Sex

Komische Geschichten aus meinem Jahr mit Homo-Dating-Apps

Illustrationen: Claire Milbrath

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Nachdem 2011 ​meine Beziehung in die Brüche gegangen war, wollte ich mal ​Online-Dating und das ​Singe-Leben ausprobieren, bevor ich wieder nach etwas Festem suchte. Zu meinem Leidwesen musste ich jedoch bald feststellen, dass ​in der Homo-Dating-Welt eigene Regeln herrschen, von denen die meisten ziemlich schräg und auch in gewissem Maße auch rassistisch sind. Meine Hautfarbe, Scham wegen des Aussehens, Identitätspolitik und Männlichkeit wurden häufig zum Thema gemacht und irgendwann habe ich einfach „Scheiß drauf!” gesagt und jeden meiner Accounts bei diesen Seiten gelöscht. Ich brauchte einfach mal eine Pause. Ich musste auch mal etwas anderes hören als ständig nur „Ich suche ausschließlich nach Weißen” oder „Nur ​Straight Acting“. Irgendwann war ich sogar an dem Punkt angekommen, an dem ich wegen meiner körperlichen Bedürfnisse ein schlechtes Gewissen hatte und mich von dem ganzen Online-Ding abwenden musste.

2013 habe ich dann meinen Rücktritt vom „Online-Dating-Rücktritt” erklärt und mich dazu entschlossen, dem Ganzen noch mal eine Chance zu geben. Ab und an schwärmten meine Freunde von dem bombastischen Sex und all den tollen Verabredungen, zu denen sie durch ​Grindr ​und Co. gekommen sind. Ich habe lange gezögert, aber letztendlich probierte ich es mit genau diesen Apps und fing sofort damit an, mit anderen Leuten zu schreiben.

Im Laufe des Jahres hatte ich ein paar wirklich schöne Gespräche, die aber nie wirklich irgendwo hinführten, ich bekam gelegentlich ein gutes Arsch- oder Schwanzbild zugeschickt und ein älteres Pärchen über 80 hat mich die ganze Zeit auf Spanisch angeschrieben. Ansonsten wurden die komischen Treffen jedoch mit jedem Mal schlimmer. Im Januar habe ich die Apps dann endgültig wieder gelöscht und mich auch endgültig dem Online-Dating und den schnellen Bekanntschaften abgeschworen. Es war jedoch nicht alles umsonst. Es folgen nun drei Geschichten, die ich wohl mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen werde.

Die Geschichte der falschen Bild-Unterschrift
Letztes Jahr bekam ich Ende November eine Nachricht von einem Iren, der für ein paar Wochen in der Stadt war. Ich habe mich mit ihm über Irland unterhalten und ihm von meiner geplanten Reise dorthin erzählt. Die ersten paar Tage lief alles noch freundlich und locker ab. Dann wollte er schließlich ein paar Bilder von mir sehen, die ich ihm auch bereitwillig schickte. Ich fing mit einem Foto meines Gesichts an und bekam als Antwort auch eins von ihm. Er war ein glatzköpfiger und kräftiger Mann mit Bart und grünen Augen. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass er richtig gut aussah und definitiv mein Typ war.

Wir haben also eine Woche weiter geplaudert und irgendwann fragte er mich schließlich nach einem Schwanzbild. Ich schickte im das Aktuellste und wartete auf seine Antwort. Zwei Stunden später kam die dann auch—allerdings nicht in Form eines Körperteils oder eines sexy Gesichtsausdrucks. Auf dem Foto waren er und seine Schwester zu sehen, die Unterschrift lautete „hot pic”. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es sich dabei um einen Fehler oder einen Scherz handelte, und entschloss mich deshalb dazu, ihm noch ein weiteres Schwanzbild zukommen zu lassen. Seine Antwort bestand dann nur aus einem Foto von ihm und seiner Großmutter.

Zwei Tage später bekam ich eine Nachricht, in der er mich fragte, was ich gerade mache. Ich sagte ihm, dass ich meinen freien Tag genieße und stellte ihm die Frage, was er denn so für den Tag geplant hätte. Seine Antwort: ein Bild von seinem geweiteten, vor Sperma triefendem Arschloch, ein Bild von ihm und seinem Hund und ein Bild von seiner Familie beim Essen. Ende. Ich war nicht mal sauer. Der Typ meinte es eindeutig nicht ernst. Oder er besitzt einfach nur einen echt durchgepeitschten Sinn für Humor.

So witzig die ganze Angelegenheit auch war, ich habe den Kontakt zu ihm trotzdem komplett abgebrochen. Ich frage mich häufig noch, ob seine Fotos ein geheime Codes für irgendetwas waren, aber das werde ich wohl nie herausfinden. 

