Sex

Eine kleine Geschichte der weiblichen Schambehaarung in Pornos

Foto: Marcel/Stocksy

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Heutzutage gilt Schambehaarung bei Frauen schon fast als politisches Statement, doch die Frage, ob der Pelz entfernt werden sollte, beschäftigt uns schon seit Jahrhunderten. Früher war es ein Zeichen dafür, dass ein Mädchen körperlich zur Frau wurde, oder geschlechtsreif, doch heute handelt es sich um ein kontroverses Thema. Manche Frauen behalten ihre Behaarung, weil sie sich so wohler fühlen, weil sie sich so nicht dem durch Pornos verzerrten männlichen Blick beugen und weil es weniger Arbeit macht. Andere sehen die monatliche Waxing-Sitzung als so normal an wie das morgendliche Zähneputzen. Doch die Geschichte des Buschs beginnt schon Jahrhunderte bevor die Porno-Industrie anfing, Trends vorzugeben.

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Von den Ägyptern bis Darwin

Ein voller Busch mag natürlich sein, doch Männer und Frauen rasieren sich schon seit dem alten Griechenland und Ägypten das Schamhaar. In Hieroglyphen sind Frauen zu sehen, die kleine Dreiecke der Behaarung haben, und dazu die Rasiermesser, mit denen sie die Haare trimmten. Für die Ägypterinnen ging es dabei mehr um praktische Gründe als die Ästhetik: Je weniger Haar sie hatten, desto geringer war die Chance, sich Läuse einzufangen oder in der brennenden afrikanischen Sonne einen Hitzschlag zu erleiden. Laut dem Buch Encyclopedia of Hair: A Cultural History von Victoria Sherrow entfernten Frauen im alten Griechenland die Haare, weil sie glaubten, eine Busch sähe „unzivilisiert” aus. Die griechischen Bildhauer der Antike zeigten ihre Göttinnen und Frauen auch fast ausschließlich haarlos.

Nachdem er die indigenen Völker der westlichen Hemisphäre beobachtet hatte, merkte Darwin an, dass Schamhaar in vielen Kulturen ungewöhnlich sei, denn viele Menschen würden es aus religiösen oder hygienischen Gründen ablehnen. Auf seine typische Darwin-Art, die ihn für spätere Generationen anstößig machte, sagte er, der „Verlust der Körperbehaarung” sei ein direktes Ergebnis der Evolution: Frauen würden ihr Haupthaar wachsen lassen und den Rest abrasieren, um Männern, den „sexuellen Selektoren”, zu gefallen. Er ging sogar so weit, einen Zusammenhang zwischen behaarten Frauen und „Schwachsinn” herzustellen. Zu viel Körperbehaarung bei Frauen sei nicht nur „lächerlich abscheulich”, sondern auch ein Zeichen für „Degeneration”.

Griechische Statue der Aphrodite Anadyomene, ca. 2. Jahrhundert v. Chr., Metropolitan Museum of Art | Foto: Claire H. | Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0

Bikinis und Barely Legal

Eine beliebte Legende besagt, dass Marylin Monroes Haushälterin einmal ins Zimmer kam, als die Hollywood-Diva mit gespreizten Beinen dasaß und ihr Schamhaar bleichte, sodass es zu ihren platinblonden Locken passte. Die Filmikone mochte es offensichtlich natürlich (wenn auch farblich angepasst), doch als sie für ihre berühmten Fotos über einem New Yorker Lüftungsschacht posierte, trug sie zwei Slips übereinander, damit Passanten nicht versehentlich einen Blick auf ihr Schamhaar erhaschen konnten. Und so war es auch jahrzehntelang Etikette: Weibliche Schambehaarung durfte im Privaten bewundert werden, doch dieses Zeichen der körperlichen Reife öffentlich zu zeigen, war undenkbar.

Die Erfindung des Bikinis im Jahr 1946 führte zu einer großen Veränderung, denn es gab nun ein neues Körperteil: die Bikinizone. Als die neue Bademode in den 1960ern die USA erreichte, wurde Frauen eine Prozedur nach der anderen verkauft—Epilation, Elektrolyse, etc.—, um dem plötzlichen „Problem” Herrin zu werden.

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Der erste Auftritt der weiblichen Schambehaarung in den Medien geschah als Teil der Rivalität zwischen dem US-amerikanischen Playboy und dem britischen Magazin Penthouse. Nach dem US-Debüt des Letzteren, bei dem bereits Schamhaar zu sehen war, musste Playboy nachziehen.

Dann veröffentliche Larry Flynt 1974 das Magazin Barely Legal, in dem Nacktfotos von 18-jährigen Mädchen zu sehen waren. Vor dem Hintergrund der starken feministischen Bewegung der 1960er und 1970er entsteht das Bild eines jungen, unbehaarten Mädchens, das den sexualisierten Status aufrechterhalten sollte, dem sich Feministinnen nicht nur mit Gesetzen zur Gleichstellung, sondern auch mit ihrer eigenen Körperbehaarung entgegenstellten. Um sich von den als hässlich gebrandmarkten Feministinnen zu distanzieren—und natürlich um Männern zu gefallen—, fingen viele Frauen an, sich zu rasieren.

Foto: HOWL/Stocksy

Eine Landebahn in Brasilien

Anfang der 1980er war die Musik laut, die Mode war bunt, das Haar toupiert und Porno-Darstellerinnen und -Darsteller sahen noch ziemlich normal aus. Damals hatte man keine Angst, mit ein paar Speckröllchen und einer Menge Behaarung vor der Kamera zu ficken.

Im selben Jahrzehnt wurde BDSM bekannt, und der VHS-Markt erlaubte es den Leuten, bequem zu Hause Pornos anzusehen. Somit wurden auch BDSM-Pornos sehr einflussreich, was eine große feministische Diskussion auslöste. Manche argumentieren, da die Frauen in den BDSM-Pornos oft als schwach und verletzlich dargestellt würden—und weil weibliche Körperbehaarung zu einem Symbol des Widerstands geworden war—, würde man die Frauen in diesem Genre kahl rasiert zeigen. Andere behaupten, Haarlosigkeit sei einfach besser, für Klammern, Wachsspiele und überhaupt fürs Gefühl.

Mit der Verbreitung des Internets fing in den 90ern der Boom der Porno-Industrie an. Jungs und Mädchen mussten nicht länger die alten Playboy-Ausgaben aus dem elterlichen Kleiderschrank graben, denn Darstellungen von nackten Körpern und Sex waren einfach überall. Das führte dazu, dass die Schamhaar-Konventionen der Pornografie anfingen, in den Mainstream zu gelangen. Frauen begannen, häufig natürlich in Reaktion auf die Wünsche ihrer männlichen Partner, es den Porno-Darstellerinnen gleichzutun. Und so verschwand der Busch nach und nach fast völlig: Trimmen wurde zu Landebahnen, und diese wichen dann dem kompletten Kahlschlag.

Ein typisches Schamhaar-Stock-Foto | imago | imagebroker

Pornos heute

Es gibt eine Theorie, die besagt, dass das Verschwinden der Schambehaarung in Pornos ein Resultat erhöhten Interesses an sexueller Aktivität ist. Wenn wir uns einen Porno ansehen, dann wollen wir so viel Interaktion zwischen Genitalien sehen wie möglich. Dabei versperren Haare nur die Sicht und lenken uns ab.

Die Pornodarstellerin jessica drake, die die DVD-Reihe jessica drake’s Guide to Wicked Sex gedreht hat, fing Ende 1999 an, in Pornos mitzuspielen. Da sie auch schon vor ihrem Einstieg ins Geschäft selbst oft Pornos ansah, erinnert sie sich noch, dass die Landebahn der größte Schamhaartrend der 90er war. „Ich habe schon viel gesehen”, sagt drake. „Als ich noch neu war, wollte ich tun, was alle anderen Neulinge taten. Ich dachte, ich müsste die anderen Mädchen imitieren. Ich weiß noch, dass ich mich bei den ersten paar Castings für meine fehlende Behaarung entschuldigt habe. Ich hatte mich schon lange rasiert, weil es mir persönlich so besser gefiel, doch damals gab es immer mehr einen Markt für Abwechslung. Ein paar Mal wurde ich sogar gebeten, mir für einen Film einen Busch wachsen zu lassen.”

Die Abwechslung, die drake erwähnt, kommt daher, dass mit dem Internet zahllose Pornos Konsumenten direkt zu Hause zugänglich sind. Die Statistiken machen deutlich, dass es heutzutage für so ziemlich jede Art der Pornografie einen Markt gibt.

Je länger drake in der Industrie war, desto mehr veränderten sich die Trends. Die Landebahn wurde von der Komplettrasur abgelöst. Sie erinnert sich, dass während dieser Zeit nur Frauen, die in Fetischfilmen mitspielten, sich Schamhaar stehen ließen. Anfang der 2000er galt „Bush” als eine Fetisch-Kategorie, für einen kleinen Markt von Männern, die kein Problem damit hatten, eine „reife” Frau vor der Kamera zu sehen. Die Medien waren voll von Diskussionen über das Brazilian Waxing und seine Bedeutung für Frauen.

Mit Blick auf die Zukunft meint drake, die Pornografie würde nun endlich die Entwicklung der menschlichen Sexualität einholt. In anderen Worten, der Aufstieg verschiedener Arten des Mainstream-Porno—und vor allem feministischer Porno—hätten Frauen zumindest ein Stück weit von Schamhaartrends befreit. „Frauen können endlich nachahmen was sie sehen, doch weil es da draußen so viel gibt, können sie nachahmen, was auch immer sie wollen”, sagt sie. „Endlich gibt es keine Verallgemeinerung darüber, was Frauen mit ihrem Schamhaar tun oder lassen sollen. Auf dem heutigen Markt ist im Grunde erlaubt, was gefällt.”