„Seit Jahren eine Art Selbsttherapie“—Megaloh im Interview

Herzlich willkommen zu unserem ersten (und vermutlich letzten) „Kreativspiel mit Rappern á la Waldorfschule“. Unser Gast: Megaloh! Viel geliebter und in der Szene respektierter Rapper, der nächste Woche sein neues Album Regenmacher veröffentlichen wird. Und wie das so ist, wenn ein heiß ersehntes Album in den Startlöchern steckt: Hinz und Kunz wollen ein Interview dazu machen. Also natürlich auch wir.

Weil wir hier bei Noisey aber bekanntermaßen etwas waldofschulenmäßig drauf sind, haben wir uns entschieden, ein bisschen Abwechslung in das typische Interview-Game zu bringen. Denn wenn sich Megaloh schon so einen deepen, mystischen Albumtitel aussucht, haben wir das gleich als Anlass gewählt, um seine Persönlichkeit mit einem freien Assoziationsspiel zu ergründen. Da es jedoch sehr aufwendig und kraftraubend wäre, ein ganzes Album vorzutanzen, haben wir Megaloh diese Mühe und Scham erspart, und ihm stattdessen Bilder von anderen Regenmachern gezeigt, die er in Verbindung zu seinem kommenden Album setzen musste.

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Ein wahnsinnig kreatives, kluges, einzigartiges Albuminterview mit einem wahnsinnig kreativen, klugen und einzigartigen Rapper.


Noisey: Du hast mich überrascht! Ich dachte ja, dass Regenmacher ein Album wäre zum traurig aus dem U-Bahnfenster starren und zusehen, wie Regentropfen die Scheibe runterrinnen.
Megaloh: Nein, es ist nicht negativ. Es ist eher entschlossen, würd ich sagen. Der Regenmacher ist ein Symbol für einen Hoffnungsträger.

So der typische alles-easy-Rapper bist du jetzt aber auch nicht wirklich …
Es ist ja auch nicht alles easy. Ich setze mich natürlich auch mit dem Strugglen, mit Zweifeln, mit gefühltem Leid auseinander, aber letztendlich geht es um die Umkehr dessen. Also aus diesem Leid heraus zu wachsen und noch entschlossener zu werden.

In Berlin assoziiert man vermutlich Regen eher mit grau, kalt und Depressionen. Wenn man dann noch sieht, dass ein Tua-Feature drauf ist, widerlegt das jetzt nicht unbedingt diese Vermutung.
Ja, in unseren Breitengraden ist Regen vielleicht negativ besetzt, aber für mich nicht. Unser Leben ist ja auch nicht durch Dürren bedroht, wie in anderen Ländern, wo Menschen deswegen auch sterben. Dort ist der Regenmacher eher jemand, der kommt und aus dem Nichts etwas schafft. So kann man das auch auf mich übertragern, im Privaten, wie meiner Familie, oder bei meiner Position im Rap. Ich habe mir bei einigen meiner Hörer so eine Position der Realness angeeignet, die so im Moment wenige für sie ausfüllen. Und die hoffen eben, dass ich mit dem neuen Album die von ihnen gesehene im HipHop herrschende Dürre beende.

Höchst metaphorisch. Das passt perfekt zu unserem Spiel. Ich habe ein wenig recherchiert, aka den Begriff „Regenmacher“ gegooglet und festgestellt, dass es sehr viele verschiedene Dinge gibt, die unter diesem Begriff auftauchen. Ich werde dir jetzt Bilder von anderen Regenmachern zeigen und du kannst frei erzählen, was dir zu den Bildern einfällt, auch in Bezug auf dein Album. So ein bissch wie bei einem Rorschach Test.


Bild: Imago

Ja, das ist dieses Instrument, das so klingen soll wie Regen. Ich hatte noch nie so eins in der Hand, aber natürlich hatte ich auch gegooglet, um zu sehen, was es da schon alles gibt.

Na toll. Dann konntest du dich ja schon total vorbereiten und dir kluge Antworten überlegen. Weißt du denn jetzt auch, wie man das basteln kann?
Nein, du etwa?

Ja. Ich habe ja gegooglet.
Echt? Hast du’s schon ausprobiert? Und du hast mir keins mitgebracht?

