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Interviews

Was wirklich am Umfragehoch der AfD dran ist

Ist die AfD wirklich die drittstärkste Partei? Wir haben uns darüber mit Politikwissenschaftler Thorsten Faas unterhalten.

Foto: imago | Christian Ditsch

Laut einer aktuellen Umfrage ist die AfD momentan drittstärkste Partei in Deutschland. 10,5 Prozent der Wähler würden den Rechtspopulisten nach den Anschlägen in Paris ihre Stimme geben. Leitmedien wie Spiegel Online, FAZ und die BILD berichteten gestern darüber.

Aber wie valide ist die vom Meinungsforschungsinstitut INSA durchgeführte Umfrage, wenn Gründer und Geschäftsführer Hermann Binkert unter anderem die AfD berät? Und was möchte man mit solchen Umfragen erreichen? Wir haben uns darüber mit dem Politikwissenschaftler Thorsten Faas unterhalten.

VICE: Wie beeinflussen Umfragemeldungen die Meinung von Wählern? Oder beeinflussen sie überhaupt?
Prof. Dr. Thorsten Faas: Die Frage klingt so einfach, ist aber sehr schwer zu beantworten. Es gibt nicht den einen Effekt von Umfragen. Denkbar sind vielmehr sehr verschiedene: Umfragen können sich auf die Wahlbeteiligung auswirken—wenn eine Partei sehr weit vorne liegt, könnte das ihre Wähler in Sicherheit wiegen, weshalb sie zu Hause bleiben. Manche Menschen wollen aber auch gerne zu den Siegern gehören, weswegen es von Vorteil sein kann, in Führung zu liegen. Und natürlich senden Umfragen auch wichtige Signale an Wähler, ob ihre präferierte Partei zum Beispiel mit der Fünf-Prozent-Hürde zu kämpfen hat oder ob ihre Wunschkoalition eine Mehrheit hat. Die FDP 2013, so sagen manche Leute, ist unter anderem auch deshalb gescheitert, weil die letzten Umfragen sie ÜBER der 5%-Hürde gesehen haben. Das war ein Signal für manche Wähler, dass die Partei doch keine Leihstimmen braucht—letztlich ein fataler Fehler.

Die Umfrage wurde von der Bild in Auftrag gegeben. INSA hat diese durchgeführt. Können Sie uns sagen, wie ernstzunehmend Umfragen wie diese sind?
Zunächst einmal sind solche Umfragen schon alleine deshalb ernst zu nehmen, weil ihnen in Politik und Medien große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Aber auch darüber hinaus ist die Umfrageforschung ein seriöses Geschäft, in dem versucht wird, öffentliche Meinung zu allen möglichen Themen präzise zu erfassen. Das gelingt manchen Instituten vielleicht besser als anderen, die Methoden, mit denen gearbeitet wird, unterscheiden sich auch—aber man kann der Branche insgesamt sicherlich nicht die Seriosität absprechen, dafür sehe ich keinen Grund.

Nutzt so eine Umfrage z.B. der AfD oder schadet sie eher, weil die anderen Parteien auf die Entwicklungen reagieren können?
Wenn die AfD in Umfragen stabil über 5% gesehen wird, dann nützt ihr das zunächst einmal. Vor der Bundestagswahl etwa war das nicht der Fall—und das mag für manchen Wähler der Grund gewesen sein, die Partei nicht zu wählen, weil damit potenziell verbunden war, die eigene Stimme zu verschwenden, weil man eine Partei wählt, die letztlich den Einzug in den Bundestag nicht schaffen würde. Davon losgelöst sind Effekte solcher Umfragen im parteipolitischen Wettbewerb. Auf den Höhenflug der Piraten etwa haben andere Parteien ja auch reagiert und der neuen Partei das Leben schwerer gemacht. Kurzum: Mit solchen Umfragewerten wird die Partei ernster genommen, das macht das Leben aber nicht zwingend leichter.

Nach dem Austritt von Bernd Lucke sagte man der AfD einen Niedergang voraus. Warum können wir nun das Gegenteil beobachten?
Nun, der Partei spielt sicherlich die aktuelle Themenlage in die Hände—das Flüchtlingsthema nützt ihr ganz offenkundig in Umfragen. Spannend bleibt die Frage, wie es mit der Partei weitergeht, wenn wieder andere Themen die Agenda bestimmen.