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Wie man jemanden mit einer schweren Depression unterstützen kann

Drawing two women sitting on a pink couch, one in fetal position with her face against the couch, the other trying to comfort her.

Niemand sagt dir Bescheid, wenn eine der Personen, die dir sehr nahesteht, in einen Abgrund voller Leere und tiefer Traurigkeit gefallen ist. Und egal, wie sehr du dich anstrengst, reine Willenskraft wird nicht reichen, um ihr dort wieder herauszuhelfen. Vor allem am Anfang wird es Zeiten geben, in denen du dich hilflos fühlst. Du wirst dich fragen: “Was soll ich jetzt tun?”, “Kann ich mich irgendwie nützlich machen?” oder “Was, wenn ich auch abrutsche?”

Leider gibt es kein unfehlbares Rezept, um einem depressiven Menschen nahe zu bleiben. “Jede Person ist anders, jede Geschichte ist anders und jede Situation ist anders”, erklärt die klinische Psychologin Carola Moretti, die in Mailand Kurse für Angehörige von Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen gibt. “Aber es gibt Leitlinien, denen wir folgen können”, fügt sie hinzu.

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Woran man eine depressive Störung erkennen kann

Nach derzeitigen Diagnosestandards spricht man von einer schweren depressiven Störung, wenn mindestens fünf der hier aufgeführten Symptome über einen längeren Zeitraum auftreten. “Wenn Menschen, die uns nahestehen, anfangen, tagsüber viel zu schlafen, wenn sie weniger ausgehen als sonst, wenn sie sich zurückziehen, wenn sie sich unzulänglich fühlen und nicht mehr in der Lage sind, die Aufgaben zu bewältigen, die sie immer bewältigt haben, wenn sie ihre Lebenskraft verlieren, dann sind das Anzeichen, die uns stutzig machen sollten”, fügt Carola Moretti hinzu.

An diesem Punkt müssen wir entschieden eingreifen. “Etwas, worauf man sich unbedingt konzentrieren sollte, ist der Person die Vorstellung zu nehmen, dass sie allein zurechtkommt. Oder dass die Depression einfach nur durch eine Verschlimmerung ihrer Charakterschwächen kommt, wie depressive Personen oft fälschlicherweise glauben”, sagt Moretti. Stattdessen solltest du klarstellen, dass Depressionen eine Störung der Gehirnchemie sind, und dass deshalb eine ärztliche Behandlung notwendig ist.

Wie man eine ärztliche Behandlung vorschlägt

Falls die Person sich nicht direkt mit der Idee einer Therapie anfreunden kann, kannst du versuchen, sie auf verschiedene Weise zu unterstützen. Zum Beispiel kannst du anbieten, zum ersten Termin mitzukommen, eine Liste mit Therapiemöglichkeiten zusammenstellen, aus der sie auswählen kann, oder während einer Sitzung draußen zu warten. Es ist allerdings auch wichtig, nicht zu viel Druck aufzubauen. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo.

Die Suche nach der richtigen Therapie ist ein langer Prozess. Es ist ungemein wichtig, dass die Person jemanden findet, bei dem sie sich wohlfühlt. Das klappt vielleicht nicht gleich beim ersten Versuch. Stell dich darauf ein, sie immer und immer wieder zu begleiten und zu ermutigen, falls es nicht funktioniert. Carola Moretti zufolge wäre es am besten, direkt mit einem Besuch in einer psychiatrischen Praxis zu beginnen, wo gegebenenfalls Medikamente verschrieben werden können. “Es ist gut, sich daran zu erinnern, dass sich psychiatrische Fachkräfte mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen befassen und es Behandlungen gibt, die funktionieren”, erklärt sie. Man kann aber auch zuerst in die Hausarztpraxis oder zu einer psychologischen Fachkraft gehen und gegebenenfalls dort eine Überweisung bekommen.

Die richtigen Worte finden

Wenn jemand eine einzelne depressive Episode durchlebt, können aufmunternde Worte manchmal helfen. Wenn ein Mensch jedoch an einer depressiven Störung leidet, sind sie oft kontraproduktiv. “Die depressive Person sieht sich vielleicht zwischen all den Leuten um, die sie lieben und aufmuntern wollen, und denkt sich: ‘Meine Eltern sind toll, mein Freundeskreis ist toll, der Mensch, mit dem ich zusammen bin, ist toll, und trotzdem kann ich nicht glücklich sein’”, sagt Moretti.

Du solltest auch nicht von der Person verlangen, stark zu sein, sie mit anderen vergleichen oder ihr sagen, sie habe alles, um glücklich zu sein. Oft sind es genau diese Dinge, die sich Betroffene selbst einreden, die ihre Gefühle entwerten und den Teufelskreis aus Selbsthass antreiben.

Der Person zu sagen, dass du da bist, wenn sie dich braucht, wird auch nicht immer helfen. Menschen mit Depressionen fällt es oft schwer, von sich aus jemanden zu kontaktieren. Stattdessen solltest du versuchen, Einfühlungsvermögen zu zeigen. Melde dich regelmäßig bei der Person, frag sie, was sie denkt, und erinnere sie daran, dass es nicht ihre Schuld ist und dass eine bessere Zukunft möglich ist. Du kannst auch nachfragen, ob du irgendetwas für sie tun kannst – auch in praktischer Hinsicht wie Aufräumen oder Einkaufen.

Im Alltag für einen depressiven Menschen da sein

Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Manche brauchen ihren Freiraum, andere mögen Körperkontakt, wieder andere brauchen ein bisschen von beidem. Trotzdem meint Carola Moretti, dass körperliche Nähe zu einer depressiven Person nie schaden könne. Ein Anruf, um einfach mal vorbeizuschauen, sich im selben Raum aufhalten, auch ohne sich zu unterhalten, die andere Person wissen lassen, dass ihr Schmerz verstanden wird – das alles sind kleine Gesten, die hilfreich sein können.

Auch wird oft unterschätzt, welche positiven Auswirkungen es haben kann, jemanden neben der Therapie zu einem gesunden Lebensstil zu ermutigen. “Bewegung, und sei es nur eine halbe Stunde pro Tag, ist manchmal sehr hilfreich”, erklärt Moretti. “Sie sollte mit einer gesunden Ernährung ohne Junkfood kombiniert werden.”

Das kann einer depressiven Person sehr schwerfallen, aber deshalb ist deine Unterstützung so wertvoll. Diese Maßnahmen sind natürlich keine endgültige Lösung, aber sie können die depressive Person allmählich dazu bringen, sich nicht mehr selbst zu vernachlässigen, was ein deutliches Zeichen der Besserung ist.

Wie man reagiert, wenn von Suizid die Rede ist

Wenn ein geliebter Mensch, egal ob erwachsen oder im Teenageralter, von Suizid spricht, solltest du das nie unterschätzen. Die betreffende Person hat sich entschlossen, darüber zu sprechen – und hat damit den wichtigen Schritt gemacht, Hilfe und Unterstützung bei Menschen ihres Vertrauens zu suchen.

In dem Augenblick selbst, aber auch danach, sollte das Problem direkt angesprochen werden: “Hast du Suizidgedanken?”, “Warum denkst du über den Tod nach?”, “Willst du das wirklich manchmal?” Auch wenn die Person nicht darüber spricht, aber du den Verdacht hast, dass sie Suizidgedanken hat, ist es besser, direkt nachzufragen. Studien legen nahe, dass das Sprechen über Suizidgedanken das Risiko einer Umsetzung verringern kann. Egal, wie das Thema zuerst aufkommt, Suizidgedanken sind ein klares Zeichen dafür, dass so schnell wie möglich eine Behandlung bei einer auf Depressionen spezialisierten Fachkraft aufgenommen werden sollte.

Es ist wichtig, auch nach dem ersten Gespräch über Suizidgedanken und einem Therapiebeginn nicht unvorsichtig zu werden, denn das Suizidrisiko kann sich paradoxerweise gerade dann verschlimmern, wenn es einer Person etwas besser zu gehen scheint. “Wenn sich eine depressive Person an ihrem tiefsten Punkt befindet, ist die Wahrscheinlichkeit eines Suizids geringer”, erklärt Carola Moretti. “Sie ist so unfähig, irgendein Projekt in Angriff zu nehmen, dass selbst ein Suizid, der etwas Energie, Planung und Voraussicht erfordert, schwierig wird.”

Gerade wenn Menschen mit Depressionen in einer Erholungsphase sind und sich ihre Stimmung scheinbar etwas gebessert hat, sie aber in Wahrheit immer noch sehr verzweifelt sind, begehen sie öfter Suizid. Deshalb musst du immer aufmerksam bleiben und niemals unvorsichtig werden, besonders zu Anfang der Therapie.

Kraft sammeln und sich selbst schützen

Einer depressiven Person nahezustehen, ist ein schwieriger Balanceakt. Vielleicht wirst du von Gefühlen der Hilflosigkeit und Traurigkeit übermannt. Vielleicht greift sie dich verbal an und zielt auf deine Schwachpunkte ab – denk aber daran, dass dabei nicht wirklich die Person selbst spricht, sondern die depressive Störung. Es ist jedenfalls vollkommen legitim, sich manchmal erschöpft zu fühlen.

In solchen Augenblicken ist es wichtig, dass du dich auch um dich selbst kümmerst. “Wenn du keine Energie hast, kannst du auch keine Energie an deine Mitmenschen weitergeben”, sagt Moretti. “Auftanken, ins Fitnessstudio gehen, sich Freiraum nehmen, für eine Weile Abstand gewinnen – das sind grundlegende Dinge.” Und das bedeutet nicht, dass du egoistisch bist oder die Person im Stich lässt. Es hilft dir nur dabei, ihr besser zu helfen.

Du leidest an Depressionen oder sorgst dich um einen nahestehenden Menschen? Die Nummer der Telefonseelsorge in Deutschland ist 0800 111 0 111. In dieser Liste sind bundesweite Anlaufstellen für Menschen mit Depressionen aufgeführt. Die Nummer der Telefonseelsorge in der Schweiz ist 143. Die Nummer der Telefonseelsorge in Österreich ist 142. Den Notfallpsychologischen Dienst erreichst du hier unter 0699 18 85 54 00.

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