Die Geschichte des „Racial Plays”
Einmal schrieb ich einem Typen nach der Arbeit und wollte nur sehen, ob er antwortet. Das tat er dann auch und erzählte, wie er jeden Tag für die Arbeit nach Toronto pendle und sich fragte, ob wir uns später am Abend treffen wollten. Ich schlug vor, bei mir ein paar Bierchen zu trinken und dann zu schauen, wo der Abend hinführt. Gegen halb 11 schlug er bei mir auf und machte gleich ein paar komische Kommentare zu unserem Getränk („Hipster-Bier”)—das brachte mich irgendwie aus der Stimmung, aber ich wollte da jetzt auch nicht zu viel rein interpretieren.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass nach diesen Anmerkungen nichts mehr gehen würde, aber nach sechs Flaschen haben wir einfach losgelegt und rumgemacht. Bevor es richtig zur Sache ging, hielt er mich an und meinte, dass er mir etwas sagen müsste. Ich erinnere mich noch daran, wie ich etwas verwirrt war und fragte, was los sei. Er erzählte mir etwas von ein paar Vorlieben, für die er sich jedoch ein wenig schämte. Fetische sind immer ein unangenehmes Thema und deshalb versicherte ich ihm, dass mich nichts so schnell aus der Spur werfe. Er machte einen total nervösen und ängstlichen Eindruck, aber nach fünf Minuten Gestotter kam es zur großen Beichte und er warf folgende Wörter in den Raum: ​„Racial Play”—also jegliches Weglassen der Political Correctness.

Ich musste irgendwie kichern und schaute ihn dann wieder an. Da wurde mir klar, dass er es ernst meinte. Ich musste daraufhin erstmal tief Luft holen, weil ich—als Schwarzer und als Mensch—erstmal doch aus der Spur geworfen wurde. Aus reiner Neugierde fragte ich ihn, was genau diese Art Rollenspiel beinhalten würde. Ich hatte zwar Angst davor, in welche Richtung die Unterhaltung abdriften könnte, aber ich konnte irgendwie immer noch nicht ganz verarbeiten, was ich da gerade gehört hatte. Ich habe schon echt abgedrehten Scheiß gemacht, aber das war dann doch noch mal ein ganz anderes Level und ich verstand nicht, was genau ihn dabei geil machte. Er fragte, ob ich jetzt sauer wäre. Das verneinte ich, weil ich wirklich nicht verärgert war. Nach einem weiteren Bier rückte er mit den Details raus, die so ein „Racial Play” ausmachen.

Laut ihm müsste ich dabei in einen Käfig steigen. Dann rammt er mir seinen Schwanz in den Hals, spuckt mich dabei an und nennt mich ein paar Mal „Nigger”. Er versicherte mir, dass das trotz der Heftigkeit eigentlich ein richtig beliebter Fetisch sei. Es rede eben nur niemand darüber. Nach dieser Aussage schaute ich ihn extrem verwirrt an. Da stand er nun und war überzeugt davon, dass so etwas ein vertretbarer Geilmacher wäre. Ich brauchte einen Augenblick, um mir eine passende Antwort einfallen zu lassen. Da ich unser Treffen friedlich beenden wollte, sagte ich ihm Folgendes: „Ich respektiere zwar deine Ehrlichkeit, aber die Vorstellung, dass es jemanden geil macht, mir rassistische Beleidigungen an den Kopf zu werden und mich dabei richtig hart ranzunehmen, verursacht bei mir den Wunsch zu töten.”

Daraufhin lachte er, aber als er meinen Gesichtsausdruck sah, wurde ihm wohl bewusst, dass er sich besser verziehen sollte. Nachdem er weg war, googelte ich nach „Racial Play” und fand eine Menge durchgedrehte Scheiße—das Meiste hätte ich lieber nicht gesehen. Gewisse Gedanken und Bilder schlummern nun mal in unserem Unterbewusstsein und sind der Grund für unsere Fetische. Die meisten davon finde ich auch vollkommen legitim. Wenn es dich jedoch geil macht, wie ich Baumwolle pflücke, dann wird es wohl kein zweites Date geben. 

Die Geschichte der zweckentfremdeten Gurke
Eines meiner ersten Grindr-Dates war ein junger Mann, der gerade erst für sein Studium in die Stadt gezogen war. Beim ersten Treffen haben wir etwas getrunken und über unseren Wohnort gesprochen—eine angenehme Abwechslung zu dem üblichen Knick-Knack-Rumgemache. Wir haben uns von Anfang an super verstanden und das Ganze entwickelte sich zu etwas Längerfristigem. Ein paar Monate lang haben wir uns ungefähr zwei Mal pro Monat zum Sex getroffen. Alles lief total ungezwungen ab—das fand ich richtig gut, weil ich damals nicht auf der Suche nach etwas Festem war.

Eines Abends kam er vorbei und ließ die Bombe platzen. Anscheinend war er in einer Hetero-Beziehung, was ich vorher noch nicht gewusst hatte. Er sagte dazu noch, dass er nicht schwul sei—er traf sich nur mit Kerlen, weil seine Freundin sich auf keine analen Spielchen einlassen wollte. Das Ganze wurde ziemlich vertrackt und kompliziert und deshalb schlug ich vor, erstmal auf Abstand zu gehen, bis sich er und seine Freundin ernsthaft ausgesprochen hätten. Eine offene Beziehung ist eine Sache, aber es hatte hier den Anschein, als sei die fehlende Kommunikation der Grund dafür gewesen, dass er sich hinter ihrem Rücken davonschleicht und sich von Männern durchnehmen lässt. Falls das wirklich der Fall war, dann hielt ich es für unklug, weiterhin mit ihm zu schlafen.

Drei Monate später bekam ich wie aus heiterem Himmel eine Nachricht: Er fragte, ob wir uns treffen wollten. Ich hatte zwar Bedenken, war aber dennoch neugierig, wie sich seine Situation entwickelt hatte. Er kam vorbei und griff mir direkt in den Schritt. Bevor ich das Ganze jedoch weiter laufen ließ, wollte ich wissen, wie es um seine Beziehung stand. Er meinte, dass er und seine Freundin nicht mehr zusammen wären und er jetzt nur noch mit Männern ficke. Er redete jedoch ziemlich komisch über seine neuen Beziehungen. Er behauptete, dass er immer noch hetero wäre, aber eben total darauf stehe, es besorgt zu bekommen.

Also machten wir weiter und irgendwann hatten wir dann Sex. Ich weiß nicht, ob mich das Schicksal bestrafen wollte, weil ich meiner Fleischeslust nachgegeben habe, aber nach gut zehn Minuten merkte ich, wie etwas Feuchtes mein Bein hinunterlief. Sagen wir es mal so: Er war nicht wirklich bereit, den passiven Part zu spielen, aber bis ich das bemerkte und aufhörte, war mein Bett schon total eingesaut.

Beim Analsex kann es immer mal ein bisschen dreckig werden, aber hier handelte es sich wortwörtlich um einen Shitstorm. Das Ganze war ihm richtig peinlich, aber ich wollte da jetzt keine große Sache draus machen. Deswegen schlug ich ihm vor zu duschen und dann nach Hause zu gehen. Ich ließ ihm den Vortritt, damit ich die Bettlaken wegschmeißen konnte. Danach machte ich mich selbst sauber. Als ich dann aus der Dusche stieg, bot sich mir ein Anblick, der den Ausdruck „auf Biegen und Brechen” in einem neuen Licht erscheinen ließ. Ganz still stand ich in der Tür und beobachte ihn dabei, wie er anfing, sich eine Salatgurke aus meinem Kühlschrank in den Arsch zu schieben und sich damit zu befriedigen. Dabei holte er sich noch einen runter und atmete schwer—er wollte wirklich die ganze Gurke reinbekommen.

Nach einer knappen Minute ließ ich die Badtür absichtlich laut zuknallen und er bekam bei meinem Anblick einen richtigen Schrecken. Ihm war klar, dass ich richtig sauer war, und vermied jeglichen Augenkontakt. Ich fragte, warum er immer noch nackt war. Als Antwort bekam ich nur ein Stottern, weil ihm nichts Besseres einfiel. Ich schnappte mir die Salatgurke aus seiner Hand und bat ihn, sich anzuziehen.

Nachdem wir beide wieder Klamotten anhatten, begleitete ich ihn zur Tür und meinte, dass er mich nie wieder kontaktieren sollte. Ich wollte zwar kein Arschloch sein, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mir das Universum durch seine anfänglichen Lügen und das verdreckte Bettlaken mitteilen wollte, dass das hier enden musste.

Als ich wieder reinging, warf ich einen Blick in meinen Kühlschrank und die verdammte Gurke war nicht mehr da—das setzte dem Ganze die Krone auf. Mir fehlte jetzt eine Zutat für mein nächstes Mittagessen. Ich bestellte also einen neuen Bettbezug und ging am nächsten Tag in den Supermarkt. Vielen Dank, liebes Universum! Ich hab’s jetzt auf jeden Fall kapiert.