Nein, leider nicht. Ich hatte jetzt aber auch grad keinen ausgetrockneten Kaktus zur Hand. Den braucht man nämlich dafür.
Das finde ich sehr schade, das wär doch mal schön gewesen. Wenn du mir sowas mitgebracht hättest, dann hätte ich auch meinen Namen damit getanzt.

Hättest du das? Inwiefern kannst du dich denn mit diesem Regenmacher indentifizieren?
Also dieser Regenmacher ist etwas bunter als ich (Anmerkung der Redaktion: Das Exemplar, das wir Megaloh präsentierten war mit allerhand bunten Federn und Schnüren verziert. Leider haben wir die Bildrechte dafür nicht, stattdessen ist hier ein schöner Cowboy mit drauf). Ich halte es ja mehr so schwarz-weiß. Vor allem schwarz (lacht).

Hast du das Instrument auf dem Album benutzt?
Nein, das wäre zu offensichtlich gewesen. Ich habe gar keine Regengeräusche auf dem Album. Das wär mir zu platt.

Fahren wir fort mit einem anderen Mann, der es gerne regnen lässt:

(Freudig ausrufend)
Lil’ Wayne! Ja, ich glaub, da ist dieser Regenmacher mehr wie bei John Grisham gemeint. Bei dem ist der Regenmacher so ein Typ in einer Kanzelei, der bei den Anwälten die dicken Kunden ranzieht oder zumindest viel Kohle generiert. Da ist Regen auf Cash bezogen. Ist natürlich auch bei mir ‘ne Metapher. Der Erfolg, den ich generieren möchte oder den der Regenmacher generell generieren möchte oder muss, um die Dürre zu überwinden—was in der heutigen Gesellschaft ja einfach nur Geld ist.

Du lässt es also nicht mit Stacks regnen, sondern …
Die Stacks müssen bei mir regnen!

Der Titel ist also quasi eine Self-fulfilling Prophecy?
Ja, ich hoffe doch!

Kommen wir zum nächsten Bild:

Rain Man ist aber kein Rain Maker!

Jaaaaa, wir wollen mal nicht päpstlicher als der Papst sein.
Das Autistische ist auf jeden Fall unsere gemeinsame Schnittmenge. In dem Moment, wo man in der Idee zu einem Text drin ist, wird man zum Autisten. Das hab ich mir schon von diversen Leuten bestätigen lassen, dass ich da auf jeden Fall nicht wirklich ansprechbar bin.

Hast du dann auch so eine ganz klare Routine, wie das oft bei Autisten der Fall ist? So ein ganz striktes Korsett an Abläufen, damit du funktionierst?
Teils, teils. Bei mir ist eher dieses Arbeits-Drumherum. Dieses morgens aufstehen müssen, um zur Arbeit zu gehen, das hat mir auf jeden Fall Selbstdisziplin gegeben. Dadurch ist mein Tag strukturierter. Also wenn ich selber entscheiden kann, wann ich aufstehe, dann schlaf ich halt einfach zu lang und dann passiert einfach nichts am Tag, sondern erst nachts oder gar nicht. Also für mich ist so ein gewisser Ablauf gut, weil ich hab eben nur begrenzt Zeit durch den Job, also nutze ich diese Zeit besser. Ansonsten gibt es natürlich gewisse Rituale, die man beim Schreiben hat.

Schreibst du noch mit Hand oder tippst du auch total stillos ins Handy?
Nein, ich tippe in den Laptop. Außer ich bin unterwegs, dann tipp ich vielleicht mal ins Handy oder behalt’s einfach im Kopf. Handschriftlich mach ich eigentlich nichts mehr.

Das ist voll unromantisch.
Nein, aber digital kannst du besser das Ganze bearbeiten, das ist ein ganz wichtiger Faktor. Zum anderen turnt dich die hässliche Handschrift ab. Wenn du einen Text liest und der ist so hässlich geschrieben, dann findest du ihn auch nicht mehr geil. Das ist psychologisch ein ganz wichtiger Faktor. Und meine Handschrift ist vermutlich die hässlichste im Rapgame.

Dann hast du schon mal was mit Kanye gemeinsam. Der hatte doch seine Tracklist zu TLOP auch in Handschrift veröffentlicht und keiner konnte es lesen.
Ich glaube aber nicht, dass Kanye sich bei jedem Autogramm, das er gibt, für seine Handschrift schämt.

Nie ein cooles Tag ausgearbeitet?
Nein, siehst du, da ging’s schon los. Meine Graffittikarriere ist schon auf dem Blatt gescheitert.

Um auf Rain Man zurückzukommen: Hat sich was bei deiner Routine, Texte zu schreiben geändert? Dustin Hoffmann schafft es ja in dem Film, aus seinen gewohnten Abläufen auszubrechen.
Inhaltlich und textlich hat sich schon was verändert. Das wäre ja auch schade, wenn man als Künstler stagniert. Ich will mich als Künstler auch nicht begrenzen lassen, was zum Beispiel auch andere Projekte angeht. Einfach immer machen, worauf man Lust hat. Ich will nicht für den Rest meines Lebens eine Schiene fahren.

Kennst du noch diesen Regen-Mann?


Bild: Imago

Ach ja hier, der Wettertyp. Wie heißt der nochmal? Kachelmann! Ja gut, assoziieren tut man mit ihm ja in erster Linie diesen Skandal damals. Ich bin da nicht so drin in der Geschichte, aber er soll ja angeblich eine Frau vergewaltigt haben, wurde aber freigesprochen, oder?

Ja, aber davor wurde er total fies von der Öffentlichkeit behandelt.
Genau, was richtig scheiße ist, weil der Ruf zerstört ist. Schau, ich bin ja nicht mal in der Geschichte drin und das ist alles, was bei mir hängengeblieben ist.

Was man jetzt aber nicht auf dich übertragen kann, weil du ja einen sehr guten Ruf hast.
Ja, aber ich habe auf der Platte auch einen Song, bei dem ich auch was zu beichten habe.

Nämlich, dass du mal eine Frau geschlagen hast.
Ja, genau. Ich möchte dazu sagen, das es für mich in keinster Form und in keiner Situation zu entschuldigen oder zu rechtfertigen ist, aber es ist nun mal passiert und da ich mit der Musik ja seit Jahren so eine Art Selbsttherapie mache und sehr viel Zuspruch von anderen Menschen, die ich schätze, zu dem Song bekommen habe, habe ich mich entschlossen, ihn zu veröffentlichen. Ich hoffe auch einfach, dass das Schildern oder Verarbeiten der Situation auch anderen hilft, besser damit umzugehen. Es gibt viele Leute, die in Beziehungen sind, die einfach falsch laufen und keiner weiß wirklich wieso. Man ist da einfach so drin und so emotional abhängig voneinander, beziehungsweise projiziert so viel auf den Anderen. Man kann sich tatsächlich in Beziehungen verlieren. Das ist letztendlich auch das, was mir passiert ist.

Es gibt Menschen, die das Beste und andere, die das Schlechteste in einem hervorbringen.
Ja, aber vielleicht ist es auch einfach die Beziehung und die Zeit. Ich weiß nicht, ob man nur sagen kann, dass es an dem jeweiligen Mensch liegt. Erstens gehören immer zwei dazu und zweitens ist man auch anders in verschiedenen Phasen seines Lebens. Kein Mensch hat es verdient, geschlagen zu werden. Als ich 17 war, war ich halt auch unsicherer und eifersüchtiger. Sowas ändert sich im Laufe der Zeit. Man kann also nicht sagen, es liegt an dem einen Menschen. Ich würde sagen, es liegt an der Konstellation zwischen zwei Menschen zu der jeweiligen Zeit.

Wie steht’s mit Liebesliedern?
Also ich habe auf der Platte einen Bonustrack, der ein bisschen wie ein Liebeslied zur Musik gedeutet werden kann. Grundsätzlich find ich Liebeslieder im HipHop schwierig.

Ist es wack?
Wack würd ich jetzt nicht sagen, man kann schon coole machen. Zum Beispiel „Song Cry“ von Jay Z auf Blueprint find ich einen überkrassen Liebessong. Da geht es um eine Person, die ihm mal sehr wichtig war, aber durch den Fame und die Karriere und das Ganze, kann es irgendwie nicht mehr funktionieren. Ich denke, mit der Thematik können sich viele identifizieren. Deswegen ist der Song größer als nur eine Ode an eine Person. Also, ich würde Liebeslieder nicht pauschal diskreditieren, aber grundsätzlich ist das jetzt nicht das, was ich mir persönlich anhöre.

Sondern?
Na Regenmacher.

Megalohs Album Regenmacher erscheint am 04.03. bei Nesola und kann hier bestellt werden.

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