Mod for Life: Eine Liebeserklärung an die Szene der 80er-Jahre

…geblieben war ihm der Style – denn es war der einzige Style.

Ich war Mod. In den 80er-Jahren, als ich 13 war. Damals war Wien in seinem eintönigen und heruntergekommenen Grau in Grau unendlich trostlos und langweilig, und es gab bloß zwei Jahreszeiten – nämlich Herbst und Winter. Wenn man hier ein wenig Spaß haben wollte, musste man sich selbst darum kümmern, und nicht wenige haben sich damals einer Subkulturgruppe angeschlossen. In Wien gab es deshalb Teds, Skins, Punks, New Romantics, Popper und eben Mods.

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Falls Ihr nicht wisst, was ein Mod ist, weil die 80er-Jahre für Euch vor allem verrückte Neonnetztops, Schulterpolster, Modern Talking und Miami Vice bedeuten, hier eine kurze Erklärung: Mods gibt es seit den frühen 60ern. Damals haben britische Jugendliche aus der Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht angefangen, ihren Kleiderstil nach den damals aktuellen italienischen Modetrends auszurichten.

Einerseits, um ihre proletarische Herkunft zu verschleiern und andererseits, um in die exklusiven Clubs rein- und an die heißen Upperclass-Girls ranzukommen. Die Hauptbeschäftigung der 60er-Mods war exzessives Trinken, Tanzen und Pillenschlucken (was einigen womöglich bekannt vorkommen mag) – und sich ab und zu mit Rockern prügeln.

Die erste Mod-Generation hat also am Puls ihrer Zeit gelebt und genau deshalb die von „Modernists” abgeleitete Bezeichnung für sich beansprucht. Die Revival-Mods der 80er-Jahre, zu denen auch ich zähle, haben dann wegen eines Films namens Quadrophenia die ganze Sache noch einmal aufgewärmt und auf der Suche nach alten Anzügen die Kleiderschränke ihrer Väter geplündert, sich auf Flohmärkten mit Oldie-Schallplatten eingedeckt und die Bezirke nach heruntergekommenen Tanzlokalen im Stil der 60er-Jahre abgeklappert. 

Das wirkt vielleicht ziemlich widersprüchlich zum Ansinnen der Original-Mods, die ja nichts anderes als die Hipster der 1960er Jahre waren. Als ich 16 geworden bin, war jedenfalls Schluss damit für mich.

Aber, und jetzt komm ich zum Punkt: Wer einmal Mod war, wird das ein Leben lang nicht mehr los. Damit meine ich weniger die Musik (obwohl ich mir immer noch gern ab und zu das Quadrophenia-Album von The Who anhöre), und auch nicht das Scooter-Fahren (obwohl ich nach wie vor eine kontinuierlich reparaturbedürftige Vespa mit Gangschaltung aus den 70ern im Hof stehen habe, die ich niemals gegen einen der neuen Piaggio-Allesautomatikplastikbomber tauschen würde).

“Meine Mod-Skills haben mich davor bewahrt, jemals eine Zipfelmütze oder einen Kuhfell-Cowboyhut aufzusetzen, bevor ich in den Club gehe.”

Ich meine eher ein bestimmtes ästhetisches Empfinden, das einem bleibt – vor allem bei der Auswahl der Garderobe. Spätestens seit den 2000ern befinden wir uns auch modisch im Loop der Postmoderne. Ständige 70s-, 80s- und 90s-Revivals führen uns die Ratlosigkeit der Designer (und die Nähe zum Mod-Style) ziemlich drastisch vor Augen. Die eklig-pickige Spießigkeit der 50er-Jahre, das auswuchernd-schmuddelige Gewuschel der 70er, die verdammt breiten Schultern der 80er, der üble Rave-und-Clubbing-Look der 90er – alles kommt ständig dauernd wieder.

Natürlich hab ich auch einige Modetrends mitgemacht: Cordglockenhosen in den 70ern (wobei, dafür waren meine Eltern verantwortlich), Röcke für Männer in den 80ern, Glatze und Camouflage in den 90er. Aber meine Mod-Skills haben mich davor bewahrt, jemals eine Zipfelmütze oder einen Kuhfell-Cowboyhut aufzusetzen, bevor ich in den Club gehe.

Nur damit das klar ist: ich rede ausschließlich von Männermode, wo wir spätestens seit Helmut Lang wissen: Ein smartes Sakko wird bis in alle Ewigkeit drei Knöpfe und ein schmales Revers haben, eine Anzughose muss – trotz messerscharfem Bug – immer tight sein, zudem knapp über den Fußknöcheln ihr Ende finden und darf keinesfalls den Schuh berühren (es sei denn, du trägst Chelsea-Stiefel), denn: Socken gehören gesehen!

Der Hemdkragen darf weder protzig oder verschämt sein, und schon gar nicht an die Flossen eines Hais erinnern; die Krawatte gehört schmal und auf französische Weise geknotet, weil: Windsor ist was für Butler und Bräutigamme.

Man muss sich nur die einfache Frage stellen: Welcher James Bond ist cooler, Sean Connery oder Roger Moore? Man kann es drehen und wenden, aber für Männer ist und bleibt der Mod-Look der beste aller Styles. Ab einem gewissen Alter – sagen wir mal spätestens mit 40 – sollte ein Mann ohnehin seinen Stil gefunden haben und sich nicht weiter an den weihnachtsmannbärtigen, ganzkörpertätowierten, getunnelten und Wangen-gepiercten Kids, vormals Hipster, orientieren.

Damit meine ich nicht, dass man ab dem 40. Geburtstag als soignierter Professor mit Cordsakko und Lederflicken an den Ellenbögen herumzulaufen hat – oder sogar, den Zigarren paffenden, Riesenweinglas schwenkenden Stecktuchgockel mit lächerlichem Golfschuhwerk zu geben. Es heißt auch nicht, dass man ständig im Parka herumschlapfen und Moped fahren muss.

Es heißt vielmehr, wie es der King Of The Mods Martin Freeman mit einem einzigen Satz auf den Punkt bringt: “Auf eine minimalistische Weise ein kleinwenig das Pfauenrad zu schlagen.” Seht euch doch einfach mal dieses Video von Ben Sherman bei der London Fashion Week an, die seit jeher das Gleiche machen und nichtsdestotrotz Prada, Gucci & Co. ganz schön im Regen stehen lassen. Sagt also nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt, wenn ihr demnächst mit grünen Augenbrauen, bodenlangen Zipfelmützen und Buffalos herumlauft. Der Mod-Style ist da, um auch euch zu erretten.

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Christopher Just hat an der Hochschule für Angewandte Kunst Malerei studiert und ist als einer der Pioniere der elektronischen Musikszene für einige Club-Hits verantwortlich. Anschließend wechselte er zum Schreiben. Der Moddetektiv ist im Milena-Verlag erschienen. Mehr dazu findet ihr hier.

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