Nervös, neurotisch, arrogant, streitsüchtig, hochintelligent, schnell wütend. Er schiebt die Schuld sofort auf andere und ist ständig im Glauben, die ganze Welt hätte sich gegen ihn verschworen.
Das ist das Profil von Dr. Valery Fabrikant, dem ehemaligen Maschinenbaudozenten an der Concordia University im kanadischen Montreal. Im Sommer vor 25 Jahren ermordete er vier Fakultätsmitglieder und verletzte eine Sekretärin schwer. Und es ist Fabrikant selbst, der wohl am meisten dazu beigetragen hat, dass sich dieses Bild von ihm über ein Vierteljahrhundert hinweg so hartnäckig hält.
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Am 24. August 1992 betrat er bewaffnet mit drei Pistolen das Hall-Gebäude der Universität. Er wollte sich an allen rächen, von denen er sich hintergangen fühlte. Innerhalb weniger Minuten waren vier Dozenten – Michael Hogben, Jaan Saber, Phoivos Ziogas und Matthew Douglass – tot und eine Sekretärin verletzt. Niemand von ihnen hatte auch nur im Geringsten mit Fabrikants lang gehegter Wut auf seine Kollegen und Vorgesetzten zu tun.
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Im Gegensatz zu den allermeisten Amokläufern überlebte Fabrikant. Er wurde verhaftet und kam vor Gericht, wo seine einstmals tolerierten Eigenheiten – inklusive seiner aggressiven Tendenzen – einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Und gut kam er dabei wirklich nicht weg. Er entpuppte sich als kleinkarierter, rachsüchtiger, reueloser und eingebildeter Mann. Er war unfreundlich und feindselig gegenüber Zeugen, dem Richter – den er einen “erbärmlichen Gauner” nannte – und selbst gegenüber den Psychiatern, die ihn als prozesstauglich eingestuft hatten. Im Laufe seines Verfahrens verschliss er zehn Anwälte und gab sich alle Mühe, jede Minute der Verhandlung mit Abschweifungen zu stören. Er diktierte Berge irrelevanter Informationen in die offiziellen Prozessakten. Er piesackte Zeugen zu Tränen und nicht zuletzt stand er zu seinen Taten, inszenierte sich selbst aber als das wahre Opfer.
Jeder, der gehofft hatte, mit dem Haftantritt das Letzte von Valery Fabrikant gehört zu haben, wurde enttäuscht. Über die Jahre verfasste er aus seiner Zelle heraus dermaßen viele Anträge und Gesuche, dass ihm weitere Anträge ohne Sondererlaubnis gerichtlich untersagt wurden.
Der Sowjetflüchtling
Der Fall, auch bekannt als “Concordia University massacre”, ist eine sonderbare und tragische Geschichte über mitmenschliches Versagen, akademisches und finanzielles Missmanagement, Borniertheit und akademische Grabenkämpfe. Sie beginnt Ende 1979, als ein verspannter und leicht verzweifelter 39-jähriger Emigrant aus der Sowjetunion an die Tür von T.S. Sankar klopft, Leiter des Fachbereichs Maschinenbau an der Concordia.
Der aus Minsk, in Weißrussland, stammende Valery Fabrikant behauptete, als Dissident aus der Sowjetunion geflohen zu sein, und überredete Sankar, ihn für ein bescheidenes Jahresgehalt von 7.000 Kanadischen Dollar als wissenschaftlichen Mitarbeiter einzustellen.
Sankar kümmerte sich nicht groß, die Referenzen seines neuen Mitarbeiters zu kontrollieren. Hätte er das getan, hätte er erfahren, dass Fabrikant die UdSSR verlassen musste, weil er bei seiner letzten Stelle entlassen worden war – wegen Drohungen und störenden Verhaltens. Das hatte die Montrealer Gazette bei einer Recherche nach dem Amoklauf herausgefunden.
Wie Morris Wolfe in seinem 9.000 Wörter schweren und preisgekrönten Artikel, “Dr. Fabrikant’s Solution“, schreibt: “Fabrikant legte sehr schnell Verhaltensweisen an den Tag, die andere später alarmierend fanden.”
