Das Tolle an diesem ganzen Backstage-Gehänge sind doch die Entouragen, die Crews, die Gangs, die Cliquen – kurzum: das Rap-Anhängsel. Wen nun ein Rapper mit auf Tour nimmt, erzählt mit absoluter Sicherheit mehr über einen Künstler als jede noch so gut geschriebene Presse-Bio. Illustrative Beispiele: Ice Cube karrte einen kleinen Haufen alter Haudegen an, die körperlich gestählt in plakativen Cube-Bomberjacken im Türrahmen stecken bleiben und offensichtlich schon die ein oder andere Tour in den Neunzigern mitgemacht haben. Während sich Herr Cube langsam vom Gangbanger zum Kino-Kinderstar wandelte, lagen sie wohl nachts wach und fragten sich in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln würde.
Welche Rolle hingegen der nun wirklich alte Mann mit Strohhut auf seinem Klappstuhl am Rande der Bühne einnahm, kann ich bei bestem Willen nicht beantworten. Bei aller Beifälligkeit, mit der er die Geschehnisse um sich herum beobachtete, hätte ihm nur noch die Klischee-Packung Dominosteine auf dem Schoß gefehlt. Wichtig genug um bei mindestens zehn Tourstops im alten Europa auf seinem Klappstuhl Platz zu nehmen war er offensichtlich dennoch.
Wer im Bezug auf seine Entourage jedoch die absoluteste Bosshaftigkeit an den Tag gelegte hatte, war The Game. Man kennt ja aus Erfahrung so einige grimmige Weed-Carrier (alle Laien benutzen bitte einfach den Google Übersetzer), aber was der gute Game im beschaulichen Köln an L.A.-Straßenoriginalen auffuhr, lässt sich eigentlich nur auf Englisch auf den Punkt bringen: straight up goons. Unter denen sein offensichtlicher Sicherheitsbeauftragter (auch wieder in Bomberjacke) noch den weitestgehendst menschlichen Eindruck machte, es jedoch am eindrucksvollsten beherrschte, mir mit seiner abgenervten Art und Blickhöhe von 2,20m ein tiefgreifendes Gefühl der Überflüssigkeit zu vermitteln. Gleichzeitig war seine traurige Resignation nach unzähligen Tourtagen nicht zu übersehen.
Der Rest war einfach ein etwa sechsköpfiger Haufen ehemaliger bis noch aktiver Gangmitglieder, komplett in rot gewandet, samt tättoowierten Glatzen, feinsten Nike 7er Jordans und Gesichtern die Bände sprechen. Und natürlich dem passendem Goldschmuck, der im Vergleich zu meinem heimischen Rope-Chain-Imitat nicht bei jeder Bewegung blechern schepperte, sondern auf Dauer wohl wöchentliche Besuche beim Chiropraktiker sichern dürfte. Kurzum: genau der Haufen mit dem man gerne in eine deutsche Polizeikontrolle geraten würde.
Einige Stunden später saß ich mit DJ Maaleek, dem deutschen offiziellen Black-Wallstreet-DJ und wohl chilligsten Dude außerhalb Münchens, im Backstagebereich der Konzertlocation. Zuvor hatte sich im Publikum mindestens zehn bis fünfzehn neue Kölner Blood-Chapter gegründet, während Game auf der Bühne eine Flasche Wodka exte. Auf das Interview war ich deshalb umso mehr gespannt, rechnete mir gleichzeitig noch eine etwa zehnprozentige Chance aus, noch ein paar druckwürdige Gesprächsfetzen festzuhalten, als uns der Bomberjackenmann schließlich in den Vorraum zu Games „Garderobe“ winkte und mir abermals per Körpersprache und ungesenktem Blick klarmachte, dass ich hier seiner Meinung nach trotzdem absolut nichts verloren hätte. Schließlich hatten ihn die hier ebenfalls vertretenen Groupies bereits die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn gezaubert, die er sich genervt vom Kopf wischte um schließlich im Game-Zimmer zu verschwinden. Klar, dass er nun von mir zumindest anstandsloses Verhalten erwartete.
Wir standen also vor verschlossener Tür und gleichzeitig vor dem opulenten Catering, das bisher noch weitestgehend unberührt in den Metallschalen lag. Während ich die Blicke über die aufgefahrenen Köstlichkeiten schweifen lies, keimte in mir zugleich die Erkenntnis, dass nun hemmungsloses Rumgeschnorre meinem Interview wohl gleichzeitig eine etwa zweiprozentige Erfolgschance verpassen dürfte. So knapp vorm Ziel wollte ich mir diesen Schnitzer zumindest verkneifen.
Meine Hände verschwanden also in den Hosentaschen, als Maaleek mir auf die Schulter klopfte: „Weißte was, bedien dich einfach.“ Viel mehr aus Langeweile blickte ich also nochmal über das Buffet und griff nach kurzem Zögern pro forma nach einem Chicken-Wing als plötzlich hinter mir die Tür aufflog. Der nun endgültig erboste Securitymann stand hinter mir. Ich schluckte.
Die zu erwartende Standpauke blieb aus, doch was dann kam traf mich härter als es ein handfester Anschiss dieses L.A.-Bodybuilders hätte tun können. Es war die absolute Enttäuschung die der Zwei-Meter-Mann in seine Worte legte, sowie die Traurigkeit, die man nun in seinem Gesicht lesen konnte. „Why you messin with the food man? Come on, man.“
Was soll man sagen? The Game kann auch nach einer Flasche Wodka noch überraschend sinnvolle Interviews geben, seine Entourage blieb dabei mich für den wohl Whitest Boy Alive zu halten und mir das auch bei jeder Gelegenheit zu zeigen. Als echtes Highlight wurde mir schließlich noch ein Interview mit einem afrikanischen Konzertveranstalter ans Herz gelegt, der dort scheinbar einfach alles am Start hatte. Bamm! Was will man mehr?
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