Deutscher Spargel schmeckt dieses Jahr besonders bitter. Nicht, weil er schlechter ist, sondern weil die Umstände, wie er auf unseren Tellern landet, in diesem Frühjahr für berechtigte Empörung gesorgt haben.
Die Bundesregierung hatte beschlossen, den deutschen Spargel zu retten. Bis Ende Mai dürfen deshalb 80.000 Menschen aus Rumänien nach Deutschland einreisen – trotz Coronakrise, trotz weitreichender Reisebeschränkungen in beiden Ländern. Sonst sei die Ernte nicht zu schaffen. Und dafür sollte alles ganz sicher sein, von der Abreise am Flughafen bis zur Arbeit auf den Feldern. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner nannte das Sicherheitskonzept für die Erntehelfer “eine faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit”.
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Doch schon wenige Tage nach dieser Aussage drängten sich Hunderte Saisonkräfte Schulter an Schulter im Flughafen von Cluj in Rumänien. Abstandsgebot? Fehlanzeige. Die Lage in Deutschland ist kaum besser. Ein niedersächsischer Vorzeigehof fiel bei einer Kontrolle komplett durch; zu überfüllt die Unterkünfte, zu schlecht das Essen, zu spärlich die Informationen für die Arbeitenden. In Bornheim bei Bonn streikten Mitte Mai über 100 Arbeitende. Ihr Lohn soll ihnen größtenteils versagt worden sein.
Also haben rumänische Politikerinnen eingegriffen. Die rumänische Arbeitsministerin inspizierte persönlich den Hof in Bornheim. Der rumänische Botschafter in Berlin schrieb schon Ende April seinen Landsleuten, man gehe allen bekannt gewordenen Beschwerden von Saisonkräften nach, spreche mit Bundesministerien und Behörden vor Ort. Eine Anfrage von VICE, wie viele Beschwerden es sind, ließ die Botschaft unbeantwortet. Das rumänische Parlament hat derweil eine Untersuchungskommission eingerichtet: Die “Spargel-Kommission” soll das Chaos auf dem Clujer Flughafen aufarbeiten.
Und dann ist da der Fall Nicolae B. Der 57-jährige Erntehelfer starb Anfang April in Baden-Württemberg. Der Leichnam des Rumänen wurde positiv auf Corona getestet, vor seinem Tod hatte er keine ärztliche Behandlung erhalten. Unklar ist, ob B. mit oder an der Infektion gestorben ist: Er soll übergewichtig gewesen sein und Herzprobleme gehabt haben. Warum musste er sich über deutsche Äcker quälen?
Gemeinsam mit unseren rumänischen Kollegen haben wir mit fünf Rumänen und Rumäninnen gesprochen, die derzeit als Saisonkräfte auf Spargel- und Erdbeerfarmen in Deutschland im Einsatz sind. Einige von ihnen kommen Jahr für Jahr, andere sind zum ersten Mal da. Ihre Berichte zeigen, wie eines der reichsten Länder der EU mit Menschen aus einem der ärmsten umgeht.
Ion, 52, streikte, weil die Farm seinen hart erarbeiteten Lohn nicht ausbezahlt haben soll
“Ich bin jetzt seit 15 Tagen auf einem Erdbeer- und Spargelhof in Bornheim. Laut meinem Arbeitsvertrag sollte ich drei Monate lang arbeiten, aber der Hof ist insolvent und muss jetzt schließen. Deswegen wollen sie uns nicht bezahlen. In unserem Vertrag steht, dass wir pro Monat mehr als 1.000 Euro bekommen sollten. Ich finde, mir steht die Hälfte dieses Geldes zu. Bekommen habe ich noch gar nichts. Anderen haben sie fünf oder zehn Euro gegeben. Was ist denn das für ein Lohn? Ich weiß nicht, was sie jetzt machen, aber wir werden bleiben. Die Arbeitergewerkschaft will uns helfen, die Polizei ist inzwischen auch involviert. Meine Dokumente und mein Arbeitsvertrag liegen bereit, ich warte nur auf den Anruf, damit mein Chip und meine Arbeitsstunden überprüft werden. Es herrscht Chaos, wir alle warten.
