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Islamistische Gefährder

Freispruch für Gefährder: Warum einer der wichtigsten Islamisten-Prozesse des Jahres platzte

Islamistische Gefährder sollen in Berlin im großen Stil mit Gras und Kokain gehandelt haben – glaubten die Ermittler. Nun werden zwei von ihnen freigesprochen. Das Urteil ist eine Blamage für die Berliner Polizei.
Screenshot aus einem IS-Hinrichtungsvideo. Beim Jungen vorne soll es sich um einen der freigesprochenen Iraker handeln, der das Opfer bespuckt. Laut seiner Familie sei der Sohn vom IS entführt worden

Am 24. Mai 2017 schlägt das SEK zu. In den frühen Morgenstunden rammen die Spezialkräfte die Tür zur Wohnung der Familie A. in Berlin-Mariendorf auf und nehmen zwei irakische Flüchtlinge fest: Der Familienvater und sein Sohn sollen laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im großen Stil mit Drogen gehandelt haben. Es geht um 1,6 Kilo Gras, ein halbes Kilo Kokain und eine größere Menge Ecstasy-Tabletten. Doch der Polizeieinsatz ist mehr als bloß eine Drogenrazzia: Gegen beide Iraker ermittelt auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Er wirft dem Vater und dem Sohn vor, den Islamischen Staat zu unterstützen und sich an Kriegsverbrechen beteiligt zu haben. Laut Zeugenaussagen soll der Vater "die rechte Hand" des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi sein, der ein Selbstmordattentat mit Sprengstoffgürtel in der Berliner U-Bahn geplant habe. Der Sohn soll in einem IS-Hinrichtungsvideo auftauchen. Vom LKA Berlin werden sie spätestens seit 2017 als islamistische Gefährder geführt. Unmittelbar nach dem Polizeieinsatz ist die Rede von einem "Schlag gegen die Drogen- und Islamistenszene".

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Heute, ein Jahr und 19 Verhandlungstage später, will vom großen Erfolg niemand mehr reden. Das Verfahren wegen Drogenhandels am Kriminalgericht Moabit, das Anfang des Jahres begann, mündete am Freitagmittag in einem Freispruch für den Vater und den Sohn. Für einen dritten angeklagten Gefährder, der bereits seit Dezember wieder auf freiem Fuß ist, wurde das Verfahren wegen mangelnder Beweise eingestellt. Der vierte Angeklagte, ein ägyptischer Asylbewerber, der sich zunächst als syrischer Flüchtling ausgab, wurde wegen Diebstahls und Bedrohung zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Mit diesem Urteil sind die Ermittler in einem der wichtigsten Islamisten-Prozesse des Jahres auf ganzer Linie gescheitert. Überrascht hat das allerdings niemanden mehr.

Der irakische Flüchtling und sein Sohn wurden am Montagmittag vom Kriminalgericht Moabit freigesprochen

Schon bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung der irakischen Flüchtlinge hatten die Beamten weder Drogen noch andere Beweismittel sicherstellen können. Auch von der schwarzen Pistole, die der Vater laut Durchsuchungsbeschluss angeblich ständig mit sich herumtragen soll, fehlte jede Spur.

Dass der Innensenator damals trotzdem die "hervorragende Arbeit" des Berliner LKA im Kampf gegen Dschihadismus lobte, hat viel mit dem Fall Anis Amri zu tun. Der Tunesier hatte im Dezember 2016 beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet. Danach musste die Berliner Polizei erklären, warum sie Amri nicht hatte stoppen können, obwohl es bereits 2015 Hinweise auf dessen islamistischen Hintergrund gegeben hatte.