Und weiter: “Es dauerte nicht lange, bis klar war, dass sich Fabrikant rücksichtslos um seine eigenen Belange kümmerte. So zum Beispiel als die sowjetischen Behörden einmal etwas langsam dabei waren, ihm ein paar tausend Dollar zu schicken, die er von seinem Vater geerbt hatte. In einem Schreiben an das kanadische Außenministerium forderte er daraufhin, dass man alle Getreidelieferungen an die UdSSR einstellen solle, bis er sein Geld erhalten habe. Schnell kristallisierte sich außerdem heraus, dass Fabrikant keinerlei Wunsch hegte, wissenschaftlicher Mitarbeiter zu sein und seinem Vorgesetzten bei seinen Projekten zu helfen. Tatsächlich schaute er herablassend auf Sankars Forschung.”
Ein unangenehmer Kollege
Wolfe zeichnet von Sankar das Bild eines gutmütigen Chefs eines exzentrischen, wenn auch brillanten, Schützlings. Ein Vorgesetzter, der bereit ist, über die streitsüchtige und aggressive Art seines Protegés hinwegzusehen. Die Zusammenarbeit mit Fabrikant soll extrem unangenehm gewesen. Es gibt Erzählungen von Ausrastern im Computerlabor. Akademiker, die seine Bewerbung abgelehnt hatten, berichten von Belästigungen und Mitarbeiter von akademischen Fachzeitschriften beschrieben in als extrem unhöflich.
Wie sich später herausstellte, hatte Fabrikant Sankar in über zwei Dutzend Aufsätzen als Co-Autor angegeben. Sie waren innerhalb von gerade mal vier Jahren erschienen und hätten auch so schon von einem beindruckenden Arbeitspensum gezeugt. Umso eindrucksvoller mutete diese Leistung für den administrativen Leiter eines Fachbereichs an. In der akademischen Welt bedeutet der eigene Name in Publikationen Fördergelder und Karriere.
Wie Wolfe beschreibt, war Fabrikants Aufstieg an der Universität rasant und lukrativ. Trotz anhaltender Beschwerden über sein Verhalten bekam er 1983 eine volle Forschungsstelle. 1985 wurde er als eins von drei Fakultätsmitgliedern an ein neues Forschungszentrum der Regierung berufen. Fünf Jahre nach seinen bescheidenen Anfängen war eine Festanstellung für den rastlosen Akademiker in greifbare Nähe gerückt.
1988 stand es um Fabrikants Laufbahn jedoch plötzlich nicht mehr so gut. T.S. Sankar war aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten als Leiter der Maschinenbaufakultät zurückgetreten. Sheshradi Sankar, der Bruder von T.S. Sankar und Leiter des Forschungszentrums, eröffnete Fabrikant, dass seine Stelle dort im folgenden Jahr nicht mehr verlängert werden sollte. “Fabrikant war perplex”, schreibt Wolfe. “Acht Jahre war er an der Concordia gewesen. Er war 48, hatte eine junge Frau, zwei kleine Kinder und keine Aussichten auf einen anderen Job.”
Fabrikant vermutete den Grund für seine Entlassung darin, dass er aufgehört hatte, seine Kollegen und Vorgesetzten in den Aufsätzen als Co-Autoren anzugeben. Gleichzeitig häuften sich die Meldungen über sein aggressives Verhalten. Er fing an, Unterhaltungen mit Kollegen aufzuzeichnen, in denen er T.S. Sankars Beitrag zu den wissenschaftlichen Aufsätzen infrage stellte. Mit der Universitätsleitung führte er einen banalen Kleinkrieg über die Anschaffungskosten für einen neuen Drucker. Er drohte sogar, mit seinen Anschuldigungen über die Ausgaben der Fakultät und den eigentlichen Anteil Sankars an seinen Aufsätzen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Sheshadri Sankar stellte ihn schließlich wieder ein – befristet auf zwei Jahre.
Die Gewaltfantasien konkretisieren sich
Wie Wolfe schreibt, fühlte sich Fabrikant nun in seinem Verhalten bestärkt und sein Ton verschärfte sich. Er redete davon, die Sankar-Brüder zu erschießen und den damaligen Universitätsdirektor, Patrick Kenniff, als Geisel zu nehmen.
Das hielt den Leiter seines Fachbereichs, Sam Osman, jedoch nicht davon ab, ihn im September 1990 für eine Beförderung und eine aussichtsreichere Stelle vorzuschlagen. In der Zwischenzeit hatte die verhältnismäßig neue Vizerektorin für Lehre, Rose Sheinin, jedoch damit angefangen, ein Dossier über das zunehmend launische Verhalten des Akademikers anzufertigen. Darin notierte sie auch Drohnachrichten, die er auf ihrem Anrufbeantworter im Büro und zu Hause hinterlassen hatte.
Trotz allem weigerte sich die Fakultät, Fabrikant zu entlassen. Sheinin “hatte den Eindruck, dass ihnen seine Unberechenbarkeit Angst machte”, schreibt Wolfe. “Und dass Sheinin sich in diese Männerwelt des Ingenieurwesens einmischte, irritierte sie. Keine Frau, auch nicht die Vizerektorin für Lehre, habe ihnen zu sagen, was sie tun sollen.” Geben wir ihm einfach, was er will, lautete ihr Argument, und lassen ihn in Ruhe.
“Alle Fakultätsmitglieder waren sich einig, dass Dr. Fabrikant eine Bereicherung war”, teilte Sheinin Direktor Kenniff die Ergebnisse eines Treffens mit, aber “niemand wolle mit ihm oder in seiner Nähe arbeiten.”
Und trotzdem bekam er einen weiteren Zweijahresvertrag bei einem Jahresgehalt von 60.000 Kanadischen Dollar. Trotzdem war Fabrikant unzufrieden und stritt sich mit der Verwaltung über Forschungsgelder und angebliche Grenzen seiner akademischen Freiheit.
Im Oktober 1991 hatte der Fachbereich Maschinenbau schließlich genug von Fabrikant und seinen nicht enden wollenden Forderungen. Sein Vertrag sollte nicht erneuert werden. Allerdings wurden sie vom Personalausschuss der Fakultät überstimmt. Wolfe hält es für möglich, dass sich jemand an Fabrikants Personalakte zu schaffen gemacht und alle weniger schmeichelnden Dokumente verschwinden lassen hat.
Fabrikant wollte jetzt aber offensichtlich verbrannte Erde hinterlassen. Über das uniinterne Mailsystem begann er, der Fakultät finanziellen und akademischen Betrug vorzuwerfen, seinen früheren Kollegen attestierte er Interessenskonflikte und sich selbst stellte er als Verfolgten dar. Ein Experte für Gewalt am Arbeitslatz suggerierte einem Universitätsvertreter, dass Fabrikants Verhalten durchaus besorgniserregend sei und ernstgenommen werden müsse. Im gleichen Frühling meldete sich inmitten der Medienberichte über Fabrikants Beschwerden eine junge Frau zu Wort, die angab, 1982 von ihm vergewaltigt worden zu sein. Der Fall kam nie vor Gericht.
Dr. Fabrikant besorgt sich eine Waffe
Derweil absolvierte Fabrikant ein Schießtraining, machte den Waffenschein und kaufte sich eine Pistole.
Zwischen Frühling und Sommer 1992 wurde sein Verhalten noch einmal aggressiver. Im April jenen Jahres verklagte er seinen ehemaligen Vorgesetzten T.S. Sankar und den Dekan der Fakultät für Ingenieurwesen und Computerwissenschaften, Srikanta Swamy. Studierende beschwerten sich darüber, dass die Noten in Fabrikants Kursen verdächtig gut ausfielen im Vergleich mit denen seiner Kollegen. Mit Fachbereichsleiter Sam Osman stritt er sich über Seminare, die er unterrichten sollte. Ende Juni verlangte er von Osmans Sekretärin Elizabeth Horwood, einen Antrag zu unterschreiben, der es ihm erlaubt hätte, eine Waffe zu tragen. Sie verstand die Forderung klar als Drohung, weigerte sich und meldete den Vorfall.
Das hätte für die Uni eigentlich ausreichen müssen, um das Arbeitsverhältnis mit Fabrikant sofort zu beenden. Tat es aber nicht. Entgegen der Empfehlung von Sheinin und Anderen beurlaubte Rektor Patrick Kenniff Fabrikant. Die Beweise würden nicht ausreichen. Und so gingen die internen Zankereien weiter, oft ging es dabei um Geld. Es gab immer wieder Überlegungen, Fabrikant mit voller Bezahlung in den Vorruhestand zu schicken. Die Verhandlungen kamen allerdings zum Erliegen, als der damals 52-Jährige zuerst zehn, dann dreizehn weitere Jahre bei vollem Lohn forderte.
Mitte August hatte Fabrikants Verhalten eine Grenze erreicht. Er bekam eine Vorladung wegen Missachtung des Gerichts im Fall seiner Klage gegen Sankar und Swamy. Am Dienstag, den 25. August, sollte er vor Gericht erscheinen. Bereits in der dritten Woche des Monats schickte er Massen-E-Mails rum, in denen er rechtliche Schritte gegen die Concordia University androhte. Dabei machte er auch immer wieder Anspielungen, dass sein Leben in Gefahr sei. Am Freitag, den 21. August, erfuhr er von den Anwälten der Concordia, dass er seinen Job wahrscheinlich verlieren würde.
Am selben Nachmittag holte seine Frau zwei Waffen ab, die sie in einem Katalog bestellt hatte.
Der 24. August 1992
Fabrikant begann seinen Amoklauf am Montag, den 24. August, um kurz nach 14:30 Uhr. In einem Aktenkoffer trug er einen .38-Smith&Wesson-Revolver, eine 6,35mm-Semi-Automatikpistole und eine 7.65-Berson – dazu einen nicht unerheblichen Vorrat Munition.
Als er im neunten Stock des Hall-Gebäudes ankam, suchte Fabrikant Dekan Swamy und Fachbereichsleiter Osman, fand sie jedoch nicht und ging stattdessen zu seinem eigenen Büro.
Sein erstes Opfer war Michael Hogben, Präsident der Concordia University Faculty Association. Er trug einen Brief für Fabrikant bei sich, der ihn darüber informierte, dass er nicht mehr ohne Weiteres Zugang zu den Räumlichkeiten der Fakultätsvereinigung habe. Fabrikant schoss dreimal auf ihn. Hogben starb noch vor Ort.
Als Hogbens Kollege Jaan Saber den Tumult hörte, rief er laut nach Hilfe. Fabrikant lief zu ihm und schoss zweimal auf ihn. Dann richtete er seine Waffe auf Osmans Sekretärin Elizabeth Horwood und verletzte sie am Oberschenkel. Fabrikant lief weiter durch die Gänge der Fakultät, bis er Phoivos Ziogas begegnete, den Leiter des Instituts für Elektro- und Computertechnik. Er gab zwei Schüsse auf Ziogas ab und geriet dann in ein Handgemenge mit einem weiteren Dozenten, wobei er eine seiner Waffen verlor. Auf dem Weg zurück zu Osmans Büro begegnete ihm der Bauingenieurwissenschaftler Matthew Douglass, ein Freund Osmans. Fabrikant schoss ihm viermal in den Kopf. Douglass war sofort tot.
Fabrikant nahm daraufhin einen weiteren Dozenten und einen Sicherheitsmann als Geisel. Er hielt sie über eine Stunde in seiner Gewalt, während er mit der Polizei telefonierte und forderte, mit einem Fernsehreporter zu sprechen. Als er einen Moment abgelenkt war, gelang es dem Dozenten und dem Sicherheitsmann, Fabrikant zu überwältigen. Er wurde kurz darauf von der Polizei verhaftet.
Saber erlag am nächsten Tag seinen Verletzungen, Ziogas fast einen Monat später. Keins der Opfer hatte direkt mit Fabrikant oder seinen Beschwerden zu tun gehabt.
Ratlosigkeit, Trauer und Entsetzen
Nach der Tat herrschte Ratlosigkeit, Trauer und Entsetzen. Zwei Wochen später erschien die erste Ausgabe der uniinternen Studierendenzeitung The Link im neuen Semesters. Sie war fast ausschließlich den Opfern der schrecklichen Tat gewidmet.
Hogben wird darin als “ein Prachtkerl” und “überzeugter Umweltschützer” beschrieben, “der seinen Status als Professor nie dazu eingesetzt habe, um sich überlegen zu fühlen”. Douglass, der seit 1966 an der Universität gearbeitet hatte, wird “großes Talent beim Verhandeln und Vermitteln” attestiert. “Er ist nie wütend geworden, hat es nie auf einen Streit angelegt.” Douglass stand nur ein Jahr vor seinem Ruhestand. Über Saber, der gerade 46 geworden war, schrieb einer seiner Doktorschüler: “Wenn es eine Idee gab, von der er überzeugt war, musstest du entweder mit auf den Zug aufspringen oder die Strecke freimachen.” Er hatte kurz davor erst einen Preis für seinen Beitrag zum Studierendenleben erhalten.
Ziogas lebte noch, als die Ausgabe erschien.
Vizerektorin Sheinin schrieb in der gleichen Ausgabe, dass die Morde “die Seele dieser Universität” ernsthaft beschädigt hätten. “Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns jemals wieder der Gleiche sein wird.”
Der Prozess
Fabrikants Prozess war der reinste Zirkus. Er feuerte zehn Anwälte und entschloss schließlich, sich selbst zu vertreten. Im Zeitraum von sechs Monaten, im Sommer 1993, lud Fabrikant 75 Zeugen vor, die er piesackte, beschimpfte und zum Weinen brachte. Er diktierte irrelevante Informationen in die Gerichtsakten, verspottete Richter Fraser Martin und beleidigte zwei Psychiater, die ihn als verhandlungsfähig eingestuft hatten. Er wurde sechsmal wegen Missachtung des Gerichts vorgeladen und bezeichnete den Prozess als “Muppet-Show”. Richter Martin hatte schließlich genug und brachte den Prozess zu einem Ende.
Nach sieben Stunden fällte die Jury ihr Urteil: Sie erklärte Fabrikant des vierfachen Mordes schuldig. Bei der Urteilsverkündung sagte Richter Martin: “Heute haben sie ihren Ruf als hinterhältiger Mörder gefestigt. Ihren Ruf als einen armseligen Mann, aufgeblasen und transformiert in einen künstlichen Riesen – durch die Macht einer Waffe.”
Damit war es aber noch nicht vorbei. Das Massaker erschütterte die Universität. Zwei Untersuchungsberichte wurden in Auftrag gegeben und beide beschrieben schwere Versäumnisse seitens der Universität. Als Lösung legten sie substantielle Änderungen in vielen Bereichen nahe, akademisch, disziplinarisch, finanziell und sicherheitstechnisch. Vizerektorin Sheinin und Rektor Kenniff räumten ihre Posten und Swamy und die Sankars verließen die Universität.
Das Nachspiel
Für die meisten Menschen an der Concordia ist Fabrikant nicht mehr als eine schlechte Erinnerung, dafür hat der kanadische Strafvollzug umso mehr mit ihm zu kämpfen. Fabrikant ließ aus seiner Zelle heraus eine derartige Antragsflut auf die Gerichte und Behörden los, dass ihm per Auflage untersagt wurde, weitere Rechtsersuche einzureichen. Trotzdem schaffte es Fabrikant in den letzten Jahren fünfmal vor einen Richter – wenn auch meistens erfolglos.
Ein Antrag, die Strafe früher auf Bewährung auszusetzen, wurde 2008 abgelehnt. Der vorsitzende Richter begründete das folgendermaßen: “Die Gefährlichkeit des Antragstellers im kontrollierten Umfeld einer Strafanstalt kann nicht mit seinem Verhalten in Freiheit verglichen werden. Der Tod von vier Menschen zeigt, wie der Antragsteller Konflikte löst, wenn er sich in der Gesellschaft bewegt. Ähnlich besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Gruppe von Menschen, mit denen er sich in den letzten 15 Jahren angelegt hat, gewachsen ist. Es sind nicht mehr nur ehemalige Arbeitskollegen, sondern auch Strafvollzugsbeamte, Ärzte und Angestellte des Rechtssystems.”
Der Zugang zu einem Computer wurde ihm verwehrt, genauso wie sein Antrag 2015 auf einen Hafturlaub für einen Familienbesuch. 2014 konnte er allerdings einen Erfolg erzielen: Er bekam einen zweiten Winter-Parka.
Heute versucht die Concordia ihr Bestes, die Erinnerungen an Fabrikant hinter sich zu lassen. Abgesehen von vier Granitplatten im Eingang des Hall-Gebäudes gibt es kaum etwas, das die Studierenden von heute an die Tat vor 25 Jahren erinnert. Die allermeisten von ihnen dürften damals ohnehin noch nicht auf der Welt gewesen sein. Bislang gibt es auch keine offiziellen Pläne seitens der Uni für eine Gedenkveranstaltung.
Dieses Jahr kommt für Farbikant eine bedingte Haftentlassung infrage. Er ist 77 und klagt über altersbedingte Gesundheitsprobleme. Dennoch urteilte die Richterin vergangenes Jahr bei der Ablehnung seines Hafturlaubs noch, dass er “ein unzumutbares Risiko für die Allgemeinheit” darstellt. Das sei durch Beweise belegt und es gebe keinen Grund, dieses Urteil aufzuheben.