Die Unterkunft ist schrecklich. Wir müssen zu zweit, zu dritt oder gar zu viert in einem Zimmer schlafen. Die Toiletten sind richtig verdreckt, das ist total eklig. Zwar gibt es Duschen, aber für 300 Menschen viel zu wenige. Medizinische Gesichtsmasken haben wir erst vor drei Tagen bekommen, da haben wir gerade angefangen zu streiken. Normalerweise wurden wir auf Lastwagen zu den Feldern gebracht, als seien wir Schafe.
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Wir wurden um vier Uhr morgens aufgeweckt, um fünf Uhr ging es zu den Feldern, und zurück zur Unterkunft fuhren wir abends um sieben. Genug Essen haben wir nie bekommen. Selbst Schweine hätten das Essen aus der Kantine kaum gegessen. Erst als wir streikten, gaben sie uns besseres Essen. Am 18. Mai kam die Gewerkschaft auf den Hof, da haben unsere Vorgesetzten uns Pizza und Limo auf die Felder gebracht, aber wir lehnten ab und gingen zu Fuß die 15 Kilometer zur Unterkunft zurück.
Sie hatten mir meinen Arbeitsvertrag nach Rumänien geschickt und mich dann per Bus aus Drobeta Turnu Severin hierher gebracht. Für die Fahrt habe ich viel Geld bezahlt: 200 Euro. Ich habe schon letztes Jahr auf diesem Hof gearbeitet, aber da gab es noch einen anderen, viel besseren Besitzer. Zu Hause in Rumänien arbeite ich auch auf dem Feld. Es ist nicht einfach, ich habe dort viel Verantwortung zu tragen. Ich muss meine Kinder und auch meine Eltern versorgen. Wie kann ich da ohne Geld nach Hause zurückkehren?”
Das Gespräch mit Ion fand am Dienstag, dem 18. Mai statt. Der Betrieb, für den er gearbeitet hat, war bereits vor der Krise insolvent. Der zuständige Insolvenzverwalter bestritt gegenüber Lokalmedien, dass Lohnzusagen nicht eingehalten worden sein sollen. Mehrere Arbeitende wollen nun klagen und werden dabei von der Gewerkschaft FAU unterstützt. Die hat auch ein Video veröffentlicht, das die Unterkünfte des Hofes zeigen soll. Die rumänische Stadt Drobeta Turnu Severin, aus der Ion mit dem Bus angereist kam, liegt rund 1.700 Kilometer von Bornheim entfernt. Landwirtschaftsministerin Klöckner hatte gesagt, es werde “keine stundenlangen Busfahrten durch Europa” geben.
Helga, 35, wurde nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht, als sie einen Unfall auf einer Farm hatte
“In den letzten fünf Jahren habe ich Erdbeeren gepflückt, in Griesheim in der Nähe von Frankfurt am Main. Der Chef dort war sehr aggressiv und unhöflich. Er drohte allen rumänischen Mitarbeitenden damit, dass er sie wieder nach Hause schicke, wenn sie nicht hart genug arbeiten würden. Manche kamen, arbeiteten nur zwei oder drei Tage und wurden dann zurück in ihre Heimat geschickt. Das waren Ältere, die nicht so hart ackern konnten wie die Jungen. Da musste ich fast weinen, es hat mir das Herz gebrochen. Sie hatten sich Geld leihen müssen, um überhaupt hierher zu kommen, und wurden mit leeren Taschen wieder weggeschickt.
Durch ein paar Leute in meiner Heimat Vâlcea kam ich zum ersten Mal hierher. Ich zahlte 300 Euro für die Vermittlung und 150 Euro für die Fahrt. Nach zwei Wochen hatte ich meine Schulden abgearbeitet, nach einem weiteren Monat kehrte ich dann mit 1.800 Euro heim. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen bin ich nie länger als eineinhalb Monate geblieben. Sie wecken dich zum Beispiel manchmal um vier Uhr morgens auf, um fünf Uhr geht es aufs Feld, wo du dich kaputt schuftest. Und wenn du nicht mehr kannst, heißt es nur: ‘Doch, das geht schon.’
