Der Remix hat schon seit einer Weile keinen allzu guten Ruf mehr. Grund dafür sind die vielen Wankelmut-, The Magician- oder Robin Schulz-Edits, die alle gleich klingen, aber dank massiver Major-Label-Unterstützung und absoluter Formatradio-Tauglichkeit immer wieder auf Platz eins der Charts landen. Jedem einigermaßen musikinteressiertem Menschen geht ihre Dauerpräsenz in Radio, TV, Werbung und Internet ziemlich schnell massiv auf den Sack, was die Maschinerie hinter den Schema-F-Remixern allerdings nicht davon abhält, das Schema nochmal und nochmal anzuwenden. Ein Teufelskreis von Billigmusik, der in Kauf nimmt, dass jeder weitere gleichklingende Robin Schulz-Megahit sich zwar schlechter verkauft als der davor, aber sich immerhin noch verkauft — ohne viel Arbeit gemacht zu haben.
Das Rezept bei diesen ewig gleichen Remixen ist denkbar einfach: Man nehme einen eh schon eingängigen, leicht melancholisch-depressiven Popsong (schließlich soll er die Zerrissenheit der heutigen Jugend transportieren), mache ihn einen Tick schneller (ergo: tanzbarer) und lege eine Viervierteldrum darunter. Die seltsame Gesangsstimme (Grundvoraussetzung!) wird noch durch den einen oder anderen Filter gejagt und der repetitive Charakter des Originals sollte noch mehr herausgestrichen werden. Soll heißen: Im Zweifel können die Strophen auch einfach weggelassen werden, solange der „One day, Baby, we’ll be oooold, oh, Baby, we’ll be oooold”-Refrain nur oft genug wiederholt wird. Bis er auch im dümmsten Gehirn hängen bleibt.
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Der oft nicht ungewollte Nebeneffekt bei dieser Art von Remix ist, dass die bis dato meist vollkommen unbekannten Sänger des Originals auch ein bisschen was vom Kuchen abbekommen. Sei es durch Tantiemen oder eben durch Bekanntheit: Asaf Avidan oder Lilly Wood & the Prick kannte vor den jeweiligen Wankelmut- bzw. Robin Schulz-Bearbeitungen kein Schwein und selbst Lykke Li, die schon eine ganze Weile Musik macht, hatte ihren größten Hit im The Magician-Remix von „I Follow Rivers”. Eigentlich ein bitteres Zeugnis für ihre Karriere, aber sie dürfte Trost im finanziellen Profit gefunden haben.
Ein anderes Beispiel für den künstlerischen Abstieg des Remixes sind lieblose Auftragsarbeiten. Szenario: Ein Majorlabel möchte Newcomer XY schon mit dem ersten Song weltberühmt machen, vertraut aber nicht auf die Kraft des Originals. Die Verantwortlichen nehmen also Geld in die Hand und suchen sich einen superberühmten DJ, der aus dem Original per Remix einen Hit schraubt. Nur leider braucht es selbst in so einer semi-berechenbaren Kategorie wie dem Remix ein bisschen Herz und Leidenschaft, um zu einem erfolgreichen Ergebnis zu kommen. Sagt der DJ nur zu, um sich möglichst ohne viel Arbeit ein kleines Taschengeld dazuzuverdienen und hat dabei nicht das kleinste bisschen Interesse oder gar Leidenschaft für den Originalsong übrig, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Projekt an Mittelmäßigkeit scheitert.
All das wirft ein schlechtes Bild auf diese eigentlich so traditionsreiche und wunderbare Kunstform.
Denn es gibt ja großartige Remixe. Und zwar vor allem da, wo großartige Remixer auf großartige Originale treffen, die sie am besten vom ersten Takt an so begeistern, dass sie von sich aus Bock auf eine Bearbeitung haben und Geld und Ruhm weit hinten anstehen.
Nach einer langen Einleitung darüber, wie belanglos, öde und anwidernd viele Remixe sind, liefern wir also gleich selbst den Gegenbeweis. Hier nun also eine jederzeit bis ins Unendliche erweiterbare All-Time-Favourite-Liste von herausragenden Remixern, die beweisen, dass ein richtig guter Remix eine große Kunst ist, auf die wir nie verzichten wollen.
DJ Koze
DJ Koze ist wahrscheinlich einer der bekanntesten und mit Sicherheit einer der weltweit besten Remix-Künstler. Es gibt unfassbar viele Beispiele für herausragende Koze-Remixes, auf seinen zwei bisher veröffentlichen Remix-Sammlungen Reincarnations Pt.1 & Pt.2 sind die besten davon versammelt. Im kommenden Juni erscheint die neueste !K7 DJ Kicks von Koze, mit einer Reihe von exklusiven Edits. Das Besondere an seiner Arbeit ist, dass Koze der Spagat zwischen seinem sehr eigenen Signature-Sound und Treue zum Original mühelos gelingt. Man erkennt seine Remixes meist ziemlich eindeutig und doch schafft er es, eine enorme Vielseitigkeit zu wahren, die mal näher am Original ist, mal weiter davon entfernt — und niemals nach dem selben, schon zig mal erprobten Schema vorgeht.
Tensnake
Tensnake ist früh in seiner Karriere als Remixer bekannt geworden. Genau aus diesem Grund verzichtete er zuletzt eher darauf, allzu viele Remixes zu machen. Die Gefahr ist ihm zu hoch, Ideen „zu verschenken”, wie er letztes Jahr im Thump-Interview erzählte. Dennoch hat der Hamburger ein paar überragende Remixes in seiner Diskographie: The Faint, Junior Boys, London Grammar, Little Dragon, Goldfrapp. Oft pickt sich Tensnake nur ein sehr kleines Element aus dem Original und baut einen komplett neuen Track drumherum. Kein Wunder, dass er befürchtet, auf diesem Weg Ideen zu verschenken.
