Kim Kardashian West bringt gerade Menschen im Internet zum Diskutieren, wie es in der vergangenen Tagen nur Uploadfilter und schwarze Löcher schafften. Dabei hat die 38-Jährige diesmal kein Sektglas auf ihrem Hintern balanciert, sondern ihre neuen Karrierepläne verkündet. Im am Mittwoch erschienenen Interview mit der US-amerikanischen Vogue sagte sie, dass sie Anwältin werden will.
Seit letztem Sommer arbeite sie als Praktikantin in einer Kanzlei. 2022 wolle sie ihre Prüfung ablegen – auch ohne Jura-Studium. Unter anderem im Bundesstaat Kalifornien kann man das Studium durch ein vierjähriges Kanzlei-Praktikum ersetzen. Klingt unfair? Schon möglich. Doch allein das dürfte nicht der Grund sein, warum Leute Kardashian West den Job nicht zutrauen. Auf ihrem Instagram-Account fragen User und Userinnen, wann sie zuletzt einen Aufsatz geschrieben habe und unterstellen ihr “Leidenschaftslosigkeit” für das Fach.
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“Ich will mich für die Leute einsetzen, die ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft beglichen haben”, sagte Kardashian West im Vogue-Interview. Noch weiß niemand, ob sie den Plan durchzieht, vielleicht mal eine knallharte Strafverteidigerin wird oder ihre Klienten und Klientinnen in Gefängniszellen versauern lässt. Ob sie Menschen vertritt, die ihre Arztrechnungen nicht bezahlen konnten, oder Star-Anwältin in einem historischen Mordprozess wird wie einst ihr Vater Robert bei O. J. Simpson. Oder ob sie die Richterinnen und Jury zukünftig mit schneidenden Argumentationen beeindruckt oder schnittigen Designer-Kreationen.
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Dennoch scheinen Kardashian Wests Karriere-Pläne bereits jetzt für viele Fans, Kommentatorinnen und Nachrichtenmedien nicht mehr als ein Witz zu sein, ein kalkulierter Marketing-Move wie einst das (unspektakuläre, no offense) Sextape mit Sänger Ray J, das sie berühmt machte. Die Süddeutsche Zeitung schrieb, bei Kardashian Wests neuem Job komme es “sehr wohl” darauf an, “Sachverhalte möglichst präzise in Worte fassen zu können” – ganz so, als wäre das einer Person wie Kardashian West gar nicht erst zuzutrauen.
Menschen auf Twitter fragten sich, ob K-West die Gerichte US-Amerikas mit Law and Order-Wissen erobern will oder im schrillen Stil von Natürlich Blond. Die Komödie handelt von einer stereotypen “Blondine” mit Faible für Pink und Chihuahuas, die Hals über Kopf entschließt, in Harvard Jura zu studieren.
Können Reality-Stars Juristinnen werden? Ja.
Wenn Journalisten und Social-Media-Nutzerinnen über Kardashian West schreiben, dann wird sie meist nur als eine Ikone der Nichtigkeiten stilisiert. Ein Reality-Star, der ein Imperium auf seinem Körper aufgebaut hat und seine drei Kinder in die Kameras hält, als wären sie Accessoires. Es gibt tatsächlich viele Dinge, für die man Kim Kardashian West hinterfragen kann: Wenn sie bis zum Jahr 2014, nach der Geburt ihrer Tochter North, braucht, um Rassismus als Problem anzusprechen. Wenn sie unehrlich über kosmetische Eingriffe ist und damit die Selbstwahrnehmung junger Frauen beeinflusst. Oder wenn sie ihren Reichtum und ihre Rolle als Vorbild nicht ausreichend dafür nutzt, um zum Beispiel Schwarze Communitys zu unterstützen – und die Gesellschaft positiv zu verändern.
Doch auch andere Menschen, die gerne Anwalt werden möchten, haben in ihrem vorigen Leben völlig andere Dinge getan. Vielen Menschen scheint es einfach nicht recht zu sein, wenn eine Pop-Ikone wie Kardashian West plötzlich etwas “Seriöses” beginnt.
Kim Kardashian West mag ihre Mittwochabende nicht im Debattier-Club verbringen. Es gibt aber keinen Grund dafür, dass sie eine schlechtere Juristin abgeben würde als andere Menschen. Im Gegenteil: Im Mai vergangenen Jahres traf sie Donald Trump im Oval Office und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die wegen eines gewaltfreien Drogendeliktes zu lebenslanger Haft verurteilte Alice Marie Johnson freigelassen wird. Als Unternehmerin kann sie strategisch denken. Als dreifache Mutter hochemotionale Konflikte deeskalieren. Schon ihr Vater war ein erfolgreicher Jurist. Und: Nach US-amerikanischem Rechtssystem entscheidet oft eine Jury über die Schuld eines oder einer Angeklagten, die Mitglieder haben meistens keine juristischen Kenntnisse. Dass Kardashian West weiß, wie man Leute erreicht, zeigen nicht nur ihre über 134 Millionen Follower und Followerinnen auf Instagram.
Wenn ein stereotyper Jura-Schnösel namens Maximilian aus München an den Erfolg seines Juristen-Vaters anknüpfen will, erhält er wohlwollendes Kopfnicken. Auch dann noch, wenn er nach seiner Vorlesung besoffen in einer Kneipe rumlümmelt. Vielleicht sollten wir auch Kim Kardashian West nicht unterschätzen und ihren Plänen zumindest ein ideelles Like dalassen. Die Frau hat die Selbstvermarktung revolutioniert und Millionen mit ihrem Hintern verdient. Allein für diesen Geniestreich sollten wir ihr etwas mehr zutrauen.
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