Food

Mit 50 Euro ernährst du eine Familie einen ganzen Monat

Das World Food Programme braucht unsere Kohle

Dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) geht langsam aber sicher die finanzielle Puste aus. Aktuell engagieren sich Mitarbeiter des WFP sowohl in den von Ebola betroffenen Gebieten in Afrika, wo sie eine breit angelegte Hilfsaktion durchführen, als auch in anderen Krisenregionen Afrikas sowie im Nahen Osten. Eine mittlerweile nicht mehr zu stemmende Herkulesaufgabe für eine Organisation, die ausschließlich von Spenden lebt.

Vor wenigen Tagen gab das WFP bekannt, dass es sein Essensgutschein-Programm für syrische Flüchtlinge auf Eis legen muss, sollte man nicht umgehend 50 Millionen Euro auftreiben können. Denn ein Großteil der einst zugesagten Spenden ist leider nie eingegangen. Die sind aber nötig, weil das WFO, anstatt direkt Essen auszugeben, sogenannte Vouchers an Flüchtlingsfamilien verteilt. Diese kann man dann in örtlichen Geschäften gegen Nahrungsmittel eintauschen.

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Dem WFP zufolge benutzen momentan noch mehr als 1,7 Millionen Flüchtlinge—vor allem Frauen, Kinder und Familien—in Ländern wie Jordanien, Libanon, Ägypten und Türkei diese Essensgutscheine. Aber nicht mehr lange. Und jetzt ist auch noch der Winter im Anmarsch, weswegen WFP-Offizielle befürchten, dass sich die ohnehin schon prekäre Situation der Flüchtlinge (die vielerorts in einfachen Zelten schlafen und nicht einmal Schuhe besitzen) weiter zuspitzen wird.

Zur gleichen Zeit haben kaufwütige Kunden in Deutschland und den USA gerade Black Friday und Cyber Monday „gefeiert” und dabei vielen Unternehmen reichlich Geld in die Kassen gespült. Konkret wurden allein letztes Jahr in den USA umgerechnet 1,8 Milliarden Euro verdient—und das nur am Cyber Monday. Diese Tatsache ist auch dem WFP nicht entgangen, wo man hofft, dass die kauffreudigen Europäer und Amerikaner in der Vorweihnachtszeit zumindest auch ein bisschen an die Welthungerhilfe denken, damit das so wichtige Gutschein-Programm am Leben erhalten werden kann.

Um mehr über die finanzielle Notlage und die Arbeit des WFP zu erfahren, habe ich mit Bettina Luescher (Senior Communications Officer of Global Issues for North America) telefoniert.

MUNCHIES: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass dringend neues Geld für Essensgutscheine in Syrien benötig wird. Seit wann ist das Fehlen dieser Gelder schon ein Thema? Bettina Luescher: Momentan sieht die Situation vor Ort echt übel aus, weswegen wir uns schon jetzt gezwungen sahen, Teile des Voucher-Programms einzustellen, das aktuell 1,7 Millionen Menschen Zugang zu Essen verschafft. Aber eins muss man sagen: In Syrien haben wir gewissermaßen vom ersten Tag an von der Hand in den Mund gelebt. Bis vor Kurzem konnten wir Einschnitte immer noch irgendwie abwenden. Doch jetzt ist der Punkt erreicht, an dem es einfach nicht mehr geht, weiterhin Gutscheine an syrische Familien zu verteilen. Glauben Sie mir: Als Entwicklungshelfer vor Ort kann man sich nichts Schlimmeres vorstellen.

Wie genau geht die Verteilung der Gutscheine vonstatten? Es handelt sich um elektronische Voucher—sie sehen ein bisschen aus wie Kreditkarten. Ihr Vorteil ist, dass man sie schnell wieder mit Geld aufladen kann. Diese Karten wurden an die Gemeinden verteilt. Sobald wir wieder Geld haben, kann die Essenshilfe wieder anlaufen. Dafür ist es aber notwendig, dass die wohlhabenden Länder eine größere Spendenbereitschaft zeigen. Die Menschen in Syrien haben viele Jahre Krieg hinter sich, sie mussten ihre Heimat verlassen und Zuflucht bei Verwandten, Bekannten, vor allem aber in überfüllten Flüchtlingslagern in Nachbarländern suchen.

Insgesamt fehlen ja rund 50 Millionen Euro. Glauben Sie, dass auch Privatspender einen Unterschied machen können, oder ist Unterstützung vonseiten der Geberländer wichtiger? Wir brauchen die kleineren Privatspenden genauso wie die größeren der Geberländer. Vor wenigen Tagen erst war Cyber Monday und unzählige Leute haben sich mit neuen Klamotten und Elektrogeräten eingedeckt. Dagegen haben wir natürlich nichts, aber wenn dieselben Leute am Ende eines erfolgreichen Shopping-Tages nur 50 Euro ihrer immensen Ersparnisse auf der Seite wfp.org/syria an die Welthungerhilfe spenden würden, könnten sie damit eine ganze Familie ernähren, und das für einen ganzen Monat. Ist das nicht toll, dass man selbst von Europa und Amerika aus so viel ausrichten kann, ohne auf sein Leben mit all seinen Annehmlichkeiten verzichten zu müssen? Wir brauchen unbedingt auch die Spenden von Privatpersonen. Der Winter naht und viele der dort lebenden Menschen können nicht einmal ihre eigenen Kinder ernähren.

Abgesehen von der Flüchtlingssituation in Syrien, auf welche weiteren Herausforderungen muss sich das WFP in der nahen Zukunft noch einstellen? Wir kämpfen momentan an so vielen verschiedenen Fronten. Allein in der Ebola-Region haben wir mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Essen versorgt. Wir helfen zudem der gesamten internationalen Gemeinschaft, indem wir wichtige Hilfsgüter transportieren und Entwicklungshelfer einfliegen lassen. Außerdem sind wir auch in Konfliktregionen vertreten, die größtenteils schon wieder in Vergessenheit geraten sind—wie etwa im Südsudan oder in der Zentralafrikanischen Republik. Wie noch nie zuvor sind wir als humanitäre Organisation gleich an mehreren Orten gleichzeitig gefordert. Ohne ausreichende finanzielle Unterstützung ist das aber nicht möglich. Wir sind eben zu 100 Prozent auf Spenden angewiesen, darum gehört das Bitten um mehr Geld zu unseren Hauptaufgaben. Gerade jetzt, wo die Menschen aus Syrien dringend unsere Hilfe benötigen. Aus diesem Grund appelliere ich noch ein letztes Mal an alle Leser von MUNCHIES, auf unsere Internet-Seite zu gehen und etwas zu spenden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Spenden für das Voucher-Programm des WFP könnt ihr unter wfp.org/syria.

Oberes Foto: Photo Unit | Flickr | CC BY 2.0