Die Büros der Firma Songs Music Publishing sehen aus wie die meisten anderen New Yorker Medienbüros—Fiji-Wasser im Kühlschrank in der Lobby, an den Wänden gerahmte Fotos von Künstlern, mit denen die Firma zu tun hat. Eine große Aufnahme von The Weeknd steht noch auf dem Boden im Flur und wartet darauf, aufgehängt zu werden. Und das Büro des Geschäftsführers sieht genau so aus, wie du es vom Chef dieser Firma erwarten würdest—Ausblick auf Manhattan aus dem 21. Stock, hochwertige Bücher auf dem Sofatisch. Es gibt lediglich eine Sache an seiner Wand, die zwischen den ganzen Pop-Insignien auffallend deplatziert wirkt: Ein gerahmtes Exemplar der einflussreichen 1988er-Hardcoreplatte Bringin’ It Down von JUDGE.
„Meine Mitarbeiter haben mir die vor ein paar Jahren geschenkt, als unsere Diskografie erschien. Sie haben sie für mich einrahmen lassen“, sagt der 43-jährige Matt Pincus. Vor einer Ewigkeit, als er erst 17 war, stieg Pincus als Bassist bei JUDGE ein. Er war im vorletzten Highschool-Jahr, die Entscheidung sollte jedoch den Rest seines Lebens entscheidend beeinflussen. „Ich war kein glückliches Kind“, sagt er. „Also wirklich, wirklich, wirklich nicht glücklich als Kind. Ich hatte alle möglichen Probleme. Ich wurde festgenommen, habe Drogen genommen, all dieses Zeug. Hardcore und Straight-Edge haben mich aufgeräumt und mich auf den richtigen Weg gebracht.“
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Obwohl seine musikalische Karriere nur zwei kurze Jahre dauerte—und nur eine Platte und zwei US-Touren umfasste—war er von dem Geschäft fasziniert, das unter all den Stagedives und Headwalks steckte. Seine Bandkollegen gingen nach der Auflösung von JUDGE alle in verschiedene Richtungen und führten komplett unterschiedliche Leben. Gitarrist John Porcelly wurde Yogalehrer, während Sänger Mike Ferraro jahrelang von der Bildfläche verschwunden zu sein schien.
„Ich dachte darüber nach, ob ich eine Karriere als Künstler verfolgen sollte, aber ich schrieb keine Songs, ich sang nicht, also fand ich, dass dieser Weg etwas limitiert war“, sagt Pinkus. „Aber zur gleichen Zeit war ich wirklich interessiert an der geschäftlichen Seite davon—unser Plattendeal, die Platte vermarkten und die Gagen bei den Shows.“ Aus seiner Zeit während den goldenen Jahren des DIY-Punk war es für Pincus nicht fremd, die eigenen Touren zu buchen oder Mailorder zu bestücken.
Kurz nachdem er also seinen Abschluss an der Columbia gemacht und seine ersten Erfahrungen in der Musikindustrie gesammelt hatte, gründete er mit zwei anderen befreundeten Ikonen der Hardcore-Szene, Sammy Siegler und Walter Schreifels, Some Records. Ihre ersten Acts waren Bands, die sie persönlich kannten—Six Going on Seven, Errortype 11 und Hot Water Music. Aber nach vier Jahren, in denen sie sich mit dem Label abgekämpft haben, wurde ihm klar, dass das Punkrockgeschäft kein rentabler Karriereweg ist, also ging er zurück an die Uni, um seinen Master in Business Administration zu machen.
Letztendlich hat er Songs Music Publishing gegründet und dabei wieder mit Rockbands angefangen. Einer ihrer ersten Künstler, Chiodos, hat über 400.000 Kopien verkauft. Das Geschäft ist seither expandiert und spezialisiert sich auf zeitgenössische Künstler, bringt ihre Songs auf Platten, lizensiert sie für Filme, Fernsehen, Werbung und Videospiele. Zu ihrem beeindruckenden Roster gehören mittlerweile Grammy-Gewinner wie Lorde, Diplo und DJ Mustard.
