Zugegeben, beim Fleischkonsum von Tierwohl zu sprechen, fühlt sich sehr falsch an. Trotzdem gibt es ein weltweites Ranking zum Thema Tierwohl, das sich vor allem mit Fleisch aus dem Supermarkt beschäftigt. Der “Business Benchmark on Farm Animal Welfare” (BBFAW) hat die Jahresbilanzen und Reportings von 110 globalen Food-Produzenten der ganzen Welt untersucht. Zum einen geht es um die Stallhaltung vor dem Weg ins Schlachthaus. Zum anderen wird in dem Jahresbericht für 2017 auch aufgezeigt, welche Konzerne sich für Tierwohl engagieren, welche das ihren Kunden mitteilen und welche Firmen das Thema erst gar nicht auf ihrer Agenda aufführen.
Auch die Schweiz und Deutschland sind in diesem Reporting vertreten. Während Lidl im Vergleich zum Vorjahr in Sachen Verbesserungen an Ort und Stelle tritt, geht es bei den deutschen Ladenketten Aldi Süd und Nord sowie bei Rewe bergauf: Sie hätten zwar gegenüber 2016 ihre Massnahmen zum Tierwohl weiter gefestigt, laut BBFAW aber würde es bei diesen Firmen durchaus noch Verbesserungspotential geben. Einzig Edeka steigt ab; bei der deutschen Supermarktkette konnte BBFAW offenbar noch weniger “evidence that it’s on the Business Agenda” finden, als im Vorjahr.
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Absoluter Spitzenreiter im weltweiten Ranking ist die Schweiz. Coop führt bereits zum fünften Mal in Folge die Liste an, Migros steht an vierter Stelle. Vor allem Coop schreibt sich mit seiner Naturafarm-Linie das Wohl der Tiere dick auf die Fahne. Unter diesem Erkennungsmerkmal wird Fleisch von Tieren verkauft, die unter RAUS-Bedingungen aufwachsen. Diese gesetzliche Vorgabe bedeutet, dass die Tiere auch tatsächlich einen Grossteil ihres Lebens auf einer Weide verbringen konnten. Coop freut die Auszeichnung, ruht sich aber nicht auf den Lorbeeren aus, wie uns Mediensprecher Ramón Gander versichert: “Für uns ist das erneut Ansporn, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen und die erfolgreichen Anstrengungen im Bereich Tierwohl zu intensivieren.”
Dass Deutschland im Vergleich zu der Schweiz schlechter abschneidet, liegt aber nicht zwingend daran, dass deutsche Bauern ihre Tiere nicht anständiger behandeln würden. Klar, es kommt durchaus immer wieder zu Beanstandungen durch das zuständige Veterinäramt oder durch Tierschützer, die sich in solche Betriebe einschleichen und so Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Auch die Initiative Tierwohl, mit der Edeka, Lidl, Rewe und auch Aldi Süd und Nord zusammenarbeiten, steht immer wider stark in der Kritik. Sie befürworten vor allem die BTS-Methode (Besonders Tierfreundliche Stallhaltung), die zwar durchaus Vorteile gegenüber den minimalen Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung bietet, aber am Ende eben auch nicht das sprichwörtliche Gelbe vom Ei darstellen. Vor allem wenn es darum geht, wieviele Tiere in so einem BTS-Stall Platz finden. “Während beispielsweise in der Schweiz durchschnittlich 6.000 bis 8.000 Hühner pro Stall gehalten werden, muss ein durchschnittlicher Geflügelbetrieb in Deutschland 60.000 bis 80.000 Hühner halten, um über die Runden zu kommen”, sagt Dr. Hansuli Huber, Geschäftsführer von Schweizer Tierschutz (STS), der in der Schweiz bei verschiedenen Betrieben regelmässige und zum Teil auch unangemeldete Kontrollen durchführt.
Für Huber ist daher klar, dass Tierschutz nicht nur in den Händen von offiziellen Stellen, Organisationen oder gar rein bei den Fleischhändlern liegen sollte: “Der Tierschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und setzt insbesondere mündige Konsumenten voraus, die bereit sind, eine bäuerliche, tierfreundliche Haltung zu bezahlen.” Die Bauern seien nicht von vornherein Tierquäler, vielmehr würden sie derart grosse Bestände und auf Leistung getrimmte Tiere halten müssen, weil sie mit weniger finanziell nicht durchkommen würden. Huber mahnt: “Unsere Nahrungsmittel werden anteilsmässig immer billiger aber täglich hören allein in der Schweiz drei Bauern auf.” Solange wir also weiterhin Billigfleisch beim Discounter kaufen, wird sich am allgemeinen Tierwohl wenig verbessern.