Einmal hatte ich einen Unfall. Ich arbeitete im Lager und wollte eine Kiste Erdbeeren hochheben, die war aber zu schwer. Ich stand auf ein paar Holzpaletten, eine davon brach durch. Ich stürzte und prallte mit dem Rücken gegen ein Rohr. Ich schrie und weinte vor Schmerzen, aber die anderen Arbeiterinnen lachten mich nur aus und sagten, ich würde nur so tun. Mein Chef meinte nur, dass alles schon wieder gut werde. Da waren die Schmerzen bereits bis in mein Bein gewandert, ich konnte es gar nicht mehr richtig spüren. Auf meinem Rücken bildete sich ein rotes Geschwulst. Als ich Monate später endlich zu einem Arzt ging, operierte der mich sofort. Das Ganze war nämlich ein Tumor, der schnell entfernt werden musste.
Wegen alldem konnte ich dieses Jahr nur fünf Tage arbeiten. Eigentlich sollte ich wegen der Quarantäne zwei Wochen lang bleiben. Als ich sagte, dass ich gehen will, wollten sie mir meine Papiere nicht mehr aushändigen. Wenn du hier ankommst, sammeln sie deinen Pass ein und geben dir nur eine Kopie davon mit. So ist es schon immer gewesen. Ich rief bei Faire Mobilität an, einer Beratungsstelle, mit der der Deutsche Gewerkschaftsbund Saisonarbeiter und -arbeiterinnen aus mittel- und osteuropäischen Staaten unterstützt. Nachdem die mit meinem Chef gesprochen hatten, rief der mich in sein Büro und rastete völlig aus. Er schlug mit der Faust gegen die Wand, ich bekam richtig Angst. Seine Frau war auch da, die beiden schrien sich gegenseitig an. Irgendwann gab er mir meinen Pass zurück.
All das musste ich mir gefallen lassen, weil wir sehr arm sind. In Rumänien habe ich keinen Job. Mein Mann ist zwar Bauarbeiter, aber er bekommt nur selten Aufträge. Jetzt bin ich in der Reinigungsindustrie tätig, dort verdiene ich 800 Euro im Monat.”
Emanuel, 32, musste als Monteur viel mehr für seine Unterkunft zahlen, als im Vertrag stand
“Ganz am Anfang habe ich in England gearbeitet, aber inzwischen bin ich seit zwölf Jahren Saisonarbeiter in Deutschland. Normalerweise komme ich für ein paar Monate und arbeite in der Landwirtschaft oder dort, wo man mich eben braucht. Ich mache das, um ein besseres Leben zu haben – in Deutschland verdiene ich mehr Geld als in Rumänien. Ich muss zu Hause meine Wohnung renovieren, dazu habe ich Familie und Kinder. In Rumänien bekommt man am Monatsende 400 oder 500 Euro raus, das ist es nicht wert. Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, hatte ich noch einen Vertrag bei einer Vermittlungsagentur, aber inzwischen ruft mich mein Chef direkt an, wenn er mich braucht. Ich arbeite jetzt seit neun Jahren für ihn, er schickt mir immer meinen Arbeitsvertrag und die Flugtickets zu.
Ich arbeite auf einem kleinen Hof – inklusive Chef sind wir fünf oder sechs Leute. Mir ist es lieber, wenn er mir Anweisungen gibt und nicht irgendwelche polnischen oder rumänischen Bosse. Hier weiß ich, was ich zu tun habe, wir sind sogar schon so etwas wie Freunde. Das ist meine zweite Familie. Außerdem habe ich ihm das letzte Mal drei neue Leute vermittelt, als ich wieder ging. Ich bin fast schon Vollzeitangestellter, nicht nur Saisonarbeiter.
Ich teile mir ein Zimmer mit einem Kollegen. Es gibt Duschen, leider sind die Toiletten nicht der Hit. Wir bekommen 9,50 Euro die Stunde. Bezahlt werden wir jeden Samstag, Sonntag haben wir frei. Da gibt es aber auch Ausnahmen: Wenn zum Beispiel heftiger Regen aufzieht oder wir die Pflanzen bewässern müssen, arbeiten wir auch sonntags mal ein, zwei Stunden. Normal sind neun Stunden Arbeit pro Tag. Morgens haben wir eine Kaffeepause, um ein Uhr folgt die Mittagspause.
