie im Kopf noch nicht so reif waren. Sie bilden sich halt ein, dass sie übertrieben gut sind, dabei steht das Label noch am Anfang. Darum verliess ich es und seitdem läuft es auch besser. Also war das Projekt schon eher Eigenarbeit, mit Hilfe von meinen Freunden und meinem Vater.

Wie würdest du deine Musik selber beschreiben?
Oh Gott! Gute Frage. Ich denke, es ist mal etwas anderes. Klar hat es auch typische Elemente von R&B und HipHop dabei, doch ich versuche von allen Styles etwas reinzumischen. Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus R&B, HipHop, Trap-Soul, vielleicht auch Pop.

Wer hat dich inspiriert?
Kennst du Kehlani? Sie ist mein grösstes Idol. Ich arbeite im Moment nicht und ich wüsste auch nicht, was ich machen sollte. Musik ist das Einzige, was ich wirklich im Kopf habe. Dort weiss ich, dass ich super darin bin. Ich will nicht jeden Morgen um 06:00 Uhr aufstehen und arbeiten gehen, nur für ein bisschen Geld, damit ich am Abend kaputt bin – und am nächsten Tag dasselbe. Ich möchte etwas anderes als die Norm und die Musik zu meinem Hauptberuf machen.

Wie willst du das erreichen?
In der Schweiz ist es ein wenig schwierig, weil meine Tracks vor allem im Ausland gefeiert werden. Ich dachte, ich release jetzt mal mein Mixtape und schaue, wer sich das alles anhört und wie es ankommt. Was ich im Moment mache: Ich schicke meine Aufnahmen überall hin – immer wieder, bis ich eine Rückmeldung bekomme. So habe ich das auch beim SRF gemacht, zuerst bekam ich eine Absage, doch dann haben sie es trotzdem in die CH-Beats-Playlist aufgenommen. Schlussendlich ist das Ziel natürlich Amerika.

Was sind deine konkreten nächsten Schritte?
Ich trete im September in Basel auf und ich möchte unbedingt mit anderen Leuten zusammenarbeiten. Einfach um dazuzulernen. Das Openair Frauenfeld, das ist ein grosses Ziel von mir. Ich hoffe das klappt nächstes Jahr.

Was ist der Reiz für dich, um live zu performen?
Ich bin jedes Mal scheisse nervös. Ganz schlimm. Ich brauch immer einen Drink vor dem Auftritt. Es ist echt ganz schlimm, aber ich liebe es, dass bin einfach ich auf der Bühne. Und die Leute gehen voll drauf ab, bis jetzt habe ich immer positives Feedback erhalten.



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