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Silicon Valley schlägt gegen Spionage zurück

Die großen Technologieunternehmen fordern in einer neuen Initiative eine Reform staatlicher Überwachung. Selbstgerechte PR oder ehrenhafte Attacke?

Die großen US-Technologieunternehmen sind nachdenklich geworden und gehen zur Attack über.

Es scheint also ernst zu werden mit dem industriellen Schlag gegen die Massenüberwachung.

Die weltgrößten Technologie-Unternehmen haben heute ein Schreiben an die US-Regierung veröffentlicht, in dem sie weitreichende Reformen der massenhaften Spionage zugunsten digitaler Redefreiheit, Privatsphäre und Transparenz fordern. Ist dies eine mächtige Gegenreaktion gegen illegitime Überwachung oder nicht mehr als eine PR-Übung?

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Auch wenn sich die Unternehmen schon zuvor gegen die NSA-Taktiken ausgesprochen haben, so haben wir hier doch die umfassendste und koordinierteste Antwort auf die durch die Snowden Dokumente enthüllten Überwachungspraktiken. Die Initiative ist zumindest was Titel und die Website angeht schon einmal nicht um markige Rhetorik verlegen: An Open Letter to Washington via ReformGovernmentSurveillance.com. Unterzeichnet wurde das Schreiben von AOL, Facebook, Google, Apple, LinkedIn, Microsoft, Twitter und Yahoo, und adressiert ist es an Präsident Obama und die Mitglieder des US-Kongress:

„Wir verstehen, dass Regierungen verpflichtet sind ihre Bürger zu beschützen. Aber die Enthüllungen seit diesem Sommer zeigen die Dringlichkeit einer Reform der staatlichen Überwachungspraktiken überall auf der Welt. In vielen Ländern hat sich das Gleichgewicht viel zu weit zugunsten des Staates und weg von den Rechten der Individuen verschoben—jenen Rechten die in unserer Verfassung verankert sind. Dies unterläuft die Freiheit, welche wir alle schätzen. Es ist Zeit für einen Wandel.“

Die Unterzeichner fordern, dass fünf Prinzipien von der Regierung implementiert werden, die letztlich die staatliche Autorität zur Sammlung von Nutzerdaten einschränken und unter ein strenges, transparentes und legales Verfahren—im Einklang mit anderen rechtlichen Prinzipien—stellen würde.

In der Tat haben auch Google, Twitter, Facebook und Microsoft selbst ihr Sicherheitsniveau in der Folge der NSA-Enthüllungen erhöht. Und so weist die Initiative auch auf ihre eigenen Anstrengungen zur Sicherung der Nutzerdaten hin, aber betont auch, dass nicht autorisierte Überwachungsmaßnahmen durch die Regierung ihre eigene Verantwortung zum Schutz ihrer Nutzer unterminieren würden.

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„Wir für unseren Teil fokussieren uns auf die Sicherung der Nutzerdaten, und verwenden die neuesten Verschlüsselungstechniken, um unerlaubte Spionagezugriffe auf unsere Netzwerke zu verhindern. Außerdem drängen wir darauf, dass Regierungsanfragen legal und angemessen in ihrem Ausmaß sind.“

Das aktuelle Schreiben ist in jedem Falle stärker in seinem Tonfall und spezifischer in seinem Drängen als es vorherige Reaktionen auf die Überwachung durch die Unternehmen waren, wie z.B. der Brief im Oktober an den Justizausschuss des US-Senat, welcher nur auf das Thema Transparenz fokussiert war. Aber dennoch solltest du nicht denken, dass es sich hier ausschließlich um eine ehrenvolle und selbstlose Initiative handelt. Ich bin ja nur ungern eine Zynikerin, aber die Unternehmen haben offensichtlich ein ordentliches Eigeninteresse an einem öffentlichen Statement gegen Überwachung.

Letztlich sind die Enthüllungen der Verletzungen der Privatsphäre schlecht für das Geschäft und die Technologiegiganten haben einen erheblichen Reputationsverlust im Zuge des NSA-Debakels erlebt. Es sieht schließlich nicht besonders gut aus, wenn Daten abgefangen werden, von denen du deinen Kunden versprochen hattest, dass sie bei dir sicher aufgehoben sind. Die New York Times hält sich denn auch nicht zurück in ihrer Interpretation der wirtschaftlichen Motivation der Initiative:

„Sie versuchen die Auswirkungen der Spionageenthüllungen auf ihr Geschäft einzudämmen. Jedes Leak bürgt die Gefahr der weiteren Entfremdung der Nutzer. Regierungen überall auf der Welt denken über Gesetze und Regelungen nach, die ihre Nutzer entmutigen sollen die Dienste amerikanischer Internetunternehmen zu verwenden.“

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Eine Studie von Forrester hat errechnet, dass die Folgekosten der Prism-Enthüllung alleine für die us-amerikanischen Cloud-Dienste bis zu 130 Milliarden Euro bis ins Jahre 2016 betragen könnte.

Die Technologieunternehmen sind außerdem ohne Zweifel daran interessiert die Aufmerksamkeit von den Unmengen an Nutzerdaten abzulenken, die sie ohnehin sammeln und speichern—das lukrative Geschäft mit personalisierter Werbung und maßgeschneiderten Angeboten wollen sie nicht verlieren.

Silicon Valley via Flickr

Nichtsdestotrotz bleibt die Frage, ob es wirklich so eine große Rolle spielt, dass die Unternehmen ihr Eigeninteresse im Hinterkopf behalten, so lange sie dadurch motiviert sind im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln? Schließlich ist es ihr Geschäftserfolg der ihnen eine Überzeugungskraft verleiht, den die Nutzer selbst niemals zusammenbringen könnten—sie werden hochgeschätzt als Spender aufgrund ihres Reichtums und ihres Einflusses. Wenn diese Technologiegiganten statt glühendem Wettbewerb also eine vereinigte Front bilden, könnten sie eine echte Kraft werden mit der zu rechnen ist.

Unabhängig davon, ob diese Aktion einen ehrenhaften Kampf für die Privatsphäre darstellt, oder nur eine PR-Selbstbedienungsübung ist—und vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte—, die Initiative könnte dennoch eine unserer aussichtsreichsten Gegenmaßnahmen gegen Massenüberwachung sein.