FYI.

This story is over 5 years old.

psychische Probleme

Warum Kochen deiner Psyche hilft

Wir haben uns mit Kochtherapeutin Julie Ohana unterhalten, um zu verstehen, wie Kochen Patienten mit Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Problemen helfen kann.
Ein Apfel in Scheiben auf einem Schneidbrett, daneben liegt ein Messer

Wer regelmäßig zu Hause kocht, weiß, dass Kochen Therapie sein kann. Kliniken und Therapeuten haben in den letzten Jahren begonnen, Patienten mit Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Problemen mit Kochen zu helfen. Bei einer Kochtherapie, die vergleichbar ist mit anderen kreativen Therapieverfahren wie Musik- und Kunsttherapie, wird das Essen wortwörtlich als Medizin zur Selbstbehandlung betrachtet.

Anzeige

ARTIKEL: Kochen hilft gegen meine Depression

Ich habe mich mit Kochtherapeutin Julie Ohana aus Michigan unterhalten, um diese Technik besser verstehen zu können.

MUNCHIES: Kannst du mir kurz erklären, was Kochtherapie bedeutet?
Julie Ohana: Generell kann man sagen, dass es dabei darum geht, zu "therapeutischen" Zwecken ein Gericht vorzubereiten und zu kochen. Therapeutisch ist hier ein weit gefasster Begriff, denn es kann sich entweder auf die Behandlung von emotionalen Gefühlszuständen beziehen oder einfach nur Menschen mehr kreative Fähigkeiten für ihren Alltag vermitteln. Kochtherapie hilft einzelnen Individuen oder einer Familie, besser miteinander zu kommunizieren. Durch das Kochen kann aber auch eine ganze Gruppe gestärkt werden.

Welche positiven und negativen Erfahrungen hast du mit der Verhaltensaktivierungstherapie bei deinen Patienten gemacht?
Verhaltensaktivierung ist eine sehr weit verbreitete und von Therapeuten häufig eingesetzte Behandlungsmethode, weil sie für viele Menschen eine effektive Möglichkeit darstellt, ein Problem zu identifizieren und auf eine Lösung und Bewältigungsstrategien hinzuarbeiten. Einige suchen jedoch nach kreativeren Alternativen — weniger reden, mehr tun sozusagen. Wir leben außerdem in einer modernen Welt, alle sind im Multitasking-Wahn und wollen nicht zwei, sondern zwanzig Fliegen mit einer Klappe schlagen, da erscheint die Kochtherapie attraktiver: Wer will nicht emotional ausgeglichener sein, besser kommunizieren können, besser im Team arbeiten können und am Ende noch etwas leckeres essen wollen?

Anzeige

Was sind die Vorteile der Kochtherapie?
Kurz: Diese Therapieform kombiniert emotionales Wohlbefinden einem sehr praktischen, greifbaren Bedürfnis, das wir alle haben: Wir alle müssen essen. Jeder hat etwas davon, wenn wir uns beim Kochen wohlfühlen und das auch wissen, wenn wir Spaß bei der Vorbereitung haben und wir dadurch zu einem besseren Menschen werden. Für mich sind das eine Menge Vorteile.

Du machst sowohl Gruppen- als auch Einzeltherapien? Wie sieht das aus? Was erwartet deine Patienten?
Eine Einzeltherapie ist eher wie eine praktische Erfahrung, bei der man klein anfängt. Je nachdem, was sich die Patienten zutrauen, dürfen sie entscheiden, ob sie selbst einkaufen gehen (mit einer Liste von mir) oder ob sie die Zutaten lieber geliefert bekommen wollen (spart Zeit, kostet ein bisschen mehr). Davon hängt ab, wo die Sitzung beginnt. Bei Gruppen erledige ich den Einkauf und ein paar der Vorbereitungen, je nachdem wo wir kochen. Weil das bisher oft in Büroräumen ohne professionelle Küche war, musste ich ein paar Sachen vorbereiten — Pasta kochen und so weiter.

Bei Einzeltherapien macht der Patient jedes einzelne Gericht selbst, bei Gruppen werden sie in kleinere Teams aufgeteilt — nicht mehr als vier oder fünf — , die jeweils ein Gericht des Menüs zubereiten. Die einzelnen Gänge hängen von der Größe der Gruppe ab.

Ich führe die Patienten durch den gesamten Kochprozess, versuche sie zu ermutigen, beantworte ihre Fragen und unterstütze sie allgemein. Danach kommt dann die ganze Gruppe zum gemeinsamen Essen zusammen. Währenddessen oder danach versuche ich eine Gruppendiskussion einzuleiten: Wie fühlte sich der Prozess für sie an? Was hat ihnen Spaß gemacht? Womit hatten sie Probleme?

Bei einer Einzelsitzung ist es am besten, dem Patienten dabei zu helfen, für andere ein gemeinsames Essen zuzubereiten. Oft werden Freunde oder Familie eingeladen, das hilft, Selbstvertrauen aufzubauen. Sein eigenes Essen zu bestaunen macht schließlich nicht so viel Spaß. Essen ist eine Erfahrung, die man gemeinsam mit anderen macht, und so sollte es auch bei der Kochtherapie sein.

Geht es dabei auch um eine ganzheitliche Wahrnehmung? Würdest du sagen, dass es eine Form der Achtsamkeit ist, wenn sie sich auf das konzentrieren, was beim Kochen vor ihren Augen ist?
Ein super Punkt, darüber reden wir definitiv auch im gemeinsamen Gespräch. Wenn man versucht, Angststörungen und Depressionen zu bewältigen, geht es vor allem darum, im Moment zu leben und sich dessen voll bewusst zu sein. Im Leben und auch beim Kochen, ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden: Man muss ein paar Schritte vorausdenken, sich aber auch auf das konzentrieren, was in genau diesem Moment vor einem ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieses Interview wurde aus Platz- und Verständnisgründen redigiert.