Es ist Samstag, ein Uhr morgens und ich bin nüchtern. Ich möchte definitiv nicht nüchtern sein, aber ich bin es. Um diese Uhrzeit nüchtern zu sein, ist mir völlig fremd. Es ist genauso befremdlich, wie um acht Uhr morgens betrunken zu sein—was ich wirklich noch nie gebracht habe, auch wenn alle Menschen einschließlich meiner Mutter mich für den größten Schluckspecht überhaupt halten.
Ich bin heute Nacht nüchtern, weil ich es gestern nicht war. Gestern war ich besoffen. Meine Ausrede? Ein Geburtstag. Eine Gruppe von Partygästen hatte mich umzingelt und mir zu dem Artikel gratuliert, den ich kürzlich über mein Alkoholproblem geschrieben habe. Sie stießen mit mir an. Ich habe ihre gut gemeinten Worte mit dem bisschen Anstand, das ich in meinem betrunkenen, übernächtigten Zustand aufbringen konnte, heruntergeschluckt. Ich hatte so viel getrunken, dass ich anfing, von meiner Ring-Karriere in der Highschool zu erzählen (Ich habe eine Bronze-Medaille bei einem Wettbewerb in meinem Bundesstaat gewonnen, aber auch nur deshalb, weil es in meiner Gewichtsklasse nur zwei andere Mädchen gab). Ich hatte zweifelsohne mehr als genug intus.
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Ich wachte um 15 Uhr auf und war zu nichts zu gebrauchen. Ganz wie in alten Zeiten. Ich hatte mir gestattet, mich abzuschießen, weil es in der Gegenwart anderer Menschen geschah. Das ist meine neue Regel: Trinke niemals alleine. Aber wenn ich von anderen warmblütigen Säugetieren umgeben bin, habe ich die Erlaubnis, eine (oder auch acht) Dosen Billigbier runterzukippen. Mir selbst vorzuschreiben, dass ich nicht allein trinken darf, heißt im Umkehrschluss, dass ich so lange wie möglich aufbleibe, um in der Gegenwart anderer Menschen zu trinken. Meine neue Regel ist also ziemlich schwachsinnig.
Nachdem ich den Nachmittag damit zugebracht hatte, ins Leere zu starren und meine Sachen zusammenzuklauben, trat ich heute Abend als Comedian auf und—jetzt kommt’s—war dabei nüchtern. Das lag nicht daran, dass es keinen Alkohol gegeben hätte. Backstage gab es Bourbon, mein Lieblingsgetränk. Ich habe mich jedoch dafür entschieden, den Whiskey zu ignorieren, und das obwohl jede Faser meines Körpers sich danach verzehrte. Verdammt noch mal, er war schließlich gratis! War ich denn verrückt? Ich konnte nicht beurteilen, ob meine Performance, die normalerweise vom Fusel „optimiert” wurde, ohne den Alkohol scharfsinniger oder glattgebügelter war. Realistisch gesehen war sie wohl besser. Stringenz macht die Kommunikation schließlich einfacher.
Danach ging ich zu einer weiteren Geburtstagsfeier, die in einer etwas bonzigen Bar in Hollywood stattfand. Ich nippte an meinem Wasser und lobte mich selbst dafür, dass ich keine acht Dollar für einen Cocktail ausgab. Meine Selbstzufriedenheit wegen des gesparten Geldes war allerdings die einzige Freude, die mir bei dieser Feier zuteilwerden sollte. Mit einem Blutalkoholgehalt von 0.00 war ich nicht in der Lage, mich mit anderen zu unterhalten. Acht Dollar sind nicht viel für das Gefühl sozialer Geborgenheit. Ich bin früh wieder gegangen.
Seit ich meinen Alkoholkonsum eingeschränkt habe—die ganzen verdammten acht Tage—, bin ich überwässert. Ich exe Wasser inzwischen mit demselben Enthusiasmus, der sonst nur Bourbon vorbehalten war. Irgendetwas muss ich ja trinken. Meine Blase ist schwer. ich schwappe beim Gehen über. Es wird zum Problem.
Foto: Jamie „Lee Curtis” Taete
Ich habe getrunken, um einschlafen zu können. Mein Ex hat mir ein bisschen Gras hinterlassen, das ich stattdessen ausprobiert habe. Es hat nicht funktioniert. Nach dem Kiffen bin ich wieder wachgeblieben und habe dieselben dämlichen Sachen im Internet gemacht, die ich auch mache, wenn ich betrunken bin. Als ich aufgewacht bin, war ich total groggy, genau wie wenn ich mich betrunken hätte. Wie können die Leute, die das Zeug die ganze Zeit rauchen, überhaupt funktionieren?
Schlaf ist in der Tat ein Problem. Das war er aber schon immer. Ich schlafe ein, ich wache auf, ich schlafe wieder ein, ich wache wieder auf, ich bleibe wach. Im unaufhörlichen weißen Rauschen hallt das unaufhörliche Rauschen meiner Gedanken wider, meiner Ängste, meines Bedauerns, der To-Do-Listen, die mich wