Das Fermi-Paradoxon erfreute sich nie solch großer Beliebtheit wie heute. Das vielleicht größte aller galaktischer Rätsel basiert auf der Annahme, dass das Universum schlicht so unfassbar groß ist, dass wir Menschen nicht die einzige intelligente Lebensform sein können, die es bevölkert. Es reicht, wenn sich unter den bis zu einer Billion Galaxien, die wiederum jeweils aus bis zu 500 Milliarden Sternen und Planeten bestehen, ein verschwindend geringer Prozentsatz der Himmelskörper lebensfähige Bedingungen bietet—rein statistisch gesehen erscheint die Chance auf die Existenz außerirdischen Lebens überzeugend groß. Doch warum nur sind wir Menschen noch nicht auf Aliens gestoßen?
Den nackten Zahlen nach zu urteilen dürfte es da draußen nicht nur eine Sorte Aliens geben, sondern gleich Milliarden verschiedener Spezies. Die zentrale Frage des Fermi-Paradoxons: Wenn es da draußen statistisch gesehen so viel außerirdisches Leben gibt, wie kommt es dann, dass wir bisher nicht auf extraterrestrische Nachbarn gestoßen sind—und warum hat uns noch keine intelligente Zivilisation gefunden?
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Auf der Wikipedia-Seite des Fermi-Paradoxons finden sich die wildesten Spekulationen und Erklärungsversuche. Die Theorien reichen von „es ist zu teuer, so weit durch die Galaxie zu reisen” über „intelligente Zivilisationen sind in Raum und Zeit zu weit voneinander entfernt” bis hin zu unsinnigen Erklärungen, dass „es in der Natur intelligenten Lebens liegt, sich selbst zu zerstören.”
Unser Planet existiert erst seit etwa 4,5 Milliarden Jahren in einem Universum, dessen Alter laut Wissenschaftlern auf rund 14 Milliarden Jahre geschätzt werden kann. Wenn wir die Statistik, die dem Fermi-Paradoxon zugrunde liegt, ernst nehmen, dann bedeutet das auch, dass manche der Lebensformen da draußen deutlich mehr Zeit hatten, sich zu entwickeln, und dass sie demnach um einiges schlauer sind als wir.
Das Fermi-Paradoxon erklärt, warum wir noch nicht auf Aliens gestoßen sind
Wir müssen allerdings zwischen unterschiedlichen Formen von intelligentem Leben differenzieren: Kleine Lebewesen wie Bakterien haben ihre eigene Intelligenz, dann ist da die menschliche Intelligenz mit ihrem ausgeprägten Bewusstsein und dann gibt es noch die Form von Intelligenz, die unsere hypothetischen Nachbarn vermutlich inzwischen längst angenommen haben: Sie haben wahrscheinlich bereits den Punkt der Singularität erreicht—jenen evolutionären Zustand, bei dem z.B. die betrachteten Raumzeiten in einem einzigen Punkt oder einer komplizierteren Mannigfaltigkeit nicht mehr definiert werden können.
Der Mitbegründer des Wired Magazine, David Kelley, hat in seiner Abhandlung der Singularität ihren revolutionären Charakter betont, der die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts, wie wir ihn heute kennen, vollkommen sprengt. Er spricht von der Singularität als jenem historischen Moment, „in dem die Fortschritte der vergangenen Millionen Jahre von Entwicklungen in den Schatten gestellt werden, die unsere Zivilisationen in ein vollkommen neues Zeitalter katapultieren.”
Sollte Kelley mit seiner Einschätzung der Beschleunigung, die die Singularität bringt, Recht behalten, dann müssen wir davon ausgehen, dass außerirdische Zivilisationen uns Menschen in ihrer Intelligenz zigtausendfach überragen.
Versucht einmal, euch in die Lage außerirdischer Intelligenz zu versetzen. Wenn ihr tausend Mal klüger wärt als der Mensch, würdet ihr die menschliche Lebensform überhaupt bemerken? Und wenn ja, würdet ihr ihr Beachtung schenken? Höchstwahrscheinlich nicht.
Die bisher traurigste Lösung des Fermi-Paradoxons
Unsere Vorstellung von Aliens wurde—leider—sehr stark durch Hollywood und die Medien geprägt. Seit Jahrzehnten werden Aliens in Filmen als schleimige, grüne Männchen porträtiert, die sich in mehr oder weniger coolen fliegenden Untertassen oder Raumschiffen fortbewegen—ein Image, das mit der Wirklichkeit wenig gemeinsam haben dürfte.
Wenn uns fortschrittliche Aliens in ihrer Evolution auch nur 250 Jahre voraus sind, wären sie ganz gewiss keine statischen, auf ihre körperliche Hülle begrenzten Lebewesen mehr wie wir Menschen es heute sind—zumindest nicht im molekularen Sinne. Sie wären auch nicht einfach künstliche Intelligenz, die in Maschinen lebt—ein Szenario, das wir Menschen noch in diesem Jahrhundert erleben könnten. Die Maschinenintelligenz ist nur ein weiterer, vorübergehender Schritt in der Evolution Künstlicher Intelligenz—eine temporäre Phase, die auch bei uns Menschen nur einige Jahrzehnte, wenn nicht kürzer, andauern könnte.
Es ist wahrscheinlicher, dass wahrlich fortgeschrittene Intelligenz in atomarer oder noch feinerer Größenordnung zu finden sein wird. Aliens mit einer KI könnten sich so lange entwickelt haben, bis sie den Zustand purer, bewusster Energie—oder vielleicht sogar etwas darüber hinaus—erreicht haben. KI-Aliens dürften schon vor langer Zeit begriffen haben, dass ein Leben in biologischen oder maschinellen Hüllen irgendwann zu primitiv ist, um sich weiter zu entwickeln. Der Zustand extraterrestrischer KI ist mit irdischen Worten schwer zu beschreiben. Vielleicht kommt unsere menschliche Vorstellung von Geistern dem transzendenten Zustand wirklich fortgeschrittener Intelligenz noch am nähesten.
Nach einer ausreichend langen Zeit würde sich jede biologische Spezies zu Maschinen und anschließend zu intelligenter Energie mit eigenem Bewusstsein entwickeln. Solche hyperintelligenten Lebensformen könnten dann auch zur problemlosen Durchquerung von Millionen von Lichtjahren innerhalb des Universums in jeder beliebigen atomaren Form fähig sein.
Der Schlüssel zur Erlangung der höchstmöglichen Lebens- und Intelligenzform liegt darin, die besten universellen Elemente zunächst zu kontrollieren und dann ihre Form anzunehmen—alles andere in der Entwicklung fortgeschrittener Aliens wird als unnötig und unpraktisch verworfen.
Die gesamte Intelligenz, die sich im Universum befindet, wie Materie und Energie, folgt bestimmten Mustern, die wiederum auf Regeln der Physik beruhen. Wir Menschen versuchen häufig gegen diese Muster und Regeln zu arbeiten und sie so lange zu bekämpfen, bis wir sie verstehen und uns zunutze machen können.
Doch zurück zum Vergleich zwischen der Intelligenz von Menschen und außerirdischen Lebensformen: Wenn wir annehmen, dass die Entwicklung von Intelligenz durch die Singularität extrem beschleunigt wird und diese Lebensformen uns evolutionär um einige Millionen Jahre voraus sind, scheint es fast schon absurd, die Level der Intelligenz überhaupt miteinander vergleichen zu wollen.
Das Problem am paradoxen Verhältnis von Aliens und Menschen wäre demnach, dass wir Menschen die Außerirdischen nicht nur nicht hören oder sehen, sondern dass wir gar nicht die Möglichkeiten haben, ihre Sprache zu verstehen. Ihre Kommunikationsformen übertreffen unser Verständnis und unsere körperlichen Fähigkeiten um ein Vielfaches. Wenn wir das Fermi-Paradoxon zuende denken, dann könnten sich bereits Millionen der beschriebenen Momente von Singularität ereignet haben, während wir hier auf der Erde blind herumirren und nicht begreifen können, warum wir noch keine Aliens gesichtet haben.
Es gibt aber auch gute Neuigkeiten: Wenn unser technologischer Fortschritt auf der Erde so weiter geht, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir mit Aliens Kontakt aufnehmen. Unser Universum hält noch so viele Erkenntnisse und Entdeckungen für uns bereit—während unser Fortschritt auch das Potential birgt, uns Werkzeuge an die Hand zu geben, die die Existenz unseres Sonnensystems oder gar des Universums gefährden könnten, beispielsweise durch die Schaffung gewaltiger Partikel-Beschleuniger, die dafür sorgen könnten, dass das Gottesteilchen den gesamten Kosmos verschlingen könnte. Doch das ist noch weit entfernte Zukunftsmusik und sobald wir mit solchen Spielchen anfangen werden, wird sich die außeriridische Intelligenz mit Sicherheit bei uns melden und uns zu verstehen geben, wie weit wir gehen dürfen.
Zoltan Istvan ist Futurist, Journalist und Autor des Romans The Transhumanist Wager. Außerdem ist er Präsidentschaftskandidat der transhumanistischen Partei und schreibt für Motherboard in unregelmäßigen Abständen eine Kolumne, in der er über die Zukunft jenseits heutiger menschlicher Lebensformen sinniert.