Sie heißen Fero, Mero und Sero el Mero. Drei Künstler mit zum Verwechseln ähnlichen Namen, die verkörpern, wie monoton erfolgreiche Rapkünstler dieses Jahr in Deutschland sind. Ihr Erfolg ist ein Grund dafür, dass Musiklabels gerade jeden gerade so volljährigen Mittelklasse-Rapper unter Vertrag nehmen, sobald er auch nur ein paar Fußballer und Designermarken aufzählen kann.
Die Gemeinsamkeiten von Fero, Mero und Sero el Mero: Sie haben extrem viele Instagram-Follower, viele Klicks bei YouTube, viele Streams bei Spotify. Sie singen gern “lalala” und “lelele” und können schnell rappen. Sie singen von Geld, Erfolg, schönen Frauen und Designermarken.
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Fero, Mero und Sero el Mero machen vor allem Musik für Minderjährige, für Shishabars und für Minderjährige in Shishabars. Das ist in Ordnung. Minderjährige brauchen ihren Soundtrack, Shishabars müssen beschallt werden. Aber: Es gibt längst nicht nur Fero, Mero und Sero el Mero, die nichtssagende, gleich klingende Songs aufnehmen. Da draußen sind noch zig andere Rapper, die mit ihren “lelele”-Songs um einen Platz auf der Spotify-Playlist “Shisha Club” ringen – für 500.000 Abonnenten.
Dass ziemlich viele -Eros auf einmal ziemlich langweilige Musik machen wollen, ist erst einmal kein Problem. Aber sie haben einen Weg gefunden, die Mechanismen der Musikbranche auszutricksen. Fero, Mero und Sero el Mero haben so beharrlich Bilder und Videos von sich selbst beim Rappen gepostet, bis sie zu Internetstars wurden, ohne aufwendige Songs, ohne Album.
Das Internet ist schneller als die großen Labels
Für Labels wird es teuer, solche Künstler unter Vertrag zu nehmen, weil sie ihren Marktwert durch Social Media schon in die Höhe getrieben haben. Ob ihre Follower, Likes, Views und Streams echt sind, weiß niemand. In letzter Zeit wurden immer wieder Vorwürfe laut, dass Klicks und Follower gekauft seien. Eine Gruppe im Internet soll sogar systematisch Follower- und Klickzahlen manipuliert haben. Fero bekam wohl vor allem aufgrund seiner Social Media Follower und seiner Handyvideos einen Deal mit Epic Records, einer Tochter von Sony Music. Die Talentscouts, sogenannte A&R-Manager, der drei großen Musiklabels Sony, Universal und Warner waren beim Rekrutieren der neuen Talente bisher zu langsam. Sie waren es auch bei den wichtigen Rapstars der letzten Jahre, bei Rin, Yung Hurn, Trettmann oder Capital Bra. Zumindest Capital Bra hat mittlerweile einen Deal mit Universal. Alle anderen veröffentlichen bei Independent-Labels.
Höchste Zeit für die drei deutschen Majorlabels, mitzuziehen. Sie nehmen junge Künstler unter Vertrag, die einen Song mit Millionenklicks haben, aber kein musikalisches Profil und keine spannenden Geschichten. Um den nächsten Shisha-Club-Star nicht zu verpassen, rekrutieren die Labels massenhaft Nachwuchs wie Divoe (Sony), Delil (Sony), Monet192 (Warner), Kronkel Dom (Sony) oder Apache 207 (Sony). Sie rappen: “Habibi ma Bella, la la la/ Ich mach dich heut zu meiner Bella, la la la” (Divoe) oder “In der Stadt, genieße die Skyline/ Alte Freunde wollen gerne dabei sein/ Meine Ex ruft mich an, aber nein, nein/ Keine Zeit zum Chill’n, Baby, bye-bye” (Delil).
Aber so einfach geht das nicht mit dem Erfolg. Majorlabels können längst nicht mehr mit der Schnelligkeit von Online-Hypes mithalten. Jeder kann zu Hause in sein Handy rappen, sich einen Instagram- oder YouTube-Account anlegen und mit geringen Mitteln für fünf Minuten zum nächsten Hype-Rapper werden, bis eine Woche später jemand neues kommt. Jeder kann seine Single für die “Shisha Club”-Playlist abliefern und wieder verschwinden. Die musikalische Formel ist ja längst bekannt. Nachhaltige Musik entsteht so nicht, sondern Playlist-Fast-Food. Doch für Fast Food braucht es keine großen Labels.
Gehypter Rapstar? Jeder kann es schaffen
Es reichen ein Onlinevertrieb wie Spinup oder Recordjet, über den jeder seine Song beinahe kostenlos bei Streamingdiensten hochladen kann, ein billiges Musikvideo und etwas Glück mit den Algorithmen bei YouTube oder Instagram. Wer Ende 2016 und Anfang 2017 Rapvideos bei YouTube schaute, konnte ziemlich sicher sein, das Miami Yacines “Kokaina”, in der Vorschauleiste auftaucht. Heute hat das Musikvideo rund 141,5 Millionen Aufrufe bei YouTube. Miami Yacine, den vorher kaum jemand kannte, ist dank diesem Song mittlerweile ein Star. Große Labels waren am Erfolg nicht beteiligt.
Das Verhalten der Majorlabels erinnert an das Ende der 90er-Jahre, als es in Deutschland bereits einen Rap-Boom gab und große Labels versuchten, so viele Künstler wie möglich an sich zu binden. Viele Künstler wurden fallen gelassen, weil die Erfolge ausblieben und Rap irgendwann nicht mehr gefragt war. Das steht auch den meisten “Shisha Club”-Sound-Produktionsmaschinen bevor, denn mehr sind die neuen Signings von Sony, Universal und Warner letztlich nicht. Sie sind Fließbandrapper, deren Fließbandcontent in Playlists landen soll. Spätestens, wenn der Sound im Shisha Club sich ändert, müssen neue Künstler her – oder die alten müssen sich an den neuen Sound anpassen. Um künstlerische Persönlichkeiten, individuellen Stil oder Weiterentwicklung geht es nicht. Währenddessen werkeln Nachwuchskünstler irgendwo im Internet schon am neuen Hype-Sound.
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