Die Erde ist eine Scheibe – wer das glaubt, hat sich die Wahrnehmung vermutlich, na ja, an der Wirklichkeit plattgedrückt. Aber es gibt heute eben doch einige, die zu dieser uralten Überzeugung zurückkehren. Als Reaktion darauf entstehen immer wieder neue Parodien wie die Zwölfeck-Erde, die Bananen-Erde, die Taco-Erde und auch die Dinosaurier-Erde. Aber so absurd es klingt: Die Donut-Erde ist weniger abwegig als so manch andere Vorstellung.
Im Internet kreiseln tatsächlich Menschen, die behaupten, die Erde wäre weder Scheibe noch Kugel, sondern ein Torus – das ist Bildungssprache für etwas, das aussieht wie ein Donut. Wie viele von ihnen nur trollen, ist unklar. Aber die Theorie hat ihren Ursprung anscheinend in dem Forum von FlatEarthSociety.org. Eine Person mit dem Nutzernamen Dr. Rosenpenis hatte das Thema 2008 offenbar als Witz eröffnet. 2012 kam der User Varaug auf den Donut und ergänzte das absurde Grundgerüst mit vielen Details.
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Die Donut-Theorie besagt, dass da ein gigantisches Loch im Zentrum unseres Planeten ist, das wir nicht sehen können, weil, so Varaug: “Das Licht krümmt sich und folgt der Rundung des Torus, wodurch das Loch für uns ‘unsehbar’ wird.” Wie dann das mit der Schwerkraft funktionieren würde? Varaug hat auch hier eine schlüssige Erklärung parat: “Stell dir einen Donut vor. Stell dir einen Donut mit Füllung vor. Die Schwerkraft zieht Richtung Füllung.”
Es blieb nicht bei Varaug. User auf FlatEarthSociety.org entdeckten den Forenthread 2016 wieder. VICE hat sich an mehrere Forennutzer gewandt, um ein ernstes Gespräch über diese Theorie zu führen, doch niemand hat auf die Anfrage reagiert. Anders als die Astrophysikerin Tabetha Boyajian von der Louisiana State University. Sie sagt gegenüber VICE: “Dieses Thema beginnt nicht mit einer Frage, die wir beantworten müssen. Die Leute fangen an mit: ‘Hey, wie wär’s hiermit?’ Und dann suchen sie Erklärungen.”
Auch bei VICE: Wir waren beim ersten “Flat Earth”-Treffen der Welt
Schon vor Jahren hat jemand den Informatiker und Neurowissenschaftler Anders Sandberg von der Oxford University aufgefordert zu erklären, wie eine Donut-Erde funktioniert – vermutlich eher als Gedankenspiel statt aus Überzeugung. Sandberg präsentierte 2014 auf iO9 ein ausführliches Modell einer Torus-Erde. Dabei stützt er sich auf Forschung zu torusförmigen Körpern im All – die Frage nach einem Donut-Planeten ist also weniger abwegig als die Flache-Erde-Theorie. Das Ergebnis: Ein torusförmiger Himmelskörper bräuchte ganz bestimmte Bedingungen, darunter eine sehr schnelle Rotation, erklärt Sandberg, und der Planet wäre in dieser Form wohl kaum lange stabil. Trotzdem, er sei möglich.
Sandbergs Modell zeigt aber auch: Wenn die Erde ein Torus wäre, wüssten wir es definitiv. Es gäbe einen massiven Unterschied in der Schwerkraft, je nachdem, wo auf dem Ring man sich befindet. Die Jahreszeiten in der Nähe des Lochs würden sich “doppeln”, es gäbe also zum Beispiel einen zweiten Winter mitten im Juli. Auch das Wetter wäre extrem anders: Wolken auf dem Donut-Planeten wären bis zu dreimal so hoch, die Winde wären um einiges stärker und würden anderen Mustern folgen.
Die Astrophysikerin Boyajian und ihr Student Taylor Ellis zeigen VICE Beispiele für Phänomene, die auf einer Donut-Erde unerklärlich wären. Das Foucaultsche Pendel, das die Erdrotation nachweist und sich mit den Bewegungen eines sphärischen Planeten deckt. Oder der runde, völlig unzerlöcherte Schatten der Erde, der bei einer Finsternis den Mond verdunkelt. Dann ist da noch das Problem, dass wir wohl an der Innenseite des Donuts die andere Seite des Erdrings sehen müssten. Ach ja, das ist ja “unsehbar”, wie Varaug schreibt, weil “das Licht der Rundung des Torus folgt”. Normalerweise verbiegen eher gigantische Körper wie supermassereiche Schwarze Löcher das Licht auf diese Art, erklärt Boyajian. “Diese Menschen überlegen sich eine Handvoll Punkte, die der Vorstellung nicht widersprechen, und nennen es eine Theorie”, sagt sie. “Aber so entwickelt man keine Theorie.”
Dafür ist diese Geschichte der Beweis dafür, dass eine ganz andere Theorie stimmt: Poes Gesetz besagt, dass man im Netz keine Parodie auf extreme Ansichten machen kann, die offensichtlich als solche erkennbar ist – es gibt einfach zu viele Menschen, die wirklich absurde Dinge glauben. Die hatte Dr. Rosenpenis offenbar nicht auf der Rechnung. Also: Wenn dir jemals jemand etwas über eine Donut-Erde erzählen sollte, denk dran, was alles passieren kann, wenn man versucht, witzig zu sein. Und verlinke diesen Text. Bitte schön, gern geschehen.
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