Was an der Debatte um Schwimmbadverbote für Flüchtlinge nervt
Foto: Flickr | NATO E-3A | CC-BY 2.0

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Was an der Debatte um Schwimmbadverbote für Flüchtlinge nervt

Flüchtlinge sollten natürlich in Schwimmbäder dürfen. Im Fall Mödling verliert die Kritik aber das gesunde Maß.

Meine Heimatstadt Bornheim ist eine grundsätzlich wenig spektakuläre Gemeinde im Rheinland, die es meines Wissens nach bis Anfang 2016 nie in die Schlagzeilen der internationalen Presse geschafft hat. Vor zwei Wochen platzte aber eine Nachricht in die nach den Vorkommnissen von Köln ohnehin relativ angespannte Diskussion um Flüchtlinge, sexuelle Gewalt und die neu entdeckte Liebe vieler Männer zum Feminismus: „Kleinstadt verbannt Flüchtlinge aus dem Schwimmbad", hieß es plötzlich überall. Das war nicht grundsätzlich falsch, aber eben auch nur die halbe Wahrheit. Doch dazu später.

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Vergangenen Freitag machte dann das Foto von einem Aushang im Schwimmbad Mödling die Runde, demzufolge „Menschen mit Migrationshintergrund" nur noch in Begleitung hinein dürften. Die Aufregung, die dem Ganzen natürlich auf den Fuß folgte, hat sich der zuständige Stadtrat Rudolf Mayer selbst verdient, aber wie gewohnt verlor die digitale Schwarmintelligenz recht schnell das vernünftige Maß. Die SJ versandte sogar eine relativ hysterische OTS, in der sie fragte, ob Mödling jetzt „Arier-Nachweise" ausstelle.

Ins Stadtbad #Mödling dürfen "Menschen mit Migrationshintergründen" nur noch mit "Begleitpersonal" pic.twitter.com/XF5Agpuf3J
— Alexander Strobl (@a_strobl) 22. Januar 2016

Clemens Neuhold vom Profil tat dann das, was man als Journalist tun sollte, und rief bei Mayer an. Wenn man den Artikel liest, schaut die Sache plötzlich gar nicht mehr so glasklar aus. Natürlich ist seine Wortwahl recht daneben.

Er spricht davon, dass mit „diesen Leuten" keine Kommunikation möglich sei. Ihm war offenbar nicht mal bewusst, dass „Menschen mit Migrationshintergrund" fast ein Drittel der österreichischen Wohnbevölkerung einschließt und ein nicht nur denkbar schlechtes Unterscheidungsmerkmal ist, sondern auch einfach nicht das beschreibt, worum es ihm geht. Es geht offenbar gezielt um eine bestimmte Gruppe von unbegleiteten, minderjährigen afghanischen Flüchtlingen, die im Schwimmbad für Probleme gesorgt haben sollen.

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Natürlich kann man seine Reaktion darauf kritisieren, nicht nur in der Wortwahl. Eine Gruppe pauschal für das Vergehen einiger weniger verantwortlich zu machen, ist äußerst problematisch. Aber irgendwie lesen sich seine Antworten doch eher trotzig und patschert als immanent rassistisch. Das ist nichts, was den schnell herbeizitierten Vergleich mit dem Dritten Reich auch nur irgendwie rechtfertigen würde.

In Bornheim lag der Fall übrigens ähnlich. Mehrere Frauen hatten angegeben, im örtlichen Schimmbad von minderjährigen, männlichen Flüchtlinge begrabscht worden zu sein. Die konkreten Übeltäter waren nicht ausfindig zu machen. Die Stadt (in der die Integration von Flüchtlingen übrigens seit Jahrzehnten auch aufgrund von Freiwilligen-Arbeit exzellent funktioniert) entschloss sich, ein Zeichen zu setzen und Asylbewerbern den Zugang temporär zu untersagen. Die zuständigen Sozialarbeiter kommunizierten das so in den Flüchtlingsunterkünften und stießen dort dem Vernehmen nach auf viel Verständnis. Zwei Tage kochten dann schon die Foren hoch, und die Feinheiten wie das von Anfang an geplante Ablaufdatum gingen in den Mühlen der Schlagzeilen unter.

Man muss wirklich kein Fan von Schwimmbadverboten für bestimmte Gruppen sein. Die Maßnahme ist mit ziemlicher Sicherheit nicht verhältnismäßig, dafür aber eine Kommunikations-Katastrophe und rechtlich heikel. Trotzdem bekommtdie Diskussion derzeit eine problematische Schlagseite, die niemandem wirklich hilft.

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Die Debatte um die Flüchtlinge ist auch gerade deshalb schwierig, weil es wenig wirklich feststehende und anerkannte Tatsachen gibt. Zu der Frage, ob Männer, die aus muslimisch und patriarchal geprägten Ländern nach Europa kommen, wirklich weniger Respekt vor Frauen haben als der durchschnittliche Österreicher, gibt es so viele Meinungen wie „Be Like Bill"-Postings. Man weiß es einfach nicht.

Ein paar Sachen weiß man aber schon. Zum Beispiel: Wenn viele kommen, kommen auch viele Arschlöcher. Das ist jetzt keine bahnbrechende Erkenntnis. Ebenfalls klar ist: Wenn besonders viele Menschen aus der demographisch gefährlichsten Gruppe weltweit (junge Männer) nach Österreich kommen, werden Mitglieder aus dieser Gruppe Verbrechen begehen. Unter anderem auch die, für die diese Gruppe statistisch anfällig ist. Das ist alles andere als mindblowing.

Überall auf der Welt machen Gruppen junger Männer Probleme, weil junge Männer überall auf der Welt gleich sind: vollgepumpt mit Testosteron und übersteigerten Bildern von Männlichkeit. Ständig darauf angewiesen, sich selbst und den anderen jungen Männern etwas beweisen zu müssen. Das weiß ich unter anderem deshalb, weil ich auch mal ein Teenager war. Und nicht mal meine grundsätzlich astreine Mittelstands-Biographie hat mich davor bewahrt, mich wie ein hormongesteuerter Halbstarker durch die Gegend zu prollen.

Wenn sogar ein relativ behüteter Beamtensohn wie ich das tut, ist es nicht verwunderlich, dass männliche UMFs (unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge) Probleme machen. Zusätzlich zu allen Eigenschaften, die junge Männer ohnehin gefährlich machen, haben die nämlich eine wochenlange Flucht hinter sich, sind teilweise traumatisiert und haben keine Mutter, die ihnen die Ohren langzieht, wenn sie am Frühstückstisch etwas Sexistisches sagen. Wenn ich mit 17 Jahren, nach einer wochenlangen Flucht aus einem vom Bürgerkrieg zerstörten Land, in Sorge um meine Familie und mit dem Ausblick auf eine ungewisse Zukunft mit anderen 17-Jährigen Typen den ganzen Tag schlecht betreut in einer Unterkunft hocken würde, würde ich komplett auszucken. Wie soll das denn auch anders sein?

Die Vorstellung, die verstärkte Zuwanderung würde neben guten Seiten keine Probleme verursachen, ist geradezu beeindruckend naiv. Natürlich gibt es diese Probleme. Die zuständigen Stellen versuchen dem entgegenzuwirken. Das machen sie manchmal gut, und natürlich machen sie dabei auch Fehler. Darauf darf man hinweisen. Gleich die Nazi-Keule auszupacken ist aber wenig hilfreich.

Auch aus einem anderen, ganz trivialen Grund. Wie Robert Misik völlig zurecht sagt, können nur Gemeinden mit falschen Methoden auf Probleme mit jungen Flüchtlingen reagieren, die überhaupt mal junge Flüchtlinge beherbergen. Wenn ich mich standhaft weigere, Flüchtlinge aufzunehmen, brauche ich mich natürlich auch nicht mit den Problemen, die diese verursachen könnten, beschäftigten. Dass der Shitstorm jetzt Mödling trifft und keine der rund 800 Gemeinden, die noch keine Flüchtlinge (von UMFs ganz zu schweigen) beherbergen, ist halt irgendwie recht unsmart.

Wir sollten uns darauf einstellen, dass Fehler passieren. Sehr viele. Man braucht die Verantwortlichen nicht künstlich zu schonen, sollte aber gelegentlich mal darüber nachdenken, ob der Ton der Kritik noch angemessen ist.

Jonas auf Twitter: @l4ndvogt