Es gab aber auch schon Probleme. Vor fünf Jahren landete ich durch eine Vermittlungsagentur bei einer Firma, die Werbetafeln und Plakatwände installiert. Laut Vertrag sollte ich 1.500 Euro bekommen und jedes Wochenende 20 Euro für die Unterkunft zahlen. Als ich dort ankam, musste ich plötzlich täglich für die Unterkunft zahlen. Da ging ich wieder zurück, denn in Rumänien hätte ich so genau so viel verdient.
Auf Spargelhöfen kriegst du mehr Geld. Ich kenne Leute, die in ein oder zwei Monaten 3.000 oder 4.000 Euro machen – dank der Spargel-Saison. Vor ein paar Jahren habe ich ebenfalls in diesem Bereich gearbeitet, aber am Ende meiner Arbeitszeit war ich zum Teil nur noch auf brachen Feldern tätig. Ich verdiente 40 bis 50 Euro am Tag, aber nach Abzug von Unterkunft und Zigaretten blieben mir davon nur noch 20 Euro. Als ich gehen wollte, gaben sie mir erst nach einer Woche meinen Pass zurück.
Oft fragen sich die Leute, warum die Deutschen ihr Obst und Gemüse nicht selbst ernten. Ich habe in Deutschland auch schon als Klempner gearbeitet und dafür rund 35 Euro die Stunde bekommen. Ein Deutscher, der so viel verdient, würde niemals für zehn Euro die Stunde in der Landwirtschaft arbeiten. Die Situation in Deutschland müsste sich schon drastisch verschlechtern, damit die Deutschen auch auf den Feldern arbeiten würden.
Für mich lohnt sich das alles. Ich gebe das Geld an meine Familie weiter. Natürlich mache ich mir wegen des Coronavirus schon ein wenig Sorgen, aber in Rumänien kann ich mich auch anstecken. Hier in Deutschland fühle ich mich sicherer.”
Dan, 50, sticht Spargel mit seinen beiden Söhnen
“Ich arbeite seit 13 Jahren für ein Unternehmen in Erbes, Rheinland-Pfalz. In Rumänien betreibe ich ebenfalls etwas Landwirtschaft, ich besitze ein paar Tiere. Im Herbst pflücke ich außerdem Äpfel. In der Gegend, aus der ich komme, verdient man auf dem Land jedoch nicht viel Geld. Wenn man kein Geld hat, ist es außerdem schwierig, auch noch Tiere zu halten.
Ich habe meinen deutschen Chef im Internet kennengelernt, einige Freunde hatten schon mal bei ihm gearbeitet. Uns wurden die Flugtickets bezahlt, wir benötigten keine Vermittlungsagentur, und unsere Pässe wurden auch nicht eingezogen. Wir werden korrekt bezahlt. Der Arbeitsvertrag umfasst zwei Monate, aber wenn danach immer noch Arbeit anfällt, können wir ihn auch um zwei bis drei Wochen oder gar einen Monat verlängern. Nach zwei Monaten gehe ich – je nach Jahreszeit und zu erntendem Gemüse – immer mit 3.200 bis 4.000 Euro zurück nach Rumänien. Wir bekommen 9,35 Euro pro Stunde. An einem guten Tag arbeite ich 12 bis 13 Stunden. Heute war ich zum Beispiel neun Stunden auf dem Feld und dann noch mal eineinhalb Stunden im Lager.
Mit dem hier in Deutschland verdienten Geld habe ich für einen meiner Söhne ein Haus gebaut. Ich habe zwei Söhne, einer ist 20, der andere 22 Jahre alt. Beide arbeiten mit mir zusammen in Deutschland. Wir schlafen in einem Wohnwagen, wir haben Duschen, warmes Wasser und Toiletten. Außerdem steht uns eine Küche zur Verfügung, in der wir kochen können. Morgens und abends kochen wir selbst, unser Mittagessen bekommen wir vom Unternehmen. Ich finde, das hier ist ein einfacher Job, den ich so zu Hause nirgendwo machen könnte. In Rumänien gibt es nur Arschlöcher, die dir nichts zahlen und dich nur ausnutzen.