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Auch bei VICE: Ein deutscher Kämpfer in Syrien


Als der Innensenator den Einsatz in Berlin "gerade vor dem Hintergrund" der Ermittlerpannen rund ums Amri-Attentat als Erfolg wertete, entsprach das deshalb auch einer neuen Berliner Anti-Terror-Strategie: Anstatt zu warten, bis islamistische Gefährder kurz davor stehen, sich die Sprengstoffweste umzuschnallen oder in einen LKW steigen, versucht die Polizei, sie nun wegen kleinerer Delikte frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Die Strafverfolger nennen es das "Al-Capone-Prinzip" – denn der Mafia-Boss landete am Ende auch nicht wegen seines kriminellen Imperiums im Gefängnis, sondern wegen Steuerhinterziehung.

Das Urteil heute ist nun ein herber Rückschlag für die Ermittler und ihre neue Strategie; der Freispruch hatte sich schon vor Wochen angedeutet. Die Befragung der Zeugen wirkte bisweilen wie eine Farce: Manche verwickelten sich in zahllose Widersprüche, andere sprachen von einem abgekarteten Spiel. Der vorsitzende Richter hatte bei der Befragung teilweise sichtbar Mühe, seine Geduld zu behalten.

Laut biologischem Gutachten ist er heute

Ein älteres Foto des Sohnes. Sein genaues Alter konnte bis zuletzt nicht geklärt werden. Laut biologischem Gutachten ist er heute "älter als 18" | Foto: privat

Die Staatsanwaltschaft hatte noch bis zuletzt versucht, einen Freispruch abzuwenden, und beantragte, das Verfahren einzustellen. Doch das Gericht lehnte ab. Die Verteidigung nannte den Antrag ein Manöver der Staatsanwaltschaft, "um ihr Gesicht zu wahren". Sie pochte auf den Freispruch, auch, wie sie sagt, um ein Signal nach Karlsruhe zu senden und "dem Generalbundesanwalt ein ähnliches Fiasko zu ersparen".

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Klar ist: Das Urteil wirft kein gutes Licht auf die ohnehin von Pannen und Skandalen geplagten Berliner Ermittler. Ein Blick auf die Zeugen, die das Rückgrat der Anklage bildeten, zeigt, was einen der wichtigsten Islamisten-Prozesse seit dem Amri-Attentat zu Fall brachte.

Kifah T. – Flüchtlingsunternehmer, Strippenzieher, V-Mann?

Da ist zunächst Kifah T. Der Deutsch-Iraker ist eine zentrale Figur in dem Fall. T. arbeitete in Saddam Husseins Sicherheitsapparat im Irak, bevor er in den 1980er Jahren ins geteilte Berlin reiste. Jahre später erhielt er die Staatsbürgerschaft, zuletzt betrieb er einen Schmuckstand am Hermannplatz in Neukölln. T. gilt als Strippenzieher hinter einer Gruppe von Zeugen, die nach und nach bei den Behörden ausgepackt und die Angeklagten belastet haben sollen – so berichtet es zumindest das Umfeld der Angeklagten gegenüber VICE. So begleitete T. in mindestens einem Fall Zeugen persönlich auf die Wache, wo sie dann ihre Aussage zu Protokoll gaben. In einem anderen Fall kündigte er einen Zeugen telefonisch bei der Polizei an.

Doch das Motiv des Irakers für die Zusammenarbeit mit den Anklägern wirft im Laufe des Prozesses immer weitere Fragen auf. Sein Verhalten scheint, rückblickend betrachtet, mindestens widersprüchlich.

T. kannte die geflüchtete Familie A. bereits deutlich vor Beginn der Ermittlungen. Ende 2015 brachte T. den Vater und den Sohn A. mit einem dubiosen Berliner Anwalt in Kontakt, der zu Wucherpreisen Flüchtlinge in Asylfragen vertrat. Einer der vertretenen Geflüchteten spricht von 700 Euro in bar, alleine für Briefkorrespondenz und einen Asylantrag. Laut Berliner Anwaltskammer hat der Anwalt M. mittlerweile seine Zulassung verloren und ist unbekannt verzogen. Mehrere Versuche von VICE, mit ihm Kontakt aufzunehmen, scheitern. Die Mutter und Ehefrau der Angeklagten berichtet, die beiden hätten T., der damals noch als Freund der Familie galt und als Übersetzer für den Anwalt arbeitete, 1.800 Euro gezahlt, als T. von "unerwarteten Problemen im Asylverfahren" sprach. Allerdings soll T. dieses Geld anschließend in die eigene Tasche gesteckt haben, der Anwalt jedenfalls wird später behaupten, vom Geld nie etwas gesehen zu haben. Es kam zum Streit zwischen T. und Vater A., der in einem Faustkampf vor dem Anwaltsbüro endete.

