Als der Führer zu viel Gas gab: Die Betreiber eines Haider-Fanblogs zweifeln am Unfalltod

Foto: spanaut via flickr

Heute vor 5 Jahren rief mich meine damalige Freundin um 5:00 Uhr früh lallend von einer Studentenparty aus an und schrie irgendwas von Teletext (wir waren damals arm und ohne Internet) und Jörg Haider. Normalerweise bin ich geübt darin, solche Anrufe zu ignorieren, aber da auch ziemlich oft das Wort „tot” fiel und im Hintergrund mehr Jubelschreie zu hören waren, als bei einem Tor der Nationalmannschaft, schaltete ich doch den Fernseher ein—und sah den ORF in einen Ort der Andacht verwandelt.

Die ZIB-Sondersendung startete gerade—ohne Musik, ohne Studio und ohne Licht, dafür mit sehr viel Betroffenheit, die das Dunkel des Redaktionsraums mehr als ausfüllte. In den kommenden Tagen sollte es noch schlimmer werden. Nachdem sich die Politikwelt zuvor entlang der Sollbruchstelle Haider in zwei Lager teilen ließ, verschwamm mit seinem Unfalltod die journalistische wie parteiliche Landschaft zu einem farblosen Schlick aus persönlichen Anekdoten: Überall konnte man lesen, wer Haider wann zum letzten Mal die Hand geschüttelt hatte und fast jeder nennenswerte Redakteur im Alpenland arbeitete sich an seiner privaten Version des österreichischen Lady Di-Schicksals ab.

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Bald folgten die ersten Märtyrer-Rufe, die ersten Gedenkkerzen und die ersten Verschwörungstheorien (nicht in der ORF-Sondersendung, aber danach). Während seine Anhänger keinen Kausalzusammenhang zwischen viel zu schnellem Fahren unter dem Einfluss von viel zu viel Vodka und dem Auftreten eines Autounfalls sahen, sondern islamistische Minderheiten oder politische Gegner als Drahtzieher hinter einer VW Phaeton-Sabotage vermuteten, holten seine Widersacher mit Gerüchten wie dem angeblich bei der Autopsie gefundenen, alkoholgetränkten Tampon in Haiders Rektum zum mythologischen Gegenangriff aus.

Ich persönlich bin getreu Ockhams Rasiermesser von keiner Theorie überzeugt, die zum Ausbau einer elaboraten Verschwörungstheorie mehr braucht, als für die logische, schlüssige Erklärung eines Unfalls (gegen den rein gar nichts spricht) notwendig wäre. Aber noch viel mehr überzeugt bin ich davon, dass seit dem Tag von Haiders Tod auch der politische Journalismus zumindest ein bisschen gestorben ist und man demnach genauso gut eben jene Verschwörungstheoretiker nach den Beweggründen für ihre Meinung fragen könnte. Es mag zwar alles Blödsinn sein, was sie sagen—aber zumindest geben sie sich vordergründig nicht den Anstrich von Objektivität.

Deshalb habe ich mich heute mit den Betreibern der Free Dynamic Engine News Suklitsch.org unterhalten. Im Gegensatz zum abgedunkelten Newsroom der ZIB anno 2008 sind ihre Antworten auch ohne jeden weiteren Kommentar auf gewisse Art … erleuchtend.

Foto mit Genehmigung von Sabine Suklitsch

VICE: Was macht für dich die Faszination von Jörg Haider aus?
Sabine Suklitsch: Jörg Haider war einer der wenigen Menschen und Politiker, die zu ihrem Wort standen, soweit es ihm möglich war, und sich nicht darum gekümmert hat, was andere davon halten. Ging ihm was gegen den Strich, so bekam derjenige es auch zu spüren. Jörg Haider sprach das aus, was viele Österreicher sich nicht sagen trauen, Außerdem war Jörg Haider nicht wie andere Politiker auf dem hohen Ross unterwegs.

Steht für dich der Politiker oder der Mensch Haider im Vordergrund?
Sowohl als auch. Die Person Haider war die Politik. Zum Großteil fanden wir seine politische Arbeit gut. Er hat sehr viel für die Kärntner Bevölkerung bewirkt – zum Beispiel Kindergeld und billiges Benzin.

Gibt es heute einen würdigen Nachfolger von Jörg Haider in der österreichischen Politik?
NEIN.

Muss ein Politiker für dich eher charismatisch sein oder mehr Sachverständnis haben?
Beides. Ein unsympathischer Politiker wird nie den Zuspruch der Bevölkerung bekommen, egal wie gut seine Ideen sind.

Was ist deine persönlich wichtigste, schönste Haider-Erinnerung?
Der Wahlkampf 2008 mit einem Spitzenergebnis für das BZÖ.

Hast du Haider auch mal persönlich getroffen?
Bei einer Wahlkampf-Veranstaltung der FPÖ. Wenn man den Abend zusammenfassen müsste, bleibt nur zu sagen: BESSER ALS EIN ROCKKONZERT. So viel gelacht haben wir schon lange nicht mehr.

Kann ich mir vorstellen. Weißt du noch, wo du warst, als du von Haiders Tod erfahren hast?
Beim Kaffeekochen um 6:30 Uhr in der Küche. Mir ist fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen. Hab gedacht, es handelt sich um einen schlechten Scherz.

Ihr zweifelt auf eurer Website ja massiv an einem Unfalltod von Jörg Haider. Was ist eure Meinung zum tatsächlichen Hergang? Welche Indizien und Beweise habt ihr?
Als ersten muss man feststellen, dass wir auf unserer Seite den Unfall anzweifeln, da der Unfallhergang bis jetzt nicht plausibel dargestellt wurde. Wenn man sich die Mühe macht, die zahlreichen Berichte, Fotos, Interviews, und Fernsehberichte zu studieren, ist der gegenüber der Öffentlichkeit behauptete Ablauf nicht möglich. Wir selbst glauben nicht an die offizielle Unfallversion, können aber aus Mangel an Beweisen nicht mehr dazu sagen.

Ändert sein Tod irgendwas an der Figur Haider?
Für uns nicht. Er ist immer noch Lieblingsfeind Nr. 1 und Sündenbock für zahlreiche Misstände in Österreich.

Was haltet ihr eigentlich von Barack Obama?
Da wir uns mit der politischen Person Barack Obama nicht beschäftigt haben, können wir dazu nichts sagen.

Was würde Jörg Haider eurer Meinung nach zu Straches Wahlkampf der Nächstenliebe sagen?
Wenn Jörg Haider noch leben würde, hätte es den Wahlkampf in dieser Form nicht gegeben.