Musikreviews des Monats mit Step Brothers, OM Unit, Unmap und viel mehr

STEP BROTHERS
Lord Steppington
Rhymesayers

Die Step Brothers sind der konstant high quality output aufs Fließband schiebende Evidence und der von jeder beatbedürftigen Booth-Größe mit ausgerolltem roten Teppich begrüßte Alchemist. Jetzt könnte man denken, bei diesem Joint Venture wird unter Gamechanger nicht aufgestanden, aber vielleicht sollte man einfach nicht so viel denken und ebenfalls seltener aufstehen. Die Homeboys machen es vor. Völlig unkalkulierter, dem Fetisch für Samples, die sie von abgenudelten Platten ziehen, und geloopte Geek-Artefakte hemmungslos nachgebender, in seltenen Hooks sich bis in die Dire-Straits-Zitathölle delivernder, mit Underground-Cocktailkirschen wie Action Bronson, Roc Marciano oder Styles P gespickter, Smoke-vernebelter Old-School-Irrsinn, der deshalb so gut ist, weil er das noch nicht mal nötig zu haben scheint.
PEE STYLES

Videos by VICE

CAPTAIN GIPS
20.000 Meilen unter dem Yeah
Audiolith/Finetunes/Broken Silence

Nach sechsmonatigem Hafti-Konsum ist mir Captain Gips eine durchaus willkommene Abwechslung. Tatsächlich setzt die neueste Episode aus dem Audiolith-Zeckenrap-Spektrum einen gelungenen Kontrapunkt zur Offenbacher Azzlack-Armee. Denn während diese eine Menge Scheine verdient, aber eben auch den ganzen Tag hustlen muss, da zeigt der Captain, dass er auch ohne einen Cent in der Tasche Spaß haben kann. Dieses Lebensgefühl überträgt sich in ein paar sauber produzierte und sehr musikalisch daherkommende Rap-Joints, die smart genug sind, um auf einen allzu nervigen Zeigefingereinsatz zu verzichten (und um Ira Atari einen schaurig-schönen Coco-Rosie-Refrain singen zu lassen). Da kann ich sogar den Phantomschmerz verkraften, der jedes Mal entsteht, wenn Gips darauf verzichtet, Wörter wie „Landgang“ oder „Sandmann“ auf „Pumpgun“ zu reimen.
RC DA KOKEE

BESTES ALBUM DES MONATS

L.B. DUB CORP
Unknown Origin
Ostgut Ton

In einer fiebrigen Nacht muss good old Slater-Luke einstmals dieses Moniker in seinen Technikpark geschwitzt haben und anstatt zur Antibiotika-Keule zu greifen, konservierte er glücklicherweise die ihm aufleuchtenden Proto-House-Phantasmen, Dub(Techno)-Geister, schamanischen Tribal-Klopfzeichen und spacigen Analog-Bumms-Halluzinationen. Diesmal sogar langformatig, zu einer ewigen Sonne von einem Album, das man mindestens das essenzielle Ostgut-Release, aber auch bedenkenlos eines der wichtigsten 4/4-Statements des Jahres überhaupt nennen darf.
DUB SPENCER

OM UNIT
Threads
Civil Music

Wenn, wie jetzt gerade, alle zwei Stunden irgendwo auf der Welt ein Boiler Room den Grundbass des Post-Hipstertums in den Äther drischt und alle drei Stunden irgendeiner dieser auf alter Hard- und neuer Software graduierten Wunderknaben die Renaissance eines dieser Mikro- oder Makro-Genres abseits ausgelatschter 4/4-Pfade in das Release-Register einer dieser warpigen, hyperdubbigen, ninjatunigen Geek-Tempel hineinklackert, dann muss die Frage erlaubt sein, ob der Markt für diesen ganzen Kram nicht irgendwann gesättigt ist. Wenn dann aber Jim Coles alias Om Unit auf seiner Mission der Tiefenforschung in den besonders niedrigen und den besonders hohen bpm-ranges zu absoluter Hochform aufläuft und mit Threads ein makelloses, seelentiefes Allrounder-Manifest on top of the game legt, dann wobbelt im Subbass auch immer die Erkenntnis, dass es von geilen Alben einfach nie genug geben kann.
SCHACHTEL SCHATZ

