Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Mitglied von Die PARTEI wollte Nico Semsrott gestern vor Journalisten sprechen. Sein Team hatte eine Multimediastation vor dem Plenarsaal in Brüssel reserviert. Eine PowerPoint-Präsentation war vorbereitet. Semsrott versprach einen “milestone in European history”.
Eine Handvoll Journalisten kam. Aber nicht bloß die. Sicherheitspersonal der Parlamentsverwaltung rückte an und verhinderte den Auftritt. Warum? Enthielt die PowerPoint sensible Informationen? Noch hat sie niemand gesehen. Semsrott verriet bloß, dass in seiner Präsentation Kaninchen vorgekommen wären.
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Wir haben ihn angerufen und nachgefragt, was da in Brüssel eigentlich los war.
VICE: Nico Semsrott, was ist da genau passiert?
Nico Semsrott: Wir haben aus unserer Sicht total regelkonform einen Pressespot in der sogenannten VoxBox angemeldet.
Was ist denn eine VoxBox?
Im Gang vor dem Plenarsaal gibt es rechts und links Sprecherpositionen, wo man ein Statement abgeben kann, sowie weitere Multimedia-Studios, die alle unter die audiovisuellen Dienste fallen und innerhalb des Parlaments als VoxBox zusammengefasst werden. Wir haben bestätigt bekommen, dass wir diesen Platz nutzen können und haben dort einen Technikcheck gemacht. Zwei Stunden vor Beginn wurde uns das untersagt.
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Präsentieren wolltest du trotzdem – was hast du unternommen?
Mithilfe der Grünen-Fraktion haben wir eine Alternative organisiert und einen Bildschirm neben dem VoxBox-Bereich aufgestellt. Ein Saaldiener hat uns gesagt, dass das geht, dann kam jemand von der Security, der uns gebeten hat, ein paar Meter vom Plenarsaal wegzugehen. Haben wir gemacht.
Dann kam ein anderer Security-Mitarbeiter und hat uns zurück in den Bereich der VoxBox geschickt, deren Leiter uns wiederum gesagt hat, dass wir kein Equipment der VoxBox nutzen dürften. Der Bildschirm der Fraktion sei aber OK. Dieser Chef der VoxBox hat uns sogar geholfen, unsere Sachen aufzubauen. Plötzlich kam der Chef der Sicherheitsabteilung des Parlaments persönlich. Er hat mir erklärt, wenn ich die Präsentation halte, ziehen sie mir den Stecker.
Das klingt ein bisschen bizarr.
Das ist ein Kindertheater. Dass der Typ da war, muss eine Order von ganz oben gewesen sein, vom Parlamentspräsidium. Wir haben keine Ahnung, wovor die Angst haben. Die Faschisten dürfen hier alles machen, und wir werden als Gefahr gesehen. Das ist absurd.
Die Parlamentsverwaltung sagt, sie hätte einen Alternativort angeboten.
Das ist einfach gelogen. Wir haben gefragt, wo wir das machen dürfen, und sie haben gesagt: nirgends. Das ist krass dreist.
Andere Abgeordnete haben mir erklärt: Abgeordnete sind hier kleine Könige und dürfen durch die Freiheit des Mandats eigentlich machen, was sie wollen, sie sind sozusagen demokratisch gewählte Könige.
Du klagst über “Einschüchterungsversuche” und “massiven Sicherheitsaufwand”. Wie genau haben die Securitys die Präsentation gestoppt?
Sie haben zwei Mitarbeiter*innen und mich umzingelt. Mit sehr vielen Leuten. Sie waren sehr nah an uns dran.
Angekündigt hattest du eine zehnminütige “Penny-Pinching PowerPoint-Präsentation”, in der auch ein Kaninchen vorkommen sollte. Wie kann man sich das vorstellen?
Das sind natürlich Dinge, die ich nicht verraten kann.
Das macht neugierig. Holst du die PPPPP nach?
Wir werden die PowerPoint auf jeden Fall im Laufe der nächsten Woche machen. Eine offizielle Pressekonferenz können sie wirklich nicht verbieten.
Eine größere Veranstaltung als es gestern hätte werden sollen?
Der Streisand-Effekt ist der Presseabteilung dieses Parlaments offenbar kein Begriff. Die arbeiten normalerweise ja unter Ausschluss der Öffentlichkeit und sind verwirrt, dass es jetzt Berichterstattung gibt. Ich möchte mich einfach auch bedanken für die Aufmerksamkeit.
Bist du vorher schon mal in deiner Arbeit eingeschränkt worden?
Grundsätzlich ist eine Bürokratie eine Einschränkung an sich. Ich bin fasziniert und erschrocken, wie langsam alles funktioniert. Für einzelne Formulare braucht man fünf Gänge und zwei Wochen. Einmal haben wir auch Fotos gemacht mit dem parlamentarischen Fotodienst. Der hat manche Bilder aussortiert und uns gar nicht zur Verfügung gestellt. Die Begründung war, dass sie irgendwelche Würderechtlinien oder so verletzen. Ich finde aber, das Bild, wo ich mich auf meinem Schreibtisch in meinem Abgeordnetenbüro räkele, hätte es verdient, an die Öffentlichkeit zu kommen.
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