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Religion

Die geweihten Jungfrauen heiraten Jesus und schwören Sex für immer ab

Es gibt Tausende von Frauen aus allen fünf Kontinenten, die sich dem Orden der geweihten Jungfrauen angeschlossen haben. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen und sie gefragt, wie es ist, mit Gott verheiratet zu sein.
Photo courtesy of Emily Byers

Der Name der Braut ist Emily Byers. Und der Bräutigam? Gott.

Es mag schon seltsam genug wirken, dass die 25-jährige Byers zum Altar schreitet, während ihr Zukünftiger weit und breit nicht in Sicht ist. Doch das ist nicht der einzige Unterschied zwischen der Hochzeit der jungen Lehrerin aus den USA und der einer normalen Braut: Auch fünf Jahre nach der Hochzeit hat Byers die Ehe noch nicht vollzogen. Sie hat gelobt, Jungfrau zu bleiben – ein Leben lang.

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Byers trat einem Orden von etwa 3.000 katholischen Frauen aus 42 verschiedenen Ländern bei, der sich selbst ganz offiziell der Orden der geweihten Jungfrauen oder Virdo Consecratae nennt. Die Frauen geloben öffentlich vor Gott, ein Leben lang jungfräulich zu bleiben. Sie sind keine Nonnen im eigentlich Sinn, doch ihre Entscheidung wird genauso ernst genommen wie der Eintritt in ein Kloster. Allein in Deutschland gibt es angeblich rund 150 geweihte Jungfrauen. Die tatsächliche Zahl könnte inzwischen allerdings noch viel höher sein, da die Angaben aus dem Jahr 2008 stammen.

Mehr lesen: Katholische Priesterinnen und ihr Kampf um spirituelle Gleichberechtigung

In einer Zeit, in der Sex (und sexuelle Erfüllung) nur einen Wisch weit entfernt ist, erscheint es wie eine ziemlich extreme – wenn nicht sogar unrealistische – Entscheidung, seinem Sexleben komplett abzuschwören. Ganz abgesehen davon, dass das Zölibat nicht das beste Image hat. Kein Wunder also, dass Byers Freunde und ihre Familie von ihrer Entscheidung zunächst etwas verwirrt waren, als sie ihnen zum ersten Mal davon erzählte.

Zum Zeitpunkt ihrer Zeremonie war Byers die jüngste geweihte Jungfrau in den USA. Doch warum wirkt dieser Lebensstil auf viele junge Frauen so anziehend?

"Die Idee, meine Jungfräulichkeit Gott zu weihen, hatte ich zum ersten Mal mit 17, als ein guter Freund von der High-School auf seine Berufung, ein katholischer Priester zu werden, stieß", sagt Byers. "Das war seine Form von Großzügigkeit – die Bereitschaft, sein gesamtes Leben Gott zu widmen. Das hat in mir einen Wunsch erweckt. Ich wusste, dass die Jungfrauenweihe mit meinen innersten Wünschen übereinstimmte: mich ganz und gar Jesus hinzugeben und der Kirche zu dienen."

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Janis Clarke, 56, hatte ein ähnliches Erweckungserlebnis. Clarke wurde im Alter von 33 Jahren geweiht, nachdem sie sich mit 25 ein "persönliches Versprechen" zum Zölibat gemacht hatte. Die klassische Sängerin aus Washington DC "verliebte sich in Jesus, nachdem sie von einem Priester dazu ermutigt worden war, ihm Briefe zu schreiben und ihn 'an mich zurückschreiben ließ.' Auf diese Weise habe ich eine intime Beziehung zu Gott entwickelt. Damals war ich 13 Jahre alt. Ich spürte, dass er mich in eine eheliche Beziehung einlud, um mich ihm voll und ganz hinzugeben, so wie er sich mir am Kreuz voll und ganz hingegeben hat."

Anne Duell bei ihrer Jungfrauenweihe. Foto: Anne Duell

Nach außen hin haben die geweihten Jungfrauen eine verblüffende Ähnlichkeit mit Nonnen. Es gibt allerdings auch Katholiken, die sich fragen, warum die geweihten Jungfrauen nicht einfach Nonnen werden. Dass beide ihr Leben Gott widmen, ist aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die sie verbindet.