Das Coronavirus hat mir schon Sorgen bereitet, aber nach unserer Ankunft waren wir direkt zwei Wochen in Quarantäne. Wir dürfen nicht in die Stadt gehen. Man hat uns Schutzmasken und Handschuhe gegeben, aber die ziehen wir aus, wenn es zu heiß ist. Während der Arbeit halten wir die Social-Distancing-Vorgaben ein. Am Flughafen und im Flugzeug trugen die Leute auch Masken und Handschuhe, außerdem wurde in allen Reihen zwischen den Passagieren jeweils ein Platz freigelassen. An den Flughäfen liefen überall Ärzte und Polizisten herum, sie haben bei uns Fieber gemessen. Wenn ich sterbe, kann ich auch hier sterben. Aber wir gehen ja eh nirgendwo hin – nur zum Feld und dann wieder zur Unterkunft.”
Codruț, 53, arbeitete 15 Stunden täglich in einem Schlachthaus
“Meine Frau arbeitet seit zwei Monaten in Deutschland. Sie hat bereits 4.000 Euro verdient, Essen und andere Fixkosten sind da schon abgezogen. Ich selbst arbeite seit elf Jahren saisonal im Ausland, bei den Jobs verdiene ich sehr gut. Ich ernte Spargel, Radieschen, Karotten, Lauch, Zwiebeln, einfach alles. Wir zahlen der Agentur 30 Euro Vermittlungsgebühr und dann noch mal 200 Euro für den Hin- und Rückflug. Es gibt leider viele rumänische Vermittlungsagenturen, die Menschen, die keine Ahnung haben, über den Tisch ziehen. Die arbeiten dann zwei oder drei Monate lang richtig hart und kehren trotzdem nur mit 700 oder 800 Euro zurück nach Hause. Schrecklich. Wir gehen nur mit einem richtigen Arbeitsvertrag nach Deutschland, ich weiß dann genau, wo ich hinkomme und was ich zu tun habe.
Ich arbeite lieber hart in Deutschland als unter den katastrophalen Arbeitsbedingungen in Rumänien. In der Stadt Vaslui, 35 Kilometer von meinem Heimatdorf entfernt, gibt es einen Schlachthof, wo sie dir lediglich 1.500 Lei [rund 300 Euro] im Monat zahlen. Das ist so schlimm, weil du dort von sechs Uhr morgens bis neun oder zehn Uhr abends schuftest. Es ist nicht in Ordnung, für so wenig Geld so viel zu arbeiten. Die Leute, die in Rumänien das ganze Geld besitzen, helfen den Armen nicht.
Als ich noch keine Rückenprobleme hatte, war ich viel aktiver. Jetzt arbeite ich mehr im Lager und befülle dort die Kartons. Da leidet mein Rücken nicht so. Ich habe einfach nicht mehr die Ausdauer wie früher. Letztes Jahr hat mich mein Sohn nach Deutschland begleitet. Er ist 20. Kaum war er mit der Schule fertig, zog er los. Er und meine Frau sind nach drei Monaten Arbeit mit 14.600 Euro zurückgekommen. Dann sind sie zu einem anderen Arbeitgeber und verdienten dort noch mal 10.000 Euro. Man kann hier echt viel Geld machen, wenn man für seriöse Unternehmen arbeitet.
Dort, wo ich arbeite, gibt es einen Vorarbeiter. Der hat ein Lesegerät, und wir haben einen Chip, durch den wir sehen, wie viele Kartons wir geschafft haben. Am Morgen halte ich meinen Chip an sein Lesegerät und bekomme dann angezeigt, dass ich am Tag davor 93 Kartons fertig eingepackt habe. Alles ist schön durchorganisiert.
Es gibt aber auch Deutsche, die die Rumänen ausnutzen. Vor ein paar Jahren arbeitete ich in einem Schlachthaus. Ich stand jede Nacht um ein Uhr auf und kam um vier Uhr nachmittags zurück zur Unterkunft. Ich war in der Abteilung beschäftigt, in der die Tiere zerlegt werden. Das machte echt keinen Spaß, ich dachte, dass ich da nie wieder rauskomme. Ich war verzweifelt, drehte fast durch und konnte nicht mehr klar denken. In der Landwirtschaft zu arbeiten, ist im Vergleich dazu ein Klacks.”
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