Liebe Männer, hört auf, Frauen über Musik zu belehren

“Was hast du gekauft?” – “Einen Saxon-Japan-Import, eine Planxty-Platte und, ah, Babe, du musst rein gehen und dir diese geile Ride the Lightning-Picture-Disc ansehen, die ich entdeckt habe. Sie ist verdammt abgefahren. Aber etwas teuer.” – “Alles klar, pass auf den Hund auf – ich bin gleich zurück”, antwortete ich, ließ meinen Freund und unser großes, nervöses Hundebaby draußen auf einer Bank zurück und ging in den kleinen Plattenladen. Mein Freund hatte Geburtstag und als ich die Begeisterung in seiner Stimme hörte, während er das aufwändige Cut-Out-Coverdesign dieser LP beschrieb, beschloss ich sofort, sie für ihn zu kaufen.

Wir beide lieben Platten, er allerdings noch mehr als ich. Ich stopfe alle Ecken unserer Wohnung mit Büchern voll, er kontert still, indem er unsere massive Plattensammlung erweitert. Wir mögen auch überwiegend die selbe Art von Platten (auch wenn seine NWOBHM-LPs gegenüber meinen Black-Metal- und Country-Platten mittlerweile in der Überzahl sind). Es war also die natürlichste Sache der Welt für mich, in den Laden zu gehen und ihm etwas zu kaufen, an dem wir uns zusammen erfreuen können.

Die Person, die mir die Platte verkaufte, schien das allerdings anders zu sehen. Trotz der Tatsache, dass ich im Prinzip genauso aussehe, wie sich jemand einen Heavy-Metal-Fan vorstellen würde –lange Haare, Tattoos, Piercings, schwarze Jeans, Bandshirt, Lederjacke und so weiter – schien der Verkäufer zu denken, dass ich noch nie von Metallica gehört hatte. Ich trug an diesem Tag ein Shirt von Acid und trotzdem beschloss dieser bebrillte Wuschelkopf, dass er mich über Thrash/Speed Metal aufklären müsste. Während er in der Kiste mit den Neuheiten wühlte, um die besagte Platte herauszuholen, plapperte er ununterbrochen und erzählte mir von seiner Vorliebe für Ride the Lightning und “die anderen frühen Sachen wie Master of Puppets“. Als ich versuchte einzuwerfen: “Genau, die ersten vier”, ignorierte er mich. Stattdessen gab er weiter so verblüffende Wahrheiten von sich wie: “Cliff Burton, der der Bassist war, stand sehr auf Melodien und das kannst du auf der hier wirklich hören.”

“Ja, ich weiß, dass das irgendwie sein Ding war”, schob ich ein, in einem Versuch, die Interaktion zu beenden, bevor ich anfing, rot zu sehen. “Wie auch immer, mein Typ wird sie leben, er war da draußen total begeistert davon.”

“Oh, du kaufst sie für deinen Freund”, sagte er mit Genugtuung. “Du bist eine von den Guten.” Ich starrte ihn an. Das “Und jetzt hau ab, kleines Mädchen” war darin impliziert.


An diesem Punkt hatte ich genug und beschloss, anders als sonst, nicht die Klappe zu halten und mit ein bisschen Namedropping zu kontern. Als er in eine Tirade darüber ausbrach, wie scheiße Lars Ulrich und wie irrelevant die Band mittlerweile ist, lächelte ich süßlich und sagte: “Tja, tatsächlich habe ich ihn letztens für die Arbeit interviewt und er war wirklich bodenständig und freundlich. Das neue Album ist auch ziemlich solide. Wenn du die Möglichkeit hast, es dir anzuhören, solltest du das tun.”

Ja, ich habe es gemacht. Ich habe ihn belehrt. Ich bin nicht stolz darauf, manchmal musst du jedoch deinen Mut zusammen nehmen und dich der Scheiße stellen. Sein Gesichtsausdruck war es wert, genau wie die Art, mit der er sofort leise “das ist cool” murmelte und anfing, meinen Einkauf einzupacken. Auf einmal wollte er nicht mehr über Musik reden.

