Neonazi-Sternmarsch gegen „Antifa-Weihnachtsfeier“ – Leipzig bereitet sich auf Samstag vor

Für diesen Samstag kündigt sich in Leipzig eine lange Nacht an. Verschiedene rechte Gruppierungen haben zu einer Art Neonazi-Sternmarsch durch genau die Gegenden des Leipziger Südens aufgerufen, die als Zentrum der linksautonomen Szene der Stadt gelten. Dagegen hat sich natürlich früh breiter Widerstand formiert, der jetzt in der nicht ganz ernst gemeinten Einladung zur „Weihnachtsfeier des Antifa e.V.” gipfelte. Zwischen satirischer Selbstbeweihräucherung, politischer Selbstverortung eines Szenestadtteils und einigem Eskalationspotential wird es am Samstagabend in Leipzig also auf jeden Fall ein Spektakel geben.

Fotos: Sebastian Löffler

Aber der Reihe nach: Was haben die Rechten vor? Natürlich ist der Plan, ausgerechnet im traditionell linken Leipziger Viertel Connewitz aufmarschieren zu wollen, eindeutig als Provokation zu verstehen, und schließt, wie der ehemalige NPD-Watchblog Publikative ausführt, an die bereits Anfang der 2000er eingeführte Praxis der Frontstädte an: Gezielt in linke Städte und Stadtteile gehen und den Konflikt suchen, um seine angebliche Vormachtstellung auf der Straße zu sichern, war schon zentrales Element in den Planungen des Neonazis Christian Worch, der zwischen 2001 und 2007 zahlreiche Demonstrationen in Leipzig organisiert hatte.

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Ebendieser Christian Worch hilft nun dem bisherigen Orga-Triumvirat aus „Die Rechte”, „Offensive für Deutschland” und „Thügida” offenbar als Versammlungsleiter für kommenden Samstag aus. Das zweite bekannte Gesicht der völkischen Organisationsspitze ist übrigens sein Die Rechte-Parteikollege Alexander Kurth, der im Frühjahr bereits für Schlagzeilen sorgte, nachdem ihm von Antifaschisten sein Mobiltelefon abgenommen wurde und die veröffentlichten Daten eindeutige Verbindungen zwischen rechten Strukturen und Leipziger Polizisten nachwiesen.

Doch auch die weniger prominenten Köpfe, wie etwa Thügida-Mitorganisator David Köckert, greifen das alte Konzept Worchs auf und geben sich kampfbereit. In einem kurzen Mobilisierungsvideo verkündet Köckert: „Wir haben der linken Mischpoke […] gezeigt, dass sie hier nicht den Takt schlagen, sondern wir geben an, wo demonstriert wird […]. Connewitz steht für linken Terror, Connewitz steht für linke Diktatur. […] Wir wollen kein Stück deutschen Boden diesen […] linken Perversen geben.” In den Kommentarspalten von Thügida und OfD wird sinniert, dass „frauen und nicht wehr fähige kameraden zu hause bleiben sollen oder zu einer alternative demo gehen möchten”, dass nach dem 12.12 in Connewitz nichts mehr so sein wird wie bisher und „viele von dem Roten Gesindel […] fallen” werden. Zudem versucht die Offensive für Deutschland, via Facebook mit einer Bilderserie zu provozieren, die eine junge Frau, mal mit Wirmer-Flagge, mal mit Rose in der Hand, vor markanten Punkten in Connewitz zeigt—zuweilen auch vor den Zeichen des zu erwartenden Widerstands.

Denn die Ankündigungen eines breiten Gegenprotests sind im Viertel nicht zu übersehen und die Ankündigungen lassen eindeutig erkennen, dass Leipzig sich seinen Status als Hauptstadt der Antifa nicht in Frage stellen lassen wird. „Ort und Zeit des Angriffs bestimmen wir”, heißt es in einem Aufruf, der mit den Worten „Leipzig in Trümmern, damit wir leben können!” schließt. Durchgängig zieht sich der Slogan „Die Rechten zu Boden!” und immer wieder wird darauf hingewiesen, dass sich aktiver Antifaschismus nicht nur in bürgerlichen Lichterketten zeigen darf, wenn er etwas erreichen will: „Sparen wir uns am 12.12 den Verbalradikalismus und tun, was notwendig ist.”

Es scheint zweifelsfrei, dass sich die Besinnung auf einen aktiven Gegenprotest klar in einer Linie der Geschichte eines Viertels sieht, das sich in den frühen 90ern noch gegen bewaffnete Angriffe von Neonazis vorbereite, indem man sich mit Kloschüsseln als Wurfmaterial auf dem Dach verschanzte. Dass eine entsprechend sozialisierte Leipziger Linke sich auch heute noch wehrhaft und aktionistisch zeigt, ließ sich im Juni in der verunglückten Schlagzeile der Lokalzeitung ablesen, dass Leipzigs Autonome in der ersten Liga boxen.

Diese „Auszeichnung” hat die Leipziger Antifa-Szene mittlerweile selbst mit einem gewissen Stolz übernommen: Zuerst wurde Leipzig in einem Artikel auf der linken Platform indymedia der Titel „Randalemeister 2015″ verliehen. Zugleich zeigt sich aber auch eine deutliche Selbstironie, die sich nicht zuletzt in über einem Jahr Auseinandersetzung mit Legida, Pegida und den gesammelten Exzessen von wildgewordenen Kommentarspalten besorgter Bürger gefestigt hat.

So ist die Ankündigung einer großen Weihnachtsfeier des „Antifa e.V.” mit großer traditioneller Schneeballschlacht am Connewitzer Kreuz wohl die treffendste Antwort auf eine Provokation wie den geplanten Neonazi-Sternmarsch. Zur Erklärung: Nachdem in rechten Kreisen immer wieder das Gerücht gestreut wird, „die Antifa” sei nicht nur staatlich gewollt, sondern sogar durch Steuergelder finanziert, machen sich Aktivisten immer wieder einen Spaß daraus, diese Theorie durch die Veröffentlichung offensichtlich gefälschter „Abrechnungen” oder Forderungen nach „Gefahrenzulage” lächerlich zu machen.

Aber bei all dem Humor ist sich niemand im Zweifel darüber, dass die Kampfansagen für den kommenden Samstag ziemlich ernst gemeint sind. Die ausführliche Liste „bisheriger Erfolge”, die Leipzig den Titel Randalemeister 2015 gesichert haben soll, liest sich entsprechend zwischen satirischer Selbstbeweihräucherung und subtilem Hinweis auf vielfältigen Widerstand. Die Leipziger Polizei scheint die Situation wohl äußerst ernst zu nehmen—wenngleich noch keine offizielle Äußerung zu vernehmen war—und hat bereits jetzt mit einem Funkmastwagen auf der einzigen Leipziger Erhebung Position bezogen.