Im Gegensatz zu Nonnen, die ihr Gelübde auch ablegen können, wenn sie zuvor bereits verheiratet waren, gibt es nur sehr wenige Frauen, die berechtigt sind, eine Braut Gottes zu werden. Anwärterinnen auf die Jungfrauenweihe dürfen noch nie zuvor Sex gehabt haben. Allerdings ist das noch längst nicht der einzige Unterschied: Im Unterschied zu Nonnen leben die Bräute Gottes ihre Berufung individuell und außerhalb der Mauern einer Kirche oder eines Klosters aus, gehen ganz normal arbeiten, zahlen ihre Miete und nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel – genau wie jeder andere auch.

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Derweil hat Jungfräulichkeit in unserer Kultur längst nicht mehr dieselbe Attraktivität und Bedeutung wie früher. Eine aktuelle Studie hat sogar herausgefunden, dass die meisten Menschen nicht mit einer Jungfrau ausgehen würden. Doch in der katholischen Kirche ist das nach wie vor ein wenig anders.

Deswegen bin ich nicht weniger eine Frau.

Das Zölibat ist schon seit den Anfängen der katholischen Kirche sehr hoch angesehen – zumindest bei Frauen. Der Journalist Thomas C. Fox vom National Catholic Reporter nannte das in seinem Buch Sexuality and Catholicism "einen höheren Lebensstand." Von Hilda von Whitby bis hin zu Katharina von Siena – die meisten weiblichen Heiligen in der katholischen Kirche sind Jungfrauen. Das bekannteste Beispiel ist die Jungfrau Maria, deren ungebrochenes Ansehen in der modernen Kirche vermutlich auch auf ihre sogenannte Reinheit zurückzuführen ist.

Vor diesem Hintergrund könnte die Jungfrauenweihe auch als Möglichkeit betrachtet werden, wie Frauen ihr Ansehen innerhalb des akzeptierten Rahmens der Kirche stärken können. Dr. Sarah Salih, Dozentin am Londoner King's College, beschäftigt sich im Rahmen ihrer Arbeit mit den Themen Jungfräulichkeit und Sexualität und scheint da gleicher Meinung zu sein: "Ich würde sagen, dass sie versuchen, die Jungfrau [Maria] nachzuahmen und so zu sein wie sie. Sie ist ganz eindeutig ein sehr bedeutendes Vorbild."

"Der Katholizismus hat eine lange Tradition, Frauen aufgrund ihrer Jungfräulichkeit zu erheben", sagt Salih, die auch Autorin des Buches Versions of Virginity in Late Medieval England ist.

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Emily Byers bei ihrer Jungfrauenweihe. Foto: Emily Byers

Könnte es also sein, dass sich diese Frauen in einer Kultur, die den Verlust der Jungfräulichkeit meist als eines der bedeutendsten Erlebnisse des Sexuallebens betrachtet, ganz einfach nur ihren Körper zu eigen machen? In Byers Augen könnte das so sein. "Jungfräulichkeit ist kein Besitz, den man 'verliert'", erklärt sie mir. "Wenn man darüber spricht, als wäre es etwas, was man 'verlieren' kann, dann hat das etwas kräfteraubendes – ganz besonders für Frauen. Jungfräulichkeit ist ein Geschenk, das man nicht mehr 'zurücknehmen' kann, wenn man es erst einmal weggegeben hat. Es hat eine von Natur aus sakrale Qualität."

Die geweihten Jungfrauen, mit denen ich gesprochen habe, sind der festen Überzeugung, dass ein lebenslanges Zölibat genauso erfüllend sein kann wie Sex – wenn nicht sogar noch mehr.

Anne Duell, 44, wurde im Jahr 2015 geweiht. Die Krankenschwester aus Birmingham hat 31 Jahre lang das Gefühl gehabt, Gott würde sie dazu "aufrufen", ihm ihr Leben zu widmen. "Deswegen bin ich nicht weniger eine Frau", sagt sie.

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"Wenn ein Mensch nur nach seiner oder ihrer sexuellen Aktivität definiert wird, dann wäre die Jungfrauenweihe ein Leben voller Entbehrungen", sagt Byers. "Doch es gibt viel mehr im Leben als Sex. Aus diesem Grund ist mein Leben auch nicht weniger erfüllt als das anderer."

Byers gibt allerdings zu, dass ein Leben im Zölibat "nicht einfach ist, besonders in einer übersexualisierten Kultur wie unserer." Sie "kann aber nicht genug betonen, dass … es einem nicht an Intimität fehlt, wenn man im Zölibat lebt."

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Allerdings entsteht die Intimität auf andere, nicht fleischliche Weise. "Ich genieße die spirituelle Intimität des Gebets und die emotionale Intimität enger Freundschaften", sagt sie.

Clarke betont, dass sie ihre Sexualität trotz allem nicht verloren hat: "Als Katholikin glaube ich, dass die Ehe der einzig moralisch akzeptable Rahmen [für Sex] ist. Heißt das also, dass jeder, der nicht verheiratet ist, kein sexuelles Wesen mehr ist? Ich glaube nicht."

Ist es aber tatsächlich sinnvoll, seinen Schwur ein Leben lang zu halten?

Foto: Anne Duell

Letztendlich sind die Frauen doch auch nur Menschen. Sie sind doch sicher auch – oder waren zumindest vielleicht schon mal – manchmal versucht, ihre Meinung zu ändern und eine echte Beziehung zu führen?

"Habe ich über eine Heirat nachgedacht? Ja. Habe ich meine Meinung geändert? Die Antwort ist ganz einfach: Nein", sagt Duell. "Es gibt keinen Grund für mich aufzuhören, bevor ich etwas Besseres gefunden habe. Genau wie eine Ehe fürs Leben geschlossen wird, so ist auch die Jungfrauenweihe ein dauerhafter Lebensstand."

Byers ist der Meinung, dass menschliche Liebe ganz eigene Tücken birgt – allem voran, dass sie niemals für immer ist. Kein Wunder also, dass Gottes Liebe so reizvoll erscheint, immerhin ist sie fehlerlos. "Wahre Liebe ist eine dauerhafte Verpflichtung, kein vergängliches Gefühl. Ich liebe Gott und bin Sein für immer, weil Gott niemals aufhören wird, mich zu lieben."

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Ein Leben als geweihte Jungfrau hat dennoch seinen Preis. Schließlich sind die meisten Frauen ursprünglich davon ausgegangen, dass ihr zukünftiger Lebenspartner aus Fleisch und Blut sein würde.

"Ich habe lange Zeit angenommen, ich würde heiraten und Kinder kriegen, wenn ich erwachsen bin", gesteht Byers.

Mein Leben als geweihte Jungfrau macht mich keineswegs zu einem Einsiedler.

Elizabeth Rees, 69, geht es da genauso. Sie ist die älteste geweihte Jungfrau Großbritanniens. "Ich wäre eigentlich gern [mit einem Mann] verheiratet. Ich vermisse es, einen Mann im meinem Leben zu haben. Man kann allerdings nicht alles haben. Es ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe und von Zeit zu Zeit auch immer wieder treffen muss."

Da sie mit Gott nicht einfach mal ins Kino gehen oder sich die Aufgaben im Haushalt teilen kann, muss sie sich doch auch manchmal ziemlich einsam fühlen?

Nicht direkt. Duell sagt mir, dass sie "gesegnet" sei, Teil eines "Ordens sein zu dürfen, der sich über alle fünf Kontinente erstreckt und unaufhörlich wächst. Dank der sozialen Medien bleiben viele von uns in Kontakt und tauschen sich aus."

"Es gibt noch andere geweihte Jungfrauen, die ganz bei mir in der Nähe in Birmingham leben und mit denen ich mich regelmäßig treffe. Mein Leben als geweihte Jungfrau macht mich keineswegs zu einem Einsiedler", sagt sie.

Erst vor Kurzem geriet die Bedeutung des Zölibats innerhalb der Kirche in die Kritik. Rund 150.000 Männer haben ihr Priesterleben aufgegeben – vor allem weil sie nicht heiraten durften. Doch die tatsächliche Zahl könnte sogar noch viel höher sein, weil die katholische Kirche die Zahl der Austritte auch abgerundet haben könnte. Derweil stehen viele Gemeinden auf der ganzen Welt vor dem Problem, dass es mittlerweile einen echten Mangel an Priestern gibt.

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Wenn man bedenkt, dass sich die Kirche lange Zeit gegen jede Form von Veränderung gesträubt hat – ehelicher Sex wurde bis in die 60er-Jahre als nutzlos erachtet, wenn er nicht dem Zwecke der Fortpflanzung diente –, wird die Jungfrauenweihe dann nicht auch dem Untergang geweiht? Letzten Endes war der Orden der Jungfrauen bereits über mehrere Jahrhunderte verschwunden, bevor er Ender der 60er-Jahren wieder eingeführt wurde.

Trotz aller Versuchungen – und der Tatsache, dass Gott nicht im physischen, fassbaren Sinne anwesend ist – glauben die geweihten Jungfrauen nicht, dass ihrem göttlichen Ehemann irgendein Mann aus Fleisch und Blut das Wasser reichen könnte. Denn trotz aller Nachteile, sagt Duell, "bringt mir mein Leben als geweihte Jungfrau Freunde, Glück und Zufriedenheit."