Als ich ihm meine Karte reichte (die Luft knisterte vor Anspannung) dachte ich an das letzte Mal, als mich ein Verkäufer so von oben herab behandelt hatte. Es war vor ein paar Jahren gewesen, als ich mit Black Tusk auf Tour war und Merch verkaufte. Wir waren in Tulsa oder so – einer staubigen Stadt im mittleren Westen mit einer kleinen aber passionierten Metalszene – und zu meiner Freude gab es direkt neben der Konzerthalle einen Plattenladen. Platten kaufen gehört immer noch zu meinen Lieblingsbeschäftigungen auf Reisen. Damals sogar noch mehr. Ich ging alleine rein und durchsuchte beinahe eine Stunde lang vergnügt die Kisten, bevor ich den Hauptgewinn entdeckte: eine wunderschöne, neuwertige Kopie des Reverend-Bizarre-Debüts In The Reactory Of The Bizarre Reverend, das 2010 als Doppel-LP auf Svart Records erschien. Ich riss sie an mich und ging bis über beide Ohren grinsend zur Kasse.

“Ich freue mich so, dass ich die gefunden habe!”, konnte ich meine Freude gegenüber dem Verkäufer nicht verbergen, der aufsah, als ich ihm das schwere Doppelalbum reichte. Er musterte mich einen Moment lang und fragte dann freundlich: “Kaufst du das für deinen Freund?”

Ich starrte ihn an. “Was? Willst du mich gerade verarschen?” – “Sorry, sorry, ich wollte dich nicht beleidigen! Viele Leute kaufen Platten als Geschenke …”, stotterte er und gab mir meine Tüte. Ich warf ihm einen letzten eisigen Blick zu, machte auf meinem Absatz kehrt und stampfte aus der Tür. An diesem Tag ging keiner mehr von unserer Tour in diesen Plattenladen.

Auf derselben Tour kam ein Junge zwischen zwei Konzerten zu meinem Tisch und beschloss, sich mit mir und der anderen Merchandise-Verkäuferin (zufällig auch eine Frau) zu unterhalten. Er fragte uns, welche Art von Musik wir hören, und als ich ihm sagte, dass ich hauptsächlich Black Metal und Doom mag, grinste er. Dieser Junge – ein verpickelter Klischee-Metalfan mit Jeansweste und schwarzer Baggyhose – fing an, mich über das Genre zu belehren und war sich dabei überhaupt nicht bewusst, dass er Details falsch wiedergab und den Namen von Euronymous falsch aussprach. Vergesst nicht, dass ich einige Jahre älter als er und natürlich recht unbeeindruckt von seinem Vortrag war. Ich war verblüfft, wie dreist er außerdem war. Wann immer ich versuchte, etwas einzuwerfen, oder behutsam versuchte, ihn zu berichtigen, wiegelte er ab und machte weiter mit seinem Vortrag.

Mit diesem Verhalten hatte ich es in all meinen Jahren als Metalhead mit weiblichen Geschlechtsorganen viele, viele Male zu tun. Doch je älter ich werde, desto mehr nagt es an mir – und desto weniger bin ich bereit, mich damit abzufinden. Ich repräsentierte die Band, also konnte ich in dieser Situation nicht komplett gemein zu ihm sein. Er war ein Arsch, aber ein Arsch, der auch ein potenzieller Kunde war, also musste ich mir einen anderen Weg einfallen lassen, um meine Botschaft ankommen zu lassen. Ich lachte in mich hinein, als ich die Lösung hatte: Ich musste ihn einfach mit seinen eigenen Waffen schlagen.

Als sich sein Monolog dem Ende neigte, drehte ich mich also zu ihm, zeigte auf das Tattoo der Bathory-Ziege auf meinem Oberarm und fragte ihn: “Wenn du soooooo viel über Black Metal weißt, dann kannst du mir sicher auch sagen, was das hier bedeutet, oder?” – “Äh, das ist eine Ziege!”– “Aber was bedeutet sie?”– “keine Ahnung, Satan?” – “Nein. Das ist das Logo einer der wichtigsten Black-Metal-Bands aller Zeiten. Und jetzt hau ab, Kind.”


Er plapperte irgendwas und machte sich dann mit eingekniffenem Schwanz davon. Hoffentlich hatte er eine wertvolle Lektion gelernt: Nur Arschlöcher nehmen an, dass Frauen oder irgendeine andere Minderheit in dieser von heterosexuellen weißen Männern dominierten Szene keine Ahnung von Heavy Metal haben.

Es gibt einen grundlegenden Unterschied dazwischen, Informationen mit jemandem auszutauschen, den du als gleichwertig erachtest und von oben herab Fakten und Meinungen abzulassen, ohne dein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen oder anzuerkennen, dass es vielleicht auch etwas zur Unterhaltung beizutragen hat. Was so viele männliche Fans nicht erkennen, ist, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass wir mehr über das Genre unserer Wahl wissen als sie, da wir Jahre damit zugebracht haben, uns zu beweisen. Wir müssen alles wissen, damit andere glauben, dass wir überhaupt etwas wissen. Wir wurden getestet, ausgelacht, verachtet und geschmäht, nur weil wir es wagen, der Art von Musik zu verfallen, die unsere scheinbaren Gegner auch mögen. Das erscheint absurd, doch frag irgendeine Frau, die eine längere Zeit in Bereichen wie Heavy Metal, Punk oder irgendeiner Art von “schwieriger” oder “komplexer” Musik verbracht hat und schau, was sie dir sagt.

Ich weiß verdammt nochmal wie es ist, wenn man herausgefordert wird. Jeden Tag versuchen irgendwelche Idioten mir auf Twitter Metal zu erklären und ich schreibe seit ich 15 bin beruflich (und sehr öffentlich) über das Genre. Ich erinnere mich an all die Male, als Bandtypen davon ausgingen, dass ich die Freundin von irgendjemandem sei (oder darauf aus sei, dies zu werden), wenn ich im Backstage mit Diktiergerät meinen Job machte. Ich erinnere mich an jedes Mal, als irgendein Junge zu mir kam, auf das Bandshirt schaute, das ich gerade trug, und fragte, ob ich die Band “tatsächlich” hören würde, um mein Wissen zu “testen” und sicherzugehen, dass ich keine Poserin bin. Ich erinnere mich, dass mir mal jemand sagte, ich sei “zu hübsch”, um “wirklich Metal zu mögen”, was auf merkwürdige Art ein Kompliment sein sollte.

Es fing an, als ich zum ersten Mal auf Shows ging, ich war ungefähr 16. Als ich das erste Mal “dem Test” unterzogen wurde, war ich niedergeschlagen, dann wurde mir jedoch klar, dass ich nicht nur jeden beschissenen Test bestehen müsste, dem ich ausgesetzt werden würde, sondern sie regelrecht vernichten müsste. Wenn diese Typen denken sollten, ich sei nur dort, um den Gitarristen anzuschmachten und süß auszusehen, dann würde ich ihnen sowas von das Gegenteil beweisen, dass sie gezwungen wären, mein Wissen zu akzeptieren – ob sie mich nun mochten oder nicht.


Also lernte ich. Ich las jedes Buch, das ich über die Geschichte von Heavy Metal finden konnte, abonnierte jedes Metal-Magazin, das ich mir leisten konnte, kaufte importierte in Buchläden, stellte unzählige Fragen an die wenigen älteren Metalfans, die ich kannte, tauschte CD-Rs mit Leuten aus dem ganzen Land, gab all mein Geld, das ich durch meine Jobs als Geschirrspülerin und CVS-Verkäuferin verdiente, für CDs aus und setzte mich allgemein exzessiv mit diesem Genre auseinander.

Ich wusste nicht alles (und weiß es immer noch nicht), doch ich wusste so viel wie eine Teenagerin in einem winzigen Städtchen auf dem Land ohne Internet nur konnte. Dieser erste heftige Schubser, alles Metalwissen aufsaugen zu müssen, bewirkte ungeahnte Dinge bei mir. Aber auch mein ursprüngliches Ziel verfehlte ich damit nicht: Kein Junge und kein Mann werden mir das Gefühl geben, dass ich klein, dämlich oder unterlegen bin, zumindest nicht auf diesem Gebiet. Die Welt da draußen ist eine andere Geschichte, aber hier, in den heiligen Hallen von Heavy Metal (in welcher Bar, welchem Keller oder welchem schäbigen Laden ich an jenem Abend auch immer bin), fühle ich mich unantastbar.

Es ist etwas, das ich in all den Jahren in mir trage und etwas, das ich sicherlich nicht ohne Kampf aufgeben werde. Ich gehöre hier hin, genau wie jede andere Person, egal welcher Geschlechtsidentität, Sexualität, Ethnie, Nationalität, Glaubensrichtung, die hier sein will. Und das Letzte, was ich zulasse, ist, dass irgendein selbstgefälliger, ahnungsloser, anmaßender Arsch mir ein anderes Gefühl gibt.

Illustration von Angélique Labbé.

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