Politik

VICE-Recherche: Auch im Libanon unterstützt die Deutsche Welle Israelhass

Ein Mann mit weißem Bart vor blauem Hintergrund. Daneben das Logo der Deutschen Welle.

Samir Kuntar ist kein Mensch, den man feiern sollte. Im April 1979 überfiel Kuntar, Terrorist der “Palästinensischen Befreiungsfront”, in der israelischen Mittelmeerstadt Naharija mitten in der Nacht eine Familie. Nach Augenzeugenberichten der Mutter tötete Kuntar erst den Familienvater und soll dann den Kopf der Tochter mit einem Gewehr an einem Felsen zertrümmert haben, er tötete vier Menschen. Kuntar kam in Tel Aviv ins Gefängnis. Sieben Jahre nach seiner Entlassung starb er 2015 bei einem israelischen Luftschlag in Syrien. Manche feiern ihn – obwohl er ein Judenhasser und Mörder war. So zum Beispiel der libanesische Sender Al Jadeed TV, der Partnersender der Deutschen Welle im Libanon.

In einem Bericht zu Kuntars Tod lässt Al Jadeed im Dezember 2015 trauernde Hisbollah-Funktionäre zu Wort kommen, die ungestört und in epischer Breite von seinen “Heldentaten” erzählen dürfen. Man kann sich das auf YouTube ansehen. Es wird Rache gegen Israel geschworen, Israel müsse besiegt werden. Man werde Kuntars Tod nicht akzeptieren und “sein Blut rächen”. Sein Tod sei “eine große Ehre”, weil er als Märtyrer gestorben sei. Kuntar sei ein großartiges Beispiel “moralischer Standfestigkeit”. Ein Mann, der eine wehrlose Familie überfiel und Kinder vor den Augen ihrer Eltern tötete – ein Beispiel “moralischer Standfestigkeit”? Der Al Jadeed-Reporter widerspricht nicht, distanziert sich nicht. Im Gegenteil: Er bezeichnet Israel im Beitrag selbst als “Feind”

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Al Jadeed TV wird bei der Deutschen Welle, dem steuerfinanzierten Auslandssender der Bundesrepublik, intern als “Partner für Premiumschalten” geführt. Al Jadeed produziert in Beirut für die Deutsche Welle Folgen des beliebten Formats Jafaar Talks, das in Deutschland viele Medienpreise abgeräumt hat. Al Jadeed wiederum übernimmt Inhalte der Deutschen Welle. Der Austausch ist eng. Es ist kaum vorstellbar, dass die Verantwortlichen der Deutschen Welle nicht wissen, was Al Jadeed seit Jahren sendet. Warum handeln sie nicht?

Mitunter sendet Al Jadeed minutenlang Propaganda-Videos der Terror-Organisation Hisbollah – ohne jeden Kommentar, ohne Einordnung. Männer mit Waffen und Fahnen, Raketenwerfer, Verherrlichung des Terrors. Das erklärte Ziel der Hisbollah ist die vollständige Vernichtung Israels. Der Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah rief seine Anhänger 2017 auf: “Schreibe mit Blut: ‘Tod für Israel’.”

2017 jährte sich der Krieg zwischen dem Libanon und Israel zum elften Mal. Al Jadeed TV sendete eine ausufernde Rede des Hisbollah-Chefs. Titel des Beitrags: “Nasrallah droht dem israelischen Feind am Jahrestag des Krieges.” Ein anderer TV-Beitrag trägt den vielsagenden Titel “Nasrallah verspricht den Israelis weitere Überraschungen”.

Israel kommt generell nicht gut weg bei Al Jadeed TV. Das Land wird in TV-Beiträgen wahlweise als “zionistischer Feind”, die “räuberischen Zionisten”, “zionistisches Wesen” oder schlicht “das Wesen” bezeichnet. Attentäter, die israelische Soldaten oder Zivilisten angreifen, werden auf Al Jadeed als “Märtyrer” oder “Helden” gefeiert. Ihre Opfer werden indirekt mit Tieren verglichen. Ein Beitrag zu einem Anschlag gegen Israelis trägt den Titel: “Zwei Selbstmordoperationen in weniger als 72 Stunden gegen den zionistischen Feind.” Ein Al Jadeed-Redakteur likte auf Twitter eine Antwort, in der die Hisbollah gefeiert wird: “Tausend Lob sei Gott für den Segen der Hisbollah.” Tweet und Reply sind nach wie vor online (Screenshots liegen VICE vor).

Wir haben die Deutsche Welle mit den Inhalten von Al Jadeed TV konfrontiert. Plant der Sender, die Kooperation mit Al Jadeed zu beenden?

Am Sonntag stoppte die Deutsche Welle die Zusammenarbeit mit ihrem jordanischen Partner Roya TV, nachdem VICE aufgedeckt hatte, dass Roya antiisraelische und antisemitische Inhalte verbreitet. Die Deutsche Welle entschuldigte sich und distanzierte sich von Roya-Veröffentlichungen. Zuvor hatte man Roya als “definitiv nicht israelfeindlich” verteidigt. Roya-Chef Fares Sayegh zeigte sich in einem ersten Statement am Montag enttäuscht vom abrupten Ende der Kooperation. Man habe seit 2011 “eine professionelle Zusammenarbeit” gepflegt, bei der es niemals ein Ereignis gegeben habe, das die “gemeinsamen Werte” gefährdet habe.

Was sagt die Deutsche Welle nun zu den Inhalten von Al Jadeed TV? Wie rechtfertigt man die Glorifizierung von Samir Kuntar, dem PLF-Terroristen, der nachts eine Familie überfiel und vier Menschen tötete, darunter ein Kind? Schätzt man den Partnersender als israelfeindlich ein? Und wenn ja: Plant man, die Zusammenarbeit zu beenden?

Wir haben unsere Fragen an Peter Limbourg gerichtet, den Intendanten der Deutschen Welle. Er kennt die libanesische Medienlandschaft gut, 2019 traf er den libanesischen Informationsminister zum Austausch. Die Deutsche Welle rekrutierte teilweise bei ehemaligen Al Jadeed-Redakteuren Personal für die Eröffnung eines eigenen Büros in Beirut. Antwort erhalten wir nicht vom Intendanten sondern von einem DW-Sprecher.

Die Deutsche Welle habe den gesetzlichen Auftrag, deutsche und europäische Sichtweisen in den internationalen Diskurs zu bringen. Das könne nur im Dialog gelingen. Mit ihrer Partnerstrategie, “gerade auch in Ländern mit eingeschränkter Meinungsfreiheit und regionalen Konflikten”, habe die DW einen aktiven Dialog mit Medienpartnern in vielen Ländern etabliert.

Auch wenn weltweit nicht “alle Medienanbieter die deutsch-europäischen Werte” und damit die der DW teilten, sei es wichtig, dass die DW mit ihren Inhalten dazu beitrage, demokratische Werte und Sichtweisen bekannt zu machen. Mit einer internen Untersuchung werde sich die DW intensiv mit ihren Medienpartnern in der Region beschäftigen und “nach Rücksprache mit den Gremien die notwendigen Konsequenzen ziehen”.

Nachdem die Deutsche Welle am Wochenende schnell auf die Enthüllungen zu Roya TV reagierte, spielt der Sender bei Al Jadeed TV auf Zeit. Wirklich harmloser sind die Inhalte ihres libanesischen Partners jedenfalls nicht.

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