In letzter Zeit ist Pincus wieder zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, angefangen mit den Reunion-Shows von JUDGE 2013. Eines Tages, als er mit Jordan Cooper von Revelation Records sprach, dem Label, das für die Veröffentlichung der JUDGE-Platten und anderen einflussreichen New-York-Hardcore-Platten zuständig ist, wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte. „Jordan sagte: ‚Weißt du, ich glaube, keine der Bands aus dem Revelation-Katalog sieht irgendwelches Geld von Streaming-Diensten, außer das, was ich ihnen zahle‘“, erinnert sich Pincus. „Also habe ich nur zum Spaß geschaut, ob alte Punk- und Hardcore-Platten bei den Verwertungsgesellschaften registriert sind.“ Künstler müssen bei Gesellschaften wie ASCAP oder BMI angemeldet sein, um Geld zu bekommen, wenn ihre Musik gestreamt oder öffentlich gespielt wird. „Fast keine von ihnen war es. Von den größten Namen im Punk und Hardcore fast keine einzige.“
Was passiert also mit dem Geld, das eine Band durch die Streams ihrer Songs bei Diensten wie Spotify, Pandora oder Apple Music verdient, wenn ihre Arbeit nicht vernünftig registriert ist? Laut Pincus ist es so, dass wenn ein Streaming-Dienst nicht weiß, an wen er die Gelder auszahlen soll, diese an andere Künstler gehen. „Es wandert in einen Pott und nach einer bestimmten Zeit bezahlen sie alle anderen anteilig aus“, sagt er. „Die Ironie daran ist, dass das Geld eines Typs, der in einer wichtigen 80er-Hardcoreband gespielt hat, an, sagen wir Katy Perry, geht, wenn er nicht registriert ist.“
Pincus kontaktierte einige alte Freunde aus seinen JUDGE-Tagen, die damals in diesen Bands spielten, um zu erfahren, ob sie Hilfe dabei bräuchten, ihre Kataloge zu registrieren. Bands wie Gorilla Biscuits und Youth of Today, deren Alben legendär sind, aber in all den Jahren nicht registriert waren. Mit der Aussicht, ohne etwas zu tun, Geld zu verdienen, haben sie Pincus an Bord geholt und er fing an, es ehrenamtlich für sie zu machen. Das führte dazu, dass er Know Your Rights gründete, einen kostenlosen Service, der darauf abzielt, Punk- und Hardcore-Klassiker aus dem Zeitalter vor dem Internet in die moderne Zeit zu bringen.
„Wir wissen nicht, wie viel Geld letztendlich für eine Hardcoreband rausspringt, es könnte ein kleiner Betrag über einen langen Zeitraum sein, aber es ist immer noch ihr Geld“, sagt er.
Pincus sagt, dass es ihm nicht nur darum geht, sicherzustellen, dass die rechtmäßigen Besitzer von Musik finanziell daran teilhaben, sondern dass er auch eine Verantwortung spürt, diese Albumklassiker für zukünftige Generationen vor dem Verschwinden in der Obskurität zu bewahren. „Es gibt einen Punk- und Hardcore-Grundschatz, vielleicht 100 bis 150 Alben, von denen jeder junge Mensch, der wirklich auf diese Musik steht, mindestens die Hälfte hat. Von Crass über Stalag 13 bis Minor Threat. Also darüber hinaus, dass die Leute bezahlt werden, wollte ich sichergehen, dass dieses Zeug erhalten bleibt.“
Know Your Rights bringt weiter die Alben vergangener Jahrzehnte in das moderne Zeitalter und Pincus hofft, dass letztendlich all die Künstler aus dieser Hochphase für die Musik bezahlt werden, die digital gespielt wird, besonders jetzt, wo das Internet einer neuen Generation Hardcore-Kids dabei hilft, diese Bands zu entdecken.
„Die Typen, die diese Platten veröffentlicht haben, sind mittlerweile in ihren 50ern und 60ern, was passiert, wenn sie in ihren 70ern und 80ern sind? Diese Musik lebt seit fast 30 oder 40 Jahren“, sagt er in Richtung des JUDGE-Albums an der Wand. „Was passiert mit dieser Musik, wenn es niemanden mehr gibt, der sich darum kümmert?“
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