Angeblich verkauft der Kopp-Verlag jeden Tag 15.000 Bücher und ist dabei ein unerschöpflicher Quell der Freude. Skandal reiht sich dabei an Weltuntergangsszenario, an ungeahnte Verschwörungen, Umvolkung, UFOs und an alles andere, was die Herzen der besorgten Bürger so bewegt. Viel davon ist tendenziell eher belanglos (Bier selbst gebraut, 3,95 Euro), albern (Jesus, UFOs, Aliens, 17,95 Euro) oder so stereotyp aluhuthaft, dass alle Witze darüber schon gemacht sind (Chemtrails existieren DOCH!, 22,90 Euro). Aber Kopp veröffentlicht daneben auch Bücher und Artikel, die den Verfassungsschutz dazu bewogen haben, denVerlag zu beobachten.
Die Profis bei Kopp wissen aber auch, was im Internet immer gut geht: Listen nämlich. Gestern erschien auf der Website des Verlages ein Artikel namens “Schockierend einfache Fertigkeiten, von denen unsere Jugend keine Ahnung hat”. Mike Adams, ein Autor, der ansonsten über die “Zombieapokalypse der Pokémon-Rattenfänger” schreibt, oder darüber, dass Kinder zu Transsexuellen gemacht werden, hat “40 Dinge, von denen unsere mitleiderregenden Millennials keine Ahnung haben” gesammelt.
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Weil es hier um einen Artikel bei Kopp Online geht, ist die Apokalypse natürlich nicht fern. Alle “Millennials” sind “nur ein einziges Ereignis davon entfernt (…), durch irgendeine Störung (einen Stromausfall, eine Naturkatastrophe etc.) im Zuge der natürlichen Selektion aus dem menschlichen Genpool geworfen zu werden.” Es geht also um ALLES. Das Überleben der Menschheit steht in Frage.
Aber was können wir oder wen auch immer dieser Mann als “Millennials” versteht, denn nun alles nicht? Zum Beispiel Folgendes:
“Einen Samen in die Erde setzen und eine essbare Pflanze daraus ziehen.
Einen Bleistift spitzen ohne Spitzer.
Irgendeinen Baum oder einen Vogel in der echten Welt benennen.
Mithilfe einer Straßenkarte aus Papier navigieren, ohne das GPS zu benützen.
Eine echte Mahlzeit kochen, ohne Instant- und Mikrowellenprodukte.
Einen Wagenheber benutzen, ohne das Auto zu zerschrammen.
Wäsche auf der Wäscheleine aufhängen.
Eine Glühbirne wechseln.
Irgendein Lebensmitteletikett lesen und verstehen.
Eine Dose ohne jede Elektrizität öffnen.”
Und unser Favorit:
“Einen 20 Kilogramm schweren Futtersack über der Schulter 50 Meter weit tragen.”
Diese Liste wirft einige Fragen auf. Die drängendste vermutlich: What the Fuck? Aber auch sonst: Wer sind die Jugendlichen, auf denen diese Liste basiert? Verwechselt Mike Adams Menschen mit, sagen wir mal, Steinen? Oder Holzstücken? Oder liegen alle Jugendlichen, die Mike Adams kennt, im Koma? Die Situation ist verwirrend.
Beweise für irgendeinen Punkt auf der Liste braucht man selbstverständlich nicht. Stattdessen rät der Autor zum “FAKTEN-CHECK”. Die Leser sollen doch bitte bei einem ihnen bekannten Jugendlichen klingeln und bitten, irgendeine der Tätigkeiten auszuführen. Es mag zwar ein schöne Vorstellung sein, wie ein aufgebrachter Kopp-Leser beim Nachbarn mit Teenagerkindern sturmklingelt, dem Jugendlichen einen abgebrochenen Stift entgegenhält und schreit “SPITZ DIESEN BLEISTIFT! OHNE SPITZER! ODER WIR MÜSSEN ALLE STERBEN”, aber gleichzeitig ist es auch etwas beängstigend und könnte durchaus für Probleme im Nachbarschaftsverhältnis sorgen.
Selbst wenn wir das Schlimmste annehmen (Kopp-Leser nehmen immer das Schlimmste an) und die Amerikaner uns mit Magnetwellen (HAARP ist mehr, 29,90 Euro) und Fluor (Fluor – Vorsicht Gift!, 16,80 Euro) soweit schwächen, dass die Umvolkung (Umvolkung – Wie die Deutschen still und leise ausgetauscht werden, 14 Euro) losgeht, der Bürgerkrieg kommt (Vorsicht Bürgerkrieg!, 9,95 Euro) und/oder die Welt untergeht (Weltuntergang 2019 – Die apokalyptischen Prophezeiungen des Nostradamus, 29,90 Euro), ist immer noch nicht klar, wie ein auf einer Wäscheleine aufgehängtes T-Shirt das in irgendeiner Weise ändern könnte.
Wenn man diesen Artikel, und den Kopp-Verlag generell, für eine Mikrosekunde ernst nimmt und hinterfragt, dann kann man ziemlich leicht erkennen, worum es hier eigentlich geht: Angst. Angst vor einer Welt, die man nicht mehr so richtig versteht, Angst vor Veränderungen und Angst vor Technologien, mit denen man selbst nicht mehr umgehen kann. In einer fiktiven Vergangenheit, in der man noch selbst Futtersäcke schleppen musste, war eben noch alles besser.
Man kam noch klar mit den eigenen beschränkten Fähigkeiten und konnte sich wie ein Held fühlen, wenn man den Weg ins Nachbardorf gefunden hat, ohne an Google Maps zu verzweifeln. Mal ganz abgesehen davon, dass die Welt nie so war, wie der Kopp-Verlag sie sich vorzustellen scheint, gibt es auf der Liste “Schockierend einfache Fähigkeiten, von denen der Kopp-Verlag keine Ahnung hat” deswegen auch eigentlich nur einen Punkt:
Mit der Welt, in der wir leben, klarkommen, ohne permanent Angst vor der Apokalypse, dunklen Mächten und Dingen zu haben, die man nicht versteht, ohne dabei ein verkürztes Weltbild zu zimmern, das ausschließlich aus Schwarz und Weiß besteht.
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