Martin Sonneborn sitzt seit 2014 für die Partei Die PARTEI im Europaparlament und macht da vor allem – ziemlich wenig. Der Politiker erscheint noch nicht einmal zur Hälfte aller Sitzungen, zu denen des Kultur- und Bildungsausschusses, dem er angehört, sogar nur zu 18 Prozent. Er selbst ist darauf vermutlich stolz. Zu Recht, muss man sagen, denn das, was er macht, macht er gut: den etablierten Politikern auf den Geist gehen.
Wenn er nämlich mal einen Auftritt hat, dann sorgt das im Europaparlament meistens für Stirnrunzeln und außerhalb davon für Lacher. Genau so war es auch gestern, als Angela Merkel zu Gast in Straßburg war. Sonneborn nutzte seine einminütige Redezeit dazu, Angela Merkel einen “kleinen Gruß” auszurichten. “Frau Bundeskanzlerin”, sagt er, “ich muss mich entschuldigen, ich habe gar keine Rede vorbereitet.” Er habe die Redezeit nur beantragt, weil sie sonst an Udo Voigt von der NPD gefallen sei.
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Trotzdem schafft es Sonneborn in den verbleibenden 50 Sekunden Redezeit noch eine Spitze gegen Parteien wie die eigene (“Ich verachte Kleinparteien”) und die Bundeskanzlerin (“Jetzt sehen wir uns zu Ihrem Abschied”) zu fahren. “Sie werden mir immer sympathischer”, sagt er anschließend zur Kanzlerin, “je mehr ich von Leuten sehe, die Ihnen nachfolgen werden.”
Nach seiner Rede hallen keine Buh-Rufe durch das Parlament. Nur ein “Ah” und “Oh”, als hätten die Abgeordneten Mitleid mit Frau Merkel. Vielleicht haben sie von Martin Sonneborn auch nichts anderes erwartet, oder sie haben nach den Jahren mit ihm tatsächlich gelernt, wie Satire funktioniert.
Für alle, die sich wie der langjährige EU-Abgeordnete Elmar Brok über Sonneborns Auftritte aufregen, war seine gestrige Minute nur die letzte in einer langen Reihe von Provokationen. Sonneborn ist dafür bekannt, bei Abstimmungen immer abwechselnd mit Ja und Nein zu stimmen, egal worum es geht. Er nannte den türkischen Präsidenten Erdoğan vor dem Eu-Parlament “den Irren vom Bosporus” und stellte den EU-Kommissar Günther Oettinger wegen seines harten deutschen Akzents im Englischen bloß.
Bei den EU-Wahlen 2019 will Sonneborn seinen Platz im Parlament übrigens verteidigen. Vor allem wolle er der AfD Stimmen abjagen, sagt er. Dafür hat er für seine Partei Menschen aufgestellt, die den gleichen Nachnamen wie berühmte Nazis haben. Bis jetzt auf der Liste: Göbbels, Speer und Eichmann. “Eventuell”, sagte Sonneborn, könne man mit dieser Taktik auch “verwirrte CSU-Wähler” oder “demente CDU-Wähler” abgreifen.
Update, 15. November 2018, 9:30 Uhr: Martin Sonneborn meldete sich nach der Veröffentlichung dieses Artikels, um etwas richtig zu stellen. Mit kleine unseriöse Parteien habe er natürlich die NPD gemeint und nicht die eigene Partei. Die sei alles andere als klein: “Wir selbst liegen seit der Bundestagswahl bei 1 Prozent”, schrieb Sonneborn.