Carl Craig
Der Pate des Detroiter House, quasi der Sven Väth der amerikanischen Techno-Kultur, hat sich in den letzten 25 Jahren als Produzent, DJ und Remixer unsterblich gemacht. Die meisten seiner Remixes und Edits bleiben in den weiten Grenzen der elektronischen Musik, einen Lilly Wood & The Prick-Song würde Craig wohl links liegen lassen. Er bewegt sich im Club, nicht im Formatradio. Einer seiner bekanntesten Remixes ist schon ein paar Jahre älter, aber ein absoluter Klassiker in vielen Sets und Mixes: seine Bearbeitung von Junior Boys’ „Like A Child”. Mehr als zehn Minuten nimmt sich Craig, um einen durchdringenden, treibenden Track aufzubauen. Dabei vertraut Craig voll auf die wichtigsten Elemente des Originals — die Gesangsstimme und die hohen Synthieflächen. Seine Viervierteldrum ist das erste Mal nach 3 Minuten und 40 Sekunden zu hören — nimm das Robin Schulz!
Dixon
Dixon ist ein Liebhaber guter Popmusik, ohne dabei jemals in Gefälligkeit abzurutschen, was sich in seinen unzähligen Remixes immer wieder zeigt. Es fällt schwer, einzelne Beispiele herauszusuchen, aber ein Meisterwerk ist sein Remix von The xx’ „Tides”. Zu Beginn sehr weit vom Original entfernt und deutlich mehr im Club-Kontext, nähert sich der Dixon-Remix mit jedem Takt sanft mehr und mehr dem Original an, um nach viereinhalb Minuten elegisch in den Vocals und Streichern zu schwelgen. Die perfekte Mischung aus Club und Pop.
James Holden
James Holden macht auch vor einem Britney Spears-Remix keinen Halt, aber das Ding ist, dass er aus Britneys Spätwerk „Breath On Me” ein absurd verschwurbeltes und zugleich eingängiges Stück House macht, das die meisten Britney-Fans wohl kaum überhaupt erkennen würden. Neben Britney hatte James Holden schon Songs von Depeche Mode, Radiohead und Madonna unterm Messer. Angst vor großen Namen kann man ihm also nicht vorwerfen. Der große Hit gelang James Holden allerdings schon vor mehr als zehn Jahren mit seiner Version von Nathan Fakes „The Sky was Pink”. Ein Klassiker der House-Historie und der endgültige Durchbruch für den damals 25-Jährigen.
Trentemøller
Trentemøller war vor vor ein paar Jahren mal der gefragtesten Remixer überhaupt. Grund waren seine Überarbeitungen von Röyksopps „What Else Is There” und The Knifes „We Share Our Mother’s Health”. Die stilistische Ähnlichkeit ist bei beiden Tracks nicht von der Hand zu weisen, weder im Original (Karin Dreijer-Andersons unverwechselbarer Stimme sei Dank) noch im Trentemøller-Remix. Statt als Remixer Millionen zu scheffeln, zog sich Trentemøller nach diesen sehr großen Erfolgen jedoch etwas in eine weniger Dancefloor sprengende Ecke zurück. Auch seine Remixe wurden in den letzten Jahren eher verträumt zurückhaltend, was letztlich aber nur ein Beweis für die Vielseitigkeit und Musikalität des Anders Trentemøller ist.
HNNY
Der Stockholmer HNNY (sprich: Honey) ist ziemlich neu aber schon sehr gefragt auf dem Parkett der Remixer. Sein Rezept ist, eher das Tempo etwas rauszunehmen und melodische Soundbetten schwelgen zu lassen, hier und da das Original aufzunehmen, aber meist viel mehr einen eigenen Sound zu entwickeln. Bei seiner Bearbeitung von Dantes „Champagne Problems” — im Original ein recht belangloses Stück Pop — nimmt sich HNNY fast 23 (!) Minuten Zeit für einen in zuckersüßen Melodien badenden Remix, der ruhig auch doppelt so lang hätte sein dürfen.
Shigeto
Ein letztes Beispiel aus einer ganz anderen Richtung — denn wenn es dem Ghostly International Musiker Shigeto um eine Sache wohl nicht geht, dann um Dancefloor-Tauglichkeit. Das macht seine Remixes von Grund auf zu etwas Besonderem, denn die meisten Neubearbeitung entstehen nun mal aus dem Grund, Tracks clubbiger und für DJs leichter zu mixen zu machen. Bei Shigeto dürfte das nicht das primäre und auch nicht das sekundäre Ziel sein, dennoch tritt er regelmäßig als Remix-Artist in Erscheinung. Ziemlich herausragend ist seine Hundred Waters-Bearbeitung, auch Shlomo hat er schon geremixt. Am bekanntesten dürfte aber sein „Futile Devices”-Remix von Sufjan Stevens sein. Ein Song, der im Grunde nicht remixbar ist – Shigeto gelingt hier jedoch das Unmögliche, mit einem Future-Beat, jeder Menge Echo und Loops an genau den richtigen Stellen.
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Natürlich kann dieser Artikel noch ewig ausgebaut werden, schließlich ist die Welt der elektronischen Clubmusik voll mit großen Remixern, Four Tet, Gui Borrato, Fred Falke, und, und, und. Welches ist dein Lieblings-Remix? Poste ihn unter diesem Artikel: