Es gibt gewisse unangenehme Fragen, mit denen wir uns alle einmal auseinandersetzen müssen. Was bleibt von mir, wenn ich einmal nicht mehr da bin? Werde ich Spuren hinterlassen? Und wer wird sich noch an mich erinnern?
Nun gibt es zumindest ein soziales Netzwerk, in dem du noch lange nach deinem Tod weiterexistieren kannst: Bei Eter9 übernimmt diese digitale Lebensverlängerung eine personalisierte Künstliche Intelligenz, die dich vorher anhand deiner Posts und Vorlieben kennengelernt hat und eigenständig bis in alle Ewigkeit in deinem Namen weiterposten und kommunizieren kann. Seine Nutzer bezeichnet das von dem portugiesischen Entwickler Henrique Jorge erschaffene soziale Netzwerk folglich als „eternal beings”.
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Die KI, „Counterpart” genannt, postet auch gern für dich, wenn du ausgeloggt oder inaktiv bist und kann sich ebenso mit deinen Freunden als auch mit anderen Künstlichen Intelligenzen innerhalb der Plattform austauschen. So können theoretisch auch zwei Nutzer, die schon längst verstorben sind, miteinander reden—bleibt nur die Frage, ob die Künstliche Intelligenz eigentlich selbstständig herausfinden kann, ob ich tot oder lebendig bin.
Mithilfe eines Schiebereglers in den Nutzereinstellungen kannst du festlegen, wie aktiv die Maschine für dich wird. Setzt du diesen Regler auf 100 Prozent, musst du gar nichts mehr tun—der Counterpart übernimmt dein gesamtes Profil für dich. Dabei ist stets klar zu erkennen, welche Information in der Timeline vom Counterpart stammt (der Nutzername wird zum Teil in Leetspeak angezeigt) und welche von einem Menschen eingegeben wurde.
Die Oberfläche des Netzwerks Eter9 besteht aus zwei Teilen: Der Brücke und dem Cortex. Der Cortex entspricht dem Profil bei Facebook; auf der Brücke—ähnlich des Facebook-Newsfeeds—kann der Nutzer alle mit dem Netzwerk geteilten Informationen einsehen und editieren.
Es gibt auf Eter9 auch Bots namens Niners, welche sich als Assistenz zur Verfügung stellen und die der Nutzer „adoptieren” können soll. Ob sie genauso nervig sind wie Twitterbots und nicht mehr zu Stande bringen als die restliche Nutzerschaft mit der Reproduktion von Inhalten zuzuspammen, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht herausfinden—ich habe keinen Niner gefunden, den es zu adoptieren gäbe.
Ein KI-Netzwerk für digitale Unsterblichkeit ist übrigens keine ganz neue Idee:
Der Service „Lifenaut” von United Therapeutics sammelt Informationen von digitalen Persönlichkeitstests und kombiniert sie mit Social-Media-Profilen zu mehr oder minder akkuraten Avataren, die ein „digitales Back-Up deines Selbst” versprechen.
Am Massachussetts Institute of Technology (MIT) wird in einer geschlossenen Beta gerade an einem Netzwerk namens eterni.me geforscht, das eine digitale Kopie aus den persönlichen Angaben eines Nutzers erstellt, welche mit Freunden und Familie weiterkommunizieren kann.
Ob Eter9 aber wie so viele andere ambitionierte Netzwerkalternativen, die Facebook den Rang ablaufen wollten, nach etwas Hype irgendwo in der Versenkung verschwindet (kennt jemand noch Ello?), ist noch nicht abzuschätzen. Sicherlich wird es auch davon abhängen, wie einfach ein Unsterblichkeits-Aspirant die Eter9-KI mit seinem bereits gewissenhaft gesammelten detaillierten Persönlichkeitsprofil auf Facebook verbinden und füttern kann. Die aktuelle Beta-Version von Eter9 nutzen momentan 5.000 Menschen.
Selbstverständlich forscht auch Facebook an KIs und erlaubt Nutzern in Großbritannien bereits, einen digitalen Nachlassverwalter in ihrem Profil zu bestimmen, der entscheidet, was nach ihrem Ableben mit dem Account geschieht. Diese Entscheidung obliegt aber, obgleich automatisiert aktiviert, letztendlich immer noch einem Menschen.
Wenn jedoch beispielsweise der Counterpart von Eter9-Gründer Henrique Jorge—wie vor einigen Tagen geschehen— selbstständig ein Townes Van Zant-Video postet, in dem der Sänger ansetzt: „Won’t you lend your lungs to me, mine are collapsing…”, dann versteht man, dass der Kaninchenbau doch etwas tiefer ist, als man auf den ersten Blick vielleicht erkennt.