Titelbild: Sergey Galyonkin | Wikimedia Commons
Als Super Mario-Fan der ersten Stunde stellen sich mir seit Jahren ein paar wichtige Fragen: Wenn Super Mario wirklich ein italienischer Klempner ist, wo liegt dieses Italien dann im Nintendo Universum vom Mushroom Kingdom aus gesehen? Kann man das irgendwo auf einer Landkarte nachvollziehen? Wie weit liegt die Welt, in der unser Held Drachen und Geister bekämpft, von dem italienischen Dorf entfernt, in dem seine „Mamma mia” sehnsüchtig auf seine Rückkehr wartet?
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Seit Nintendo mit der Switch die neue Konsole präsentiert hat sind jedoch einige meiner uralten Mario-Gewissheiten ins Wanken geraten. Neben Zelda und einer Fortsetzung von Splatoon liefert die neue Konsole nämlich auch ein brandneues Super Mario-Abenteuer—doch ein Blick auf die bisher bekannten Infoschnippsel aus Super Mario Odyssey liefert einige überraschende Erkenntnisse.
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Obwohl Nintendo die Mario-Geschichte schon seit vielen Jahren mit immer neuen Spielen fortführt, ist nur recht wenig über die Backstory von Mario bekannt: Er geht mindestens seit 1983 einem menschlichen Job (Klempner) nach, auch wenn er sich über die Jahre in vielen anderen Berufen versucht hat. In Super Mario World 2: Yoshi’s Island sah man Mario als Säugling im Schnabel des Storches, bevor er vom bösen Zauberer Kamek entführt wurde. Außerdem legten Spiele wie Mario Kart durch die friedliche Ko-Existenz von Mario und Baby Mario nahe, dass gewisse Zeit-Paradoxen in dieser Welt möglich sind, aber das führt an dieser Stelle vielleicht zu weit.
Außerhalb der Videospiele wurde Mario stets als Mensch von menschlichen Schauspielern dargestellt. So beispielsweise von Bob Hoskins im Cyberpunk-Fantasy-Thriller Super Mario Bros. und von Captain Lou Albano in 65 Episoden von der Super Mario Brothers Super Show. In beiden Storys Fällen spielt die Suche nach dem Weg nach Hause eine wichtige Rolle—die Suche nach dem grünen Rohr, das die Mario Brüder wieder nach Brooklyn bringen wird. In Marios Abenteuern kommen aber auch historische Ereignisse oder reale Orte vor, wie zum Beispiel in Marios Zeitmaschine und Mario wird Vermisst, in denen der kleine Held durch ein ruhiges San Francisco streift oder Benjamin Franklin über den Weg läuft. Außerdem nehmen die Mario Brüder wiederholt an den Olympischen Spielen teil—zugegebenermaßen sind hier auch Sonic der Igel und seine stacheligen Kumpanen am Start, also finde diese Events vermutlich in einem chaotischen Paralleluniversum statt.
Die Super Mario Odyssey wird Mario an wundersame Orte außerhalb des Mushroom Kingdom führen, unter anderem in einen nebligen Wald und in eine verlassene Villa. Doch keiner dieser Orte irrtiert mich so sehr, wie „New Donk City”, eine cartoonhafte Version von New York City. Und zwar aus einem einem einfach Grund: Sie wird von Menschen bewohnt—von ganz gewöhnlichen Menschen, mit gewöhnlicher Kleidung, normal großen Augen und Nasen, die überhaupt keine Ähnlichkeit mit Mario haben. Dieser Kontrast wird besonders deutlich, wenn man Mario beim Streifzug durch New Donk City sieht:
Bowsers und Marios Ausflug nach New Donk City wirkt wie ein Bruch mit den etablierten Normen im Super Mario-Universum. Hier sind die Straßen nicht mit tödlichen Fallen und Blöcken gepflastert, die sonst so typisch für Marios Abenteuer sind. In New Donk City gibt es viel alltäglichere Hindernisse, wie gelbe Taxis, offene Gullideckel und die ultimativen Monster: Menschen.
Diese Menschen, diese langweiligen Normalos, bilden einen scharfen Kontrast zu Super Mario, der auch in diesem Spiel als fröhlicher Farbtupfer daherkommt, der kaum größer als ein Wasserhydrant ist und bequem auf einer Straßenlaterne stehen kann. Vor Super Mario Odyssey war es ganz der eigenen Fantasie überlassen, sich Marios „echte” Heimat vorzustellen. Da alle menschenartigen Wesen in den Spielen, wie Luigi oder Prinzessin Peach, einen ähnlichen Körperbau wie Mario aufweisen, schien es naheliegend, dass in Nintendos-Fantasiewelt eben alle Leute aus Italien oder wahlweise Brooklyn so aussehen. Doch die ersten Bilder von New Donk City haben diese Illusion nun zerstört. Nun wissen wir, dass die gedrungenen Körper von Mario und Co. nicht einfach auf eine grundsätzliche Spieldesign-Entscheidung von Nintendo zurückzuführen sind. Mario und seine besser aussehende Hälfte Luigi sind anatomisch abnormal.
Ist Mario vielleicht einfach eine Laune der Natur? Bringt das Leben in der Fantasiewelt Mushroom Kingdom etwa schädliche Nebenwirkungen mit sich? Hat er Prinzessin Peach vielleicht angeschwindelt, als er von seiner Vergangenheit erzählte? Und woher stammt überhaupt dieses humanoide Königshaus, das kleine Pilzmännchen, die Toads, als Untertanen hat, die überall als Boten, Diener, und Ladenbesitzer eingesetzt werden?
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass eine innere Cartoon-Logik Mario von einigen physikalischen Grundsätzen befreit. Beispielsweise wissen wir seit Super Mario Galaxy, dass Mario im offenen Weltraum atmen kann, unter Wasser jedoch erstickt. Als liebsten Zeitvertreib und vermutlich auch als Haupteinnahmequelle schlägt Mario seinen knubbeligen Kopf gegen Metallboxen und Ziegelsteine—eine Aktivität, die jedes gewöhnliche menschliche Gehirn längst zu Brei verwandelt hätte. Zugegebenermaßen ist Mario kaum in der Lage, Sätze mit mehr als vier Worten zu bilden—doch nun muss man sich ernsthaft fragen, ob das an den konstanten Gehirnerschütterungen liegt, oder ob diese unbekannte Kreatur komplexer Sprache einfach nicht mächtig ist.
Obwohl Mario mich bereits mein ganzes Leben begleitet, ist mir dank Nintendo Switch nun klar, dass es noch sehr viel gibt, was ich über ihn—oder sollte ich sagen: es— nicht weiß. Wenn Mario gar nicht italienischer Abstammung ist, sondern im Nintendo-Universum ganz woanders herkommt, dann stellt sich auch die Frage: Was sollten all die Jahre Marios berühmte Ausrufe wie „Mamma mia” oder „It’s-a-me, Mario” mit diesem italienischen Akzent?
Klar ist nur: Es gibt noch viel zu entdecken im Nintendo-Universum. Und da Super Mario Odyssey als Spiel ansonsten sehr unterhaltsam aussieht, freue ich mich jetzt schon, es so bald wie möglich zu spielen und noch ein bisschen mehr Lebenszeit mit Mario zu verbringen.