LAUREL HALO
Chance of Rain
Hyperdub

Laurel Halos vielgelobtes Debütalbum Quarantine erinnerte mich gelegentlich an eine posttraumatische Therapiesitzung, bei der eine ehemalige Ninja-Kriegerin ihre Schlafstörungen aufarbeitete, während im Hintergrund eine Miles-Davis-Platte lief. Auf dem jetzt erschienenen Nachfolger pochen gefühlskalte Maschinenbeats unter den verjazzten Akkordfolgen und Halos Stimme ist gänzlich verschwunden. Vielleicht hat sie die Therapie einfach abgebrochen und sich ihrem Schicksal ergeben. Besser so, denn wie jeder Turtles-Fan weiß, ist das Ninjakriegerdasein kein Beruf, sondern eine Berufung, die man ein Leben lang mit sich herumträgt. Da kann man es sich genauso gut in der Dunkelheit bequem machen und den gelegentlich vorbeispazierenden Partytouristen einen Wurfstern in die Halsschlagader feuern.
MASTER SPLINTER

BESTES COVER DES MONATS

MESSER
Die Unsichtbaren
This Charming Man

Wenn ich bei so einem Konzert vor Messer stehe und sich ihr Sänger in seinem Aspergischen Overacting ergeht, dann weiß ich immer nicht, ob er mir lieber ins Gesicht kotzen möchte oder ob er eine Umarmung benötigt. Das ist ein verstecktes, aber sich durchschwelendes Problem auch dieser Platte. Messer können nicht ohne den Zynismus als Bewältigungskrücke, sind aber eigentlich Hippies im Herzen. Für den radikalen Schritt in die eine oder die andere Richtung fehlt der Mut. Auf der anderen Seite ist ihre Überhöhung der Zerrissenheit so nah wie nie an den alten Meistern. Will man als Zuspätgeborener die Temperatur des deutschen (teilweise auch britischen) Proto-Postpunks simulieren, wird man von jetzt an immer wieder zu diesem Album greifen.
SUSIE SCHUH

RUSSIAN CIRCLES
Memorial
Sargent House

Instrumentale Rock-Musik wie eine Sandburg, die in ihrer Komplexität an M.C. Escher erinnert, aber trotz aller Sorgfalt in der Konstruktion dazu verdammt ist, mit der nächsten Welle oder einer steifen Brise zu verschwinden. Den Titel Memorial unterlaufend, macht es uns die ornamentale Musik schwer, eine genaue Erinnerung an sie zu bewahren. Das könnte am Ende natürlich auch Absicht sein. Vielleicht schafft es das Trio aus Chicago wie Godspeed You! Black Emperor, ihre Musik im Soundtrack eines größeren Films unterzubringen, das wäre verdient—ansonsten bleibt der gemeinsame Song mit Chelsea Wolfe das Maximum der Gefühle.
COL. KURTZ-MAHLER

SCHLIMMSTES ALBUM DES MONATS

SKELETONWITCH
Serpents Unleashed
Prosthetic/Sony

Uns wäre es auch recht, wenn sich alle Schreiber darauf einigen könnten, fortan auf Witze über die Namen von Menschen UND Bands zu verzichten. Aber nur mal kurz: Skeletthexe? Echt? Egal, man ahnt ja nicht, wie groß die tun, wo die schon überall gespielt haben, auf welchen Titelblättern sie zu bewundern waren und wie viele ihrer fünf Alben in den Billboard Charts notiert wurden (eins auf Platz 151). Bands wie diese geben den klassischen Indie-Klugscheißern der vergangenen Jahrzehnte das Gefühl, doch richtig gelegen zu haben: Metal ist was für Deppen, von Deppen.
GÖTZ KÜHNEMUT

MELVINS
Tres Carbrones
Ipecac

Voller Stolz gab King Buzzo kürzlich bekannt, dass es ihm gelungen ist, noch einmal dass originale Band-Line-Up von 1983 zusammenzutrommeln. Das bedeutet zwar im Grunde nur, dass er und Crover irgendwo den Typen ausgegraben haben, der vor 30 Jahren mal ein paar Monate Schlagzeug gespielt hat—aber hey, eine authentischere Melvins-Erfahrung kannst du quasi gar nicht bekommen. Also zumindest wenn man davon absieht, dass wir nicht mehr 1983 haben, wie sich den drei Herren bei einem Blick in den Spiegel eigentlich auch unweigerlich offenbaren sollte. Als ich das neuste Bandfoto sah, lief es mir auf jeden Fall eiskalt den Rücken runter und ich hörte das unerbittliche Ticken der allmächtigen biologischen Uhr noch etwas deutlicher als sonst. Da hilft nur aus der Not eine Tugend machen, die neuen Songs, die wie alte Songs klingen, etwas lauter zu drehen und der Realität vorübergehend den Rücken zu kehren. Denn der König ist vielleicht vergessen, aber eben immer noch nicht ganz tot.
NEIL OLD

RISING
Abominor
Indisciplinarian

Ihr nicht unbedingt zwingendes, aber dennoch mehr als annehmbares Album-Debüt The Solemn Ash auf Exile On Mainstream sorgte hier wie dort für Aufmerksamkeit, die mit diesem zweiten und „finalen” Album garantiert verspielt wird. Nach dem Ausstieg des Bass spielenden Sängers und des Schlagzeugers ist Jakob Krogholt das einzig verbliebene Mitglied. Er will mit dem Original-Drummer weitermachen und aus irgendeinem Grund meint er, zuvor noch dieses Album veröffentlichen zu müssen—zur Not eben selbst. Eine begleitende Tour oder Konzerte soll es nicht geben. Wie trist kann es noch werden?
FRANK SAGAN

THISQUIETARMY
Hex Mountain
Denovali

Wir nehmen dieses Album zum willkommenen Anlass, mal wieder ein paar nörgelndnervende Puristen zu verprellen. Jawohl, die One Man Army Eric Quach ist vor allem auch deshalb einer unserer Lieblings-Dronies, weil man sich in seinen Sounds nicht nur perfekt ersäufen kann, sondern aus der Erfahrung immer auch Erinnerungen in ein neues Leben mitnehmen darf. Sicher, der Thisquietarmy-Backkatalog wuchert wie Unkraut—aber noch könnten wir zu jedem vollen Album eine Geschichte erzählen—was sag ich: Dunkle, obskur mäandernde Romane könnten wir ausbreiten, aus denen über perfekte Spannungsbögen walwellenmächtige Epen erwachsen. Solche Geschichten, die du freilich nicht hören willst, weil allein schon jedes Wort, jede Silbe, wie ein Krebsgeschwür ist, ein bösartiges, sich immer breiter fressendes Alien, welches schleimige Membranen zwischen dich und den reinen Klang geifert. Ja, und ist gut—wir halten ja schon die Schnauze.
BUDDY BAKER

BEST COAST
Fade Away
Kobalt/Rough Trade

Drei Akkorde, zwei Menschen, eine Melodie—Best Coast halten an ihrem bewährt minimalistischen Sound fest und ich fühle mich umgehend an ein Thermals-Konzert von vor ein paar Jahren erinnert, bei dem ein Typ mit Skinny Jeans und Nirvana-Shirt meinte, mir ohne Vorwarnung in den Nacken kotzen zu müssen. Die Odeur dieser herb-säuerlichen Überraschung sitzt bis heute in meiner Nasenscheidewand fest. Das würde bei Best Coast nie passieren, dafür läuft bei ihnen alles viel zu zivilisiert ab. Ihre gefälligen Songs schmiegen sich elastisch in deinen Gehörgang, freilich ohne dort tiefere Spuren zu hinterlassen. Was, wie du siehst, nicht in jedem Fall ein Nachteil sein muss.
WOLFGANG POOP

UNMAP
Pressures
Sinnbus

„Best of both worlds“ nennt man das ja normalerweise, wenn das Konzept von Carsharing erklärt wird, Pommes auf Pizza überbacken werden, oder man von einem Hetero-Pärchen auf einen Dreier eingeladen wird. Im Fall von Unmap ist’s einerseits die Knackigkeit der Bodi-Bill-Beats, also diese wunderbar exakte Programmierung, ohne das Ganze musikalisch seelenlos klingen zu lassen, im Gegenteil—und andererseits dazu die Gänsehautstimme von Mariechen Danz. Wie bei der Geekpizza lässt dann zwar der Überraschungseffekt nach ein paar Bissen bzw. Songs deutlich nach (Hausaufgabe: Übertragung dieses Vergleichs auf den Bett-Dreier)—aber auf den Geschmack gekommen ist man trotzdem. Einmal Carsharing, immer bi.
MISTER PIGGY

PERERA ELSEWHERE
Everlast
Friends of Friends/!K7/Alive

Die Jahcoozi-Sängerin Sasha Perera ergründet in ihrem neuen Projekt die Untiefen des 90er-Trip-Hops. Das klingt in munteren Momenten wie eine beschwingte Version von Massive Attack, manchmal aber auch eher wie die Jam-Session am Ende einer Pädagogen-WG-Party, bei der ein paar völlig breitgekiffte Zottel mit letzter Kraft dem Didgeridoo oder der Wandergitarre ein paar mühsame Töne entlocken und dabei leicht schizophren vor sich hinsummen. An diesem Punkt der Party gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Das Silberbesteck einstecken und so schnell wie möglich abhauen oder einmal kräftig an der Bong ziehen und mitsummen. Eine Entscheidung, die wir dir nicht abnehmen können.
LUTHER WALROSS

WYMOND MILES
Cut Fourself Free
Sacred Bones

Turn On The Bright Lights war eine dieser lebensverändernden Platten in Sachen musikalischer Sozalisation, und das erwähne ich auch nur, weil der zweite Track auf Cut Yourself Free („Passion Plays“) so sehr nach Oldschool-Interpol klingt, dass ich vor Freude flennen oder Gänsehaut bekommen wollte: abgeklärte Coolness von Musikern ohne Perspektive, aber mit gut sitzenden Anzügen. Der meiste Rest der Platte kann sich leider nicht so recht entscheiden zwischen einer einschläfernden Hommage an The Cure und eher wenig-sensationellem New Wave, wie es ihn eben schon viel zu oft gibt—andererseits & zugegebenermaßen sind das ja auch keine wirklich guten Gegenargumente.
ELTERN JOHN

WOODEN SHIPS
Back To Land
Thrill Jockey

Wie ist es da oben an der Spitze, Wooden Shjips? Wie ist es so, wenn die anderen, die psychoaktive Schrammeleien versuchen, einem bestenfalls an der Kimme riechen? In der Tat beherrscht, das Kannibalisierungs-Spin-Off Moon Duo außer Acht gelassen, kaum jemand den Brückenschlag zwischen antiquierten Psychedelia eingedenk Flanger-Gitarren und futuristischen Jams im Sternenstaub so entrationalisiert und trotzdem über­catchy wie die Wooden Shjips. Und so beantworten sie die eingangs aufgeworfene Frage auf diesem neuen Album mit einem eindeutigen: ziemlich geil.
RONNIE HOLZ

SAINT RICH
Beyond The Drone
Merge

Aha, das ist also dieses „Alternative“-Genre, von dem alle reden. Wenn man das Gefühl hat, dass die Musiker einen Song neu von vorn anfangen müssten, wenn sich live mal einer verspielt. Wo sich alle ein biss­chen ernster nehmen als nötig, jedenfalls lang nicht unernst genug, dass man wirklich hörbar Spaß hätte an der eigenen Musik. Die Jeansjacken schwarz und die Zigaretten light—also im Prinzip schwiegermutterkompatibel harmlos. Aber die wilden Jahre sind halt auch echt mal vorbei, seit wir alle schon 30einhalb sind, wa? Den Spaß gibt’s am Kicker-Tisch.
GNIEDEL WUTZ

VV BROWN
Samson & Delilah
Yoy Records

In einem Interview ließ Frau Brown verlauten, dieses Album sei „the closest you’ll get to sitting in a room with me and kissing me“. Seitdem träume ich von latent überproduzierten, schwer rhythmisch-perkussiven, aber auch ziemlich oberflächlichen Knutschorgien mit ihr alb. Nichts gegen Austausch oraler Körperflüssigkeiten prinzipiell: Aber um mich rumzukriegen, darf man das gern ein bisschen subtiler anstellen. Samson & Delilah klingt aber eben auch mehr nach Kennenlernen in einer halbwegs entspannten Bar bei guten Drinks und nicht völlig stockbesoffenem gemeinsamem Heimweg—dann geht das mit dem Körperkontakt schon in Ordnung. Muss ja nicht immer alles düster und manisch sein.
TIFFY VON BÖDEFELD

SCHLIMMSTES COVER DES MONATS

SPAIN
The Morning Becomes Eclectic Session
Glitterhouse

Eigentlich hat sich Josh Haden seinen Platz im Pantheon des Trübsinns-Kuschelrocks mit seiner lullewarmen Stimme bereits vor Jahrzehnten erschmeichelt. Aber weil wohl Haden hier angekommen nur noch an seinen Lorbeeren rumspielte, konnte man seine Band Spain zwischen den umtriebigeren Halbgöttern bald ohne Angst vor Blitz und Donnerschlag übersehen. Auch diese nun veröffentlichte Livesession, die vor allem Stücke des verhaltenen Comebacks aus dem letzten Jahre noch einmal ohne Politur in die Auslage stellt, deutet eher auf Hybris als auf Kreativität. Das Stück „Spiritual“ schließlich klingt so ekelerregend hilflos und jammergeil, dass ich mich nur noch mit der Gewissheit tröste, dass Haden der Marmorsockel eh bald wegbricht.
JESUS KENT HELPUNOW

CHELSEA WOLFE
Pain Is Beauty
Sargent House

Die dunkle Fee mit der Burzum-Coverversion, die sich weniger in skandinavischen Wäldern als in L. A.s sunny Sprawls verlustiert und role-modelnd durch die Kollektiv-Träume neo-gothiger Kajaltussis spukt, hat zum Entzücken der internationalen Kritikerschar nach Apokalypsis (2011) und Unknown Rooms (2012), ihr drittes Album Pain Is Beauty veröffentlicht. Präsentierte sie sich zuvor als eine Chanteuse der Untoten, komplett mit leeren Augen im Zombie-Chic, kommt das aktuelle Cover einer Empfehlung an David Lynch gleich. Ähnlich hat sich die Musik entwickelt. Auch wenn sie live, wie wir erst kürzlich feststellen durften, immer noch mal ganz gerne auf die Donnerpauke haut, erinnert ihr spezifischer „Folky Doom“ in konservierter Form mittlerweile an blutrote Lounges und den alten Bohren-Titel „Dangerflirt mit der Schlägerbitch“ … Interessant, aber nicht ganz ungefährlich.
HOPELESS SANDOVAL

VEX RUFFIN
Vex Ruffin
Stones Throw

Eigenartige, kühle, unangenehme, unentschlossene Platte. Also von vornherein erst mal genau so super wie ein Suicide-Wannabe maximal sein kann, über die Länge von zwölf Tracks dann aber doch ein klein wenig ideenlos—also repetitiv dann nicht im manischen, sondern im langweiligen Sinn. Und trotzdem an keiner Stelle unangemessen gewollt, eher Postpunk aus sich selbst heraus, referenzlose Abgefucktheit. Ergibt das Sinn? Eigentlich auch egal.
KALEU DE SKOP

OMAR SOULEYMAN
Wenu Wenu
Domino

In einer rund 20-jährigen Karriere als Hochzeitsmusiker hat sich Omar mit seiner ganz eigenen Interpretation syrischer Volksmusik einen Legendenstatus im Nahen Osten erspielt. Für ein Studioalbum hatte er weder Zeit noch Muße, aber irgendwann tauchten Bootlegs und Youtube-Clips auf, Björk bat um ein Remix von Biophilia und schließlich klopfte kein geringerer als Kieran Hebden alias Four Tet an die Tür des beinahe 50-jährigen Mannes mit dem Kopftuch und der patriarchalen Aura eines Ölscheichs. Nun ist das von Hebden produzierte Album da, und mit ihm ist zugleich eine neue Ära der elektronischen Musik und eine neue Ära der Völkerverständigung angebrochen. Gut möglich, dass demnächst in Neukölln aus Studenten-WGs, Teehäusern und mattschwarzen BMWs ein und dieselbe Platte schallt. Souleyman ist also so was wie Thilo Sarrazins schlimmster Albtraum, und allein dafür muss man ihn gern haben.
OTTFRIED MISCHER

SIMON FISHER TURNER
The Epic Of Everest
Mute

Ein Soundtrack zur Verfilmung einer Expedition auf den Mount Everest, der vermutlich niemanden interessieren wird, der die dazugehörige Verfilmung der Expedition auf den Mount Everest nicht gesehen hat oder sich generell ­weniger für das Genre „Verfilmungen von Expeditionen auf den Mount Everest und deren Soundtracks“ begeistern kann, oder zumindest für „70 Minuten Bläser-Instrumentals“. Ich gehöre leider zu den Außenstehenden, und auch nach 70-minütigem Nachdenken fällt mir niemand ein, dessen Hobbys so speziell sind. Trotz Cosey Fanni Tutti, die da laut Booklet auch irgendwas gastgeblasen haben soll. Verzeihung, ehrlich.
KRIS KARTER

WILLIAM SHATNER
Ponder The Mystery
Cleopatra

Bei Shiva und Vishnu, das sieht aus und klingt als hätte man es gerade vom New-Age-Grabbeltisch runtergeramscht. Zahnschmelz-erweichende Soli von Steve Vai und Mick Jones (Foreigner). Saxofon- und Flöten-Gebläse von Nik Turner (Hawkwind). Old Men’s Weihrauchkränzchen mit Yes-, Doors-, Tangerine Dream- und Captain-Beefheart-Beteiligung. Hallräume in Fahrstuhlkabinengröße. Ein Weltraumkapitän, der das Eingebungslicht des Lebensabends in wauzige Analogien räsoniert. Lebensweisheit oder Altersirrsinn? Überhaupt: Hätte sich das hier irgendjemand bis zum Ende angehört ohne Kirk am Steuerknüppel? Vermutlich nicht. Aber einmal gefangen in dieser Kontrastspalte zwischen überkitschigem, softproggigem AOR und Tränendrüsen massierender Altersheimgrübelei, erwächst aus der Paradoxie irgendwann ein krudes, meisterliches Alterswerk. Nebenbei: Ob geplant oder nicht—könnte es überhaupt einen Sound-subversiveren Move als das hier geben?
PETER PANFLÖTE

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