Musikreviews der Woche mit Pissed Jeans, Adam Ant und Call of the Void

OFF WITH THEIR HEADS

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Epitaph

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Bei all der Dauerbeschallung mit modernistischer Soundraffinesse, die meint, die popkulturelle Sahne der letzten zwei Generationen mit dem Löffel und nicht ohne abgespreiztes Fingerchen gefressen zu haben, wussten wir schon gar nicht mehr, wie richtig ehrliche, nach Pils-Bäuerchen und Achselschweiß duftende Musik von Leuten klingt, die nur drei Akkorde und ein bisschen Liebe brauchen, um mit der Welt im reinen zu sein. Dank dieser in einer Tradition mit Against Me! und Dillinger Four die Kuh fliegen lassenden Punkrockhymnen sind wir zum Glück nicht schlauer, aber wir wissen endlich wieder Bescheid.

CLEVER & SMARTASS

ADAM ANT
Adam Ant Is The BlueBlack Hussar Marrying The Gunner’s Daughter
BlueBlack Hussar/ALIVE

Selbstmordversuche, Nervenzusammenbruch und dann die Geschichte als er durch das Panoramafenster eines Pubs gesprungen ist—um den guten alten Adam war es die letzten Jahre nicht gut bestellt. Aber jetzt ist der Prince Charming bzw. King of the Wild Frontiers in all seinem Glam zurück, mit neuen Haaren am Bandana und 17 Songs, die in ihrer eklektischen, manchmal grenz-dilettantischen Zickigkeit noch am ehesten an sein (inzwischen) legendäres Debüt Dirk Wears White Sox erinnern. Marrying The Gunner’s Daughter nannten es die Seebären, wenn jemand auf die Kanone gebunden und ausgepeitscht wurde – Adam ist schon immer zur Höchstform aufgelaufen, wenn es etwas kinky wurde …

JJ JORDAN

PISSED JEANS
Honeys
Sub Pop/Cargo

Gerade wollte ich die alte Journalistenfloskel anbringen, wonach Pissed Jeans mit Album Nummer vier so was wie ihre „innere Mitte“ gefunden hätten, da fiel mir auf, dass die innere Mitte einer vollgepissten Jeans nicht unbedingt ein Ort ist, an dem man sich längere Zeit aufhalten möchte. Aber in gewisser Weise ist das ja gerade das Markenzeichen dieser nach wie vor famosen Band: Sie gehen bevorzugt dahin, wo es weh tut und besingen jene verwirrenden Momente, die uns zugleich ekelerregend fremd und peinlich vertraut vorkommen. Es ist, als ob Über-Ich und Es zusammen alte Familienalben durchblättern und sich dabei gegenseitig Deine-Mutter-Witze erzählen. Ein Feuerwerk aus Hysterie, blinder Wut und verdammt guter Laune.

FRIGMUND ZEUS

CALL OF THE VOID
Dragged Down A Dead End Path
Relapse

Eines dieser Debütalben, nach denen Bands eigentlich aufhören können. Es ist alles in Trümmern, bereits aufgekehrt und in einen Eimer geschüttet. Chaos kondensiert. Reinschauen besser nur mit einem, fast zugekniffenen Auge, und den Rest der Szenerie zusammenglauben: Call of the Void haben dem Grindcore ihre in Satans eiskaltem Sperma gehärtete Stahlfeile ordentlich übergewichst—wer das etwa episches Riffing nennt, schreckt auch vor der Behauptung nicht zurück, die Präzision, den wahnsinnig ausgeklügelten Mörderplan ganz ohne Beleuchtung erkannt zu haben, in diesem dunklen Tunnel, dieser Grube, diesem Wahnsinnsschlund, in dem Pendel unablässig schwingen und wie Schlangen zischeln, wenn sie wieder ein Stück Verstand zersäbeln. Nur richtiger Lärm gebiert solch tolle Gespinste. Billig zuhause nachstellen, mit einem Zinkeimer über dem Kopp, gegen den der Ifrit, der sich als dein bester Freund bei dir eingeschlichen hat, unerbittlich mit der Holzkelle hämmert, ist sowieso fürn Arsch.

CRAWFORD TILLINGHAST

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