So flucht und beleidigt man in Europa

Egal wie viele Stunden deines Lebens du schon mit Yoga und Achtsamkeit verbracht hast, manchmal ist das Einzige, das dir durch eine harte Situation hilft, ein ehrliches Schimpfwort—ein aus tiefstem Herzen hervorgestoßener Fluch in Gottes Ohr. Wenn du dir den kleinen Zeh anstößt, wenn Genitalien mit Reißverschlüssen Bekanntschaft machen, oder wenn du dich gerade im Straßenverkehr befindest und das auf viel zu viele andere Menschen zur selben Zeit zutrifft: fluchen und schimpfen sind die Lösung. So weit wie möglich wirst du andere für dein Problem verantwortlich machen wollen, doch das mit Fäusten auszudrücken, ist keine gute Idee. Eine gut formulierte Beleidigung kann doch viel besser sitzen als jeder Schlag.

Das Fluchen haben wir alle gemeinsam. Es eint uns als Menschen, doch die Art und Weise, wie wir es tun, ist stark von der Sprache abhängig. Wir haben unsere europäischen Kolleginnen und Kollegen gebeten, die kulturellen Schätze ihrer Beleidigungen und Flüche mit uns zu teilen.

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Alle Illustrationen von Timo ter Braak

Italien

Eine der faszinierenden Eigenschaften des Italienischen ist es, dass der Wortschatz fürs Fluchen und Schimpfen so umfangreich ist, dass man eine richtige Unterhaltung führen könnte, die nur aus Schimpfwörtern besteht. In Italien werden schlimme Wörter allgemein anstelle von kurzen Interjektionen oder ganzen Ausrufesätzen verwendet. Und sie können eine große Bandbreite von Emotionen abdecken: „cazzo” oder „minchia” (Schwanz), „merda” (Scheiße) oder „figa” (Fotze) können je nach Situation alles von Enttäuschung über Überraschung bis hin zu tiefster Zufriedenheit ausdrücken. Wer allerdings auf Italienisch beleidigen will, zielt auf die Angehörigen: „figlio di puttana” (Hurensohn) oder „mortacci tua” (ein Fluch auf die toten Verwandten des Feindes).

Gott, die Jungfrau Maria und Jesus zu verfluchen, ist ebenfalls eine alte italienische Tradition. Hauptsächlich wird dabei der heilige Name mit einem anstößigen Wort, Namen oder Tier kombiniert. Anders als die anderen italienischen Flüche sind diese blasphemischen Schmähungen allerdings blumig und wortreich—je länger, desto besser.

Der beste Fluch der italienischen Sprache kommt aber aus Mittelitalien und lautet „Li mortacci tua, de tuo nonno, de tua madre e die ¾ daa palazzina tua”. Übersetzung: „Fick deine toten Verwandten, und die deines Großvaters, und die deiner Mutter, und die von drei Vierteln deines Wohnblocks.”

—Alice Rossi

NOISEY: Verfickte Scheiße—Das sind die Musiker, die laut einer Studie am meisten fluchen

Serbien

Wenn Serbien reich an etwas ist, dann sind es Schimpfwörter. Der renommierte serbische Linguist Vuk Karadzic, der eigenhändig die serbische Sprache reformiert und das erste Wörterbuch sowie die erste Übersetzung des Neuen Testaments in dieser Sprache geschrieben hat, war auch der Erste, der Flüche als Teil unseres sprachlichen Erbes anerkannt und sie dementsprechend aufgelistet hat.

Die Menschen, die uns am wichtigsten sind, werden auch zum Ziel der meisten unserer Flüche: Mütter. „Jebem ti mater” oder „Ich ficke deine Mutter” ist die Mutter aller Flüche, von der sich alle anderen ableiten. Allgemein drehen sich viele unsere Flüche um Vaginen: „Pizda ti materina” bedeutet zum Beispiel „Ich ficke die Fotze deiner Mutter”. Variationen dieses Themas gibt es viele, darunter „Lass einen Hund die Fotze deiner Mutter ficken”. Wenn du jemandes Männlichkeit beleidigen willst, dann wird es homophob, mit Sätzen wie: „Du wirst Abscheu vor Fotzen haben und nur Schwänze mögen”. Alternativ kann man jemanden auch einfach als „stinkende Titte” bezeichnen.

Aber wenn man es ganz gründlich machen will, dann muss man den ganzen Stammbaum verfluchen: Du könntest es ganz klassisch sagen, mit „Ich ficke alle Verstorbenen deiner Familie und deine Nachkommen und Vorfahren”, ein bisschen gehobener mit „Ich ficke dein Blut, deinen Samen und deinen Stamm”, oder „Ich ficke die erste Reihe bei deiner Beerdigung”.

Etwas höflichere, aber dennoch effektive Flüche sind „Ich scheiße in deinen Mund” oder „Ich scheiße auf deinen Rücken”. Der verwirrendste Fluch unserer Sprache ist allerdings: „Ich ficke deinen Schwanz in eine Fotze”. Seit Generationen zerbrechen sich Experten den Kopf darüber, wie das machbar sein soll.

—Magda Janjic

Rumänien

Die Fluch-Kultur Rumäniens steht auf drei Grundpfeilern: Oralsex, Mütter und Christus. Das verbreitetste rumänische Schimpfwort ist „muie”, was grob übersetzt „lutsch meinen Schwanz” bedeutet. Wir verwenden „mein Schwanz” auch zur Betonung in ganz normalen Gesprächen, so wie die Polen „kurva” (Hure) sagen.

Der kreativste Mütter-Fluch auf Rumänisch ist: „Să mă fut în mă-ta”, was übersetzt so viel heißt wie „Ich will mich in deiner Mutter selbst ficken”. Angesichts dieser Tatsache sollte es niemanden überraschen, dass „Mutter” seit Jahren eines der häufigsten Porno-Suchwörter aus Rumänien ist.

Die kontroversesten rumänischen Flüche handeln von Religion. Obwohl 81 Prozent der Rumänen und Rumäninnen sich als christlich-orthodox einstufen, sagen die meisten Leute hier „futu-ți Cristoșii și Dumnezeii mă-tii”. Das bedeutet „Ich werde die Götter und Christusse deiner Mutter ficken”. Nein, das ist kein Tippfehler, sondern wirklich Christus im Plural.

—Mihai Popescu

Frankreich

Französische Schimpfwörter von heute sind ziemlich langweilig im Vergleich zu denen, die wir uns im Mittelalter haben einfallen lassen. Von dieser Zeit an bis etwa ins 18. Jahrhundert haben alle von Bauern bis hin zu Aristokraten Wörter wie „gourgandine” (Prostituierte) oder „Sacrebleu” gerufen, was schwer zu übersetzen ist: Im Grunde handelt es sich um eine altmodische Verballhornung eines blasphemischen Fluchs. Das waren einfach noch spannendere Zeiten. Damals haben sich Franzosen auch Dinge wie „Jean-foutre” an den Kopf geworfen, eine direkte Entsprechung der derben (und sehr alten) deutschen Beleidigung „Hundsfott“.

Französische Menschen von heute sind weniger kreativ mit ihren Flüchen: Sie verwenden homophobe Beleidigungen wie „PD”, „fiotte” oder „tarlouze”, oder einfachere Wörter wie „connard” (Vollidiot). Dann sind da natürlich „pute” (Hure) und „salope” (Schlampe). Zum Glück gibt es in Frankreich auch noch einige Phrasen, die ein weniger eloquent sind, wie „Va te faire mettre”—das heißt so viel wie „Geh und mach’s dir” und findet grundsätzlich Anwendung, wenn jemand sich unbedingt verpissen soll.

—Julie Le Baron

Die Niederlande

Im Gegensatz zu den meisten ost- und südeuropäischen Kulturen wird auf Niederländisch kaum gegen die Mutter des Gegenübers gewettert. Wir gehen da ein bisschen direkter vor und wünschen dem Feind einfach einen Haufen tödlicher Krankheiten an den Hals. Im Laufe der Jahre waren verschiedene Seuchen beliebt, von „klere” (Cholera) und „pest” über „tyfus” und „tering” (Tuberkulose) bis hin zu „pokke” (Pocken).

In letzter Zeit ist aber „kanker” (Krebs) das beliebteste Schimpfwort in den Niederlanden, auch wenn das ein bisschen kontrovers ist, weil Krebs in der heutigen Welt im Vergleich zur Pest schon ein ernstes Problem darstellt. Es ist ein vielseitiges Wort, denn du kannst es verwenden, wenn du dich ausgesperrt hast und dein Handy sich in der Wohnung befindet („Kanker!”), aber du kannst es auch mit anderen Wörtern kombinieren. Ein Typ, den du scheiße findest, ist ein „kankerlul” (Krebsschwanz) und das weibliche Gegenstück ist „kankerhoer” (Krebshure).

Diese Krankheiten können auch zur Steigerung oder sogar als etwas Positives verwendet werden. Wenn das Fitnessstudio gerade extrem voll ist, dann ist es dort „teringdruk” (Tuberkulose-voll), und wenn du in einer geselligen Runde viel Spaß hattest, dann war es „kankergezellig”.

—Twan Stoffels

Dänemark

Alle ernsten dänischen Flüche haben damit zu tun, dass man von etwas Gruseligem aufgefressen wird. Dinge wie „satanedme” (Satan friss mich) und „kraftedme” (Krebs friss mich). Wenn dich zum Beispiel ein Typ anrempelt und dir deswegen dein Buch mit Märchen von Hans Christian Andersen auf den Boden fällt, dann sagst du vielleicht: „Das ist mir viel zu Satan friss mich!”

Dann gibt es da in Dänemark noch eine ganze Reihe an traurigen Möchtegern-Schimpfwörtern: Hier werden gerne englische Flüche, zum Beispiel in Filmuntertiteln, direkt übersetzt. Dabei sind schon Glanzstücke wie „skidespræller” (Scheiße-Zappler), „kors i røven” (ein Kreuz in den Arsch) und „røvbanan” (Arschbanane) herausgekommen. Anscheinend sind diese Ausrufe die beste Annäherung an einfache und effektive englische Wörter wie „fuck”, „shit” und „douchebag”, welche die dänische Sprache hervorbringen kann.

Das hier ist die Wahrheit und wir brauchen dringend Hilfe. Welt, wenn du uns hören kannst: Schick uns deine unendlich viel besseren Schimpfwörter. Es gibt unschuldige dänische Kinder, die in dem Glauben aufwachsen, dass die richtige Übersetzung von Bruce Willis’ legendärer Zeile aus Stirb langsam, „Yippee ki-yay, motherfucker”, „Tschüss und danke, Bruder Scheiße” lautet. Bitte schickt Hilfe.

—Alfred Maddox

Griechenland

Griechenland und Fluchen gehören einfach zusammen. Eines unserer verbreitetsten Wörter ist „malakas”, was „Wichser” bedeutet, aber meist anstelle von „Freund”, „Kumpel” oder „Mann” verwendet wird. Wenn es mal unfreundlicher wird, hört man stattdessen bei uns „Scheiß’ auf dein Grab”, was man nicht leichtfertig sagen sollte, denn Griechen können sich deswegen schon mal prügeln.

Ein beliebter Ausspruch lautet übersetzt „Gib’ es für Ärzte aus”. Das sagst du, wenn du im Laden etwas kaufen willst, es aber viel zu teuer ist. Dann drehst du dich zum Ladenbesitzer und sagst ihm damit, dass er das Geld des nächsten Kunden besser für einen Arzt ausgeben sollte, um sich von dieser Wucherkrankheit zu befreien. „Na se pane tesseris” ist eine weitere Phrase, die sich nicht wörtlich übersetzen lässt, aber sie bezieht sich auf den Augenblick, wenn man im Sarg liegt und von vier Leuten getragen wird. Kurz gesagt bedeutet der Satz also nichts weiter als „stirb”.

Und dann gibt es da noch einen Satz aus den 1980ern und 90ern, nämlich „Möge dein Videorekorder verbrennen”. Wenn du nicht verstehst, was für ein ernster Fluch das ist, dann liegt das wohl daran, dass du nicht weißt, wie cool und teuer Videorekorder damals waren.

—Pavlos Toubekis

Spanien

Spanien ist schon seit Jesu Geburt ein zutiefst religiöses Land. Deswegen haben auch alle unsere Flüche damit zu tun, Gott, Jesus, seiner Mutter Maria und ihrem ganzen Gefolge ins Auge zu spucken. Die spanische Fluch-Tradition wird langsam von der Political Correctness aufgeweicht, doch hier und da kannst du auf der Straße immer noch hören, wie alte Typen Dinge schreien wie: „Me cago en la puta madre de Jesús, en su padre y en toda su jodida corte celestial!” („Ich scheiße in Jesu Hure einer Mutter, in seinen Vater und in ihr ganzes verdammtes himmlisches Gefolge!”). Ich weiß noch, dass mein Großvater einmal so wütend auf jemanden war, dass er gesagt hat: „Me cago en su corazón” („Ich scheiße in sein Herz”). Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Wenn du also auf Spanisch so richtig austeilen willst, dann musst du auf jeden Fall auf, in oder in die Nähe eines Heiligen scheißen.

—Juanjo Villalba