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Doch auch noch später, nachdem T. den Ermittlern bereits die Zeugen vermittelt hat, die Vater und Sohn A. mit ihren Aussagen in Untersuchungshaft gebracht haben, steht er weiterhin mit deren Familie in Kontakt. So telefonierte er im Frühjahr 2017 mit der Frau des Familienvaters und sagte ihr, er allein habe es in der Hand, dass die Anzeige fallen gelassen werde. "Ich regele das, niemand sonst. Ende der Geschichte", lässt er etwa die Frau wissen. Ein Audio-Mitschnitt des Telefonats liegt VICE vor.

Die Frau des ersten und Mutter des zweiten Freigesprochenen

Die Frau des ersten und Mutter des zweiten Freigesprochenen. Während der Ermittlungen stand sie mit Kifah T. in Kontakt – der sie mit einer Strafanzeige erpresste | Foto: Thomas Kieschnick

Nachdem ein Freund von T. der Polizei ein IS-Hinrichtungsvideo übergeben hat, auf dem mutmaßlich der Sohn der Familie A. zu sehen ist, kommt es erneut zum Kontakt mit der Mutter. In dem Clip wird ein irakischer General von IS-Anhängern erschossen. In einem aufgeheizten Telefonat mit der Mutter verspricht der Deutsch-Iraker T. der Frau mit lauter Stimme, "die Anzeige fallenzulassen", wenn ihr Mann ihm dafür nur genug Geld gebe. Laut der Mutter soll es sich um 5.000 Euro "Schweigegeld" gehandelt haben. "Keine Gerichte, kein Bullshit", so T. am Telefon. Aber was passiert, wenn weiter "falsche Behauptungen" aufgestellt würden von T. oder seinen Kumpels, fragt die Mutter. Das wird nicht passieren, sagt T., "dafür garantiere ich. Ich will nur meinen Anteil". Das Telefonat endet.

Hat hier ein Zeuge der Staatsanwaltschaft einen mutmaßlichen Terroristen damit erpresst, gegen Geld seine Aussage bei der Polizei zurückzuziehen? Hat er es auf Zuruf der Behörden getan, um zu sehen, wie weit ein Verdächtiger bereit ist, seine Spuren zu verwischen? Familienvater Raad A. zeigte die vermeintliche Erpressung bei der Polizei an, laut Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Daraufhin entscheidet sich die Familie zu zahlen. Bevor es dazu kommt, stürmt das SEK ihre Wohnung.

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Der Verteidiger des Familienvaters A., Walter Venedey, spricht von einer "Vorgehensweise, die eine institutionelle Verflechtung zwischen Kifah T. mit der Polizei nahelegt". Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft äußert sich auch nach mehrmaliger Anfrage nicht dazu, ob T. vom LKA als V-Mann geführt wird. Die Antwort ihres Sprechers Martin Steltner lautet: "Ich hoffe nicht" – und öffnet damit zumindest den Raum für Spekulationen.

Ben K. – "Wie ein Film, den sie inszeniert haben"

Eine weitere Schlüsselfigur in dem Fall ist Ben K. Der Tunesier war lange Zeit der Joker der Ermittler. K. kam am 17. Mai 2017 zur Polizei, um Alarmierendes zu berichten: Der irakische Familienvater A. habe den Berliner Attentäter Anis Amri gut gekannt, mit dem sogar Handygeschäfte abgewickelt. Am Abend, bevor Amri den Sattelzug in den Weihnachtsmarkt lenkte, soll A. sogar mit Amri zu Abend gegessen haben.

Ben K., der bereits wegen Drogenhandels in Berlin-Moabit einsaß, avancierte damit zeitweilig zum Hauptbelastungszeugen der Ermittler. Die angebliche Amri-Connection brachte nicht nur das Bundeskriminalamt auf den Plan, sondern auch die Bundesanwaltschaft, die gegen A. bereits wegen möglicher IS-Mitgliedschaft ermittelte. Die Bundesanwaltschaft wollte sich diese Geschichte bestätigen lassen und sprach mit K., der zu diesem Zeitpunkt wegen anderer Vergehen in Berlin-Moabit in Untersuchungshaft saß.

Allein: Die Geschichte stimmt offenbar nicht. Bei seiner Zeugenbefragung im Gericht widerrief K. seine Aussagen. Die Angeklagten hätten weder mit Drogen gedealt, noch seien sie Bekannte von Anis Amri gewesen. Der Tunesier mutierte im Zeugenstand vom Be- zum Entlastungszeugen.

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Das Verfahren gegen den dritten Gefährder, Younis El-H., wurde eingestellt

Das Verfahren gegen den dritten Gefährder, Younis El-H., wurde eingestellt. Obwohl die Richter aufgrund von Chat-Protokollen davon ausgingen, dass der Tunesier mit Drogen handelte, sahen sie die konkreten Tatvorwürfe nicht erfüllt | Foto: Thomas Kieschnick

Wie kam es zu der 180-Grad-Wende? Eine nicht unwesentliche Rolle spielte offenbar erneut der Strippenzieher Kifah T. Alles, was er über die Angeklagten zuvor behauptet habe, sei ihm von T. zuvor eingeflüstert worden, sagte Ben K. vor Gericht. Am Morgen vor seinem Gerichtstermin habe T. ihn erneut angerufen. Angeblich, um ihm seine Aussage zu diktieren. Er sei ausgenutzt worden von T., berichtet K. weiter, seine Heroinsucht habe ihn zu einem leichten Opfer für T. gemacht. T. sei die "Wurzel allen Übels".

Zudem lässt bereits die Befragung durch das LKA Monate zuvor Zweifel an K.s Motiven aufkommen: So hatte der Deutsch-Iraker T. dem Tunesier K. offenbar Geld versprochen und damit überhaupt erst auf die Wache gelockt. K. war wohl der Meinung gewesen, der angeklagte Familienvater A. schulde ihm noch 5.000 Euro.

In der Vernehmung gab K. an, dass ihm die Rückzahlung der 5.000 Euro versprochen worden seien, wenn er eine Aussage mache. Als die Beamten ihm zu Verstehen gaben, dass K. sich keine Hoffnungen auf das Geld machen könne, unterbrach der das Verhör abrupt, bat um eine Zigarettenpause und rief Kifah T. an. Nach dem Telefonat gab er zu Protokoll, verärgert zu sein. T. habe ihm nicht die Wahrheit gesagt.

Wie sehr sich der Tunesier von T. und dessen Versprechen auf schnelles Geld zu einer Aussage hat überreden lassen, legt auch sein späterer Rückzieher vor Gericht nahe. Dort bezeichnete er die Vorwürfe gegen A. "wie ein Film, den Kifah T. und seine Freunde inszeniert haben".

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Muntaser L. – Für 50.000 Euro die Berliner U-Bahn sprengen

Ähnlich schwere Vorwürfe erhebt der irakische Flüchtling Muntaser L.: Laut eigener Aussage will er es gewesen sein, der den angeklagte Familienvater A. mit einem Sprengstoffgürtel in die Berliner U-Bahn schicken wollte. 50.000 Euro soll er dafür bekommen, so L. vor Gericht. Von einem Freund, der ebenfalls eng mit Kifah T. ist, wisse er außerdem, dass A. die "rechte Hand" des IS-Chefs Baghdadi in Berlin sei. L. habe den Ermittlern im November 2016 auch das IS-Hinrichtungsvideo übergeben, auf dem der Sohn der Familie A. zu sehen sein soll. Die Übergabe soll in einem Parfümladen auf der Sonnenallee stattgefunden haben.

Von Zeuge Muntaser L. soll die Berliner Polizei das IS-Hinrichtungsvideo bekommen haben

Von Zeuge Muntaser L. soll die Berliner Polizei das IS-Hinrichtungsvideo bekommen haben. Später verstrickte er sich in Widersprüche | Foto: privat

Doch auch L. verstrickt sich vor Gericht in Widersprüche, hadert mit Erinnerungslücken. Mal behauptet er, mit A. ab und an etwas unternommen zu haben, mal sagt er, er sei er nur zweimal zum Duschen zu ihm gegangen. Mal erzählt er von Grastüten, die zwei der Angeklagten verkauft haben sollen, mal ist von Kapseln mit weißem Pulver die Rede. Mal soll der Vater ihm gedroht haben, ihn "abzuschlachten", mal soll es der Sohn gewesen sein. Schon bei der Frage nach seinem Alter diskutiert er mit dem Richter mehrere Minuten.

Auch im Gespräch mit VICE in einem Café auf der Sonnenallee im Oktober 2017 erscheint L. schwer greifbar. Dass A. ein Dealer sei, begründet er damit, dieser hätte immer viel Geld und mehrere Handys besessen. Mit den Drogen-Deals habe A. den Terror finanzieren wollen. Vor Gericht blieb von L.s Vorwurf des Drogenhandel dann aber nur noch der Schmuggel von Shisha-Tabak übrig.

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Überzeugt von A.s Schuld gibt sich L. aber immer noch. Zudem habe er in einer Facebook-Gruppe einen irakischen Haftbefehl gesehen, der gegen A. und seinen Sohn ausgestellt war. Der Mann, der ihm das geschickt habe, sei der Sohn des getöteten Offiziers gewesen. Dieser habe ihn gebeten, etwas zu unternehmen, damit "das Blut seines Vaters nicht umsonst vergossen wurde".

Auch L. hatte am Morgen vor seiner Befragung mit dem Strippenzieher Kifah T. telefoniert, wie er vor Gericht zugibt. Ob er das nicht bedenklich finde, dass T. ihn kurz vor seiner Aussage anruft? Nein, T. sei "nur ein Freund", so L. Er habe sich nur erkundigen wollen, ob er seinen Gerichtstermin schon hatte.

Welche Folgen der Freispruch hat

Den Freispruch für Vater und Sohn hatte zuletzt sogar die Anklage gefordert. Die Zeugen hätten nicht einmal erklären können, was die Zeugen selbst für wahr halten und was sie hinzugedichtet hätten, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer. Der vorsitzende Richter ging einen Schritt weiter: Er bezeichnete die Arbeit der Polizei insgesamt als "schlecht". Weder hätten die Ermittler Zeugen kritisch hinterfragt noch sich um objektive Beweismittel bemüht. Teilweise sei es sogar so gewesen, dass die Zeugen durch ihre ständigen Besuche bei der Polizei "die Ermittlungen selbst geführt haben", so der Richter. Strafverteidiger Mark Höfler sprach in dem Zusammenhang von "gefährlichen Tendenzen in unserem Rechtsstaat".

Der Freispruch für den Familienvater A. und seinen Sohn bedeutet allerdings nicht, dass die beiden nach einem knappen Jahr U-Haft nun entlassen werden. Noch immer ermittelt der Generalbundesanwalt gegen beide Männer, der Vorwurf: Beteiligung an Kriegsverbrechen im Irak und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Anklage soll bald erhoben werden, heißt es aus dem Büro der Generalbundesanwalts.

Als Zeugen sollen dort auch die alten Bekannten aus dem Drogenverfahren aussagen. Ob der Richter ihnen dann mehr Glauben schenken wird, ist aber zumindest fraglich. Ein erneuter Freispruch gilt als nicht unwahrscheinlich, eine weitere Blamage für das Berliner LKA scheint nicht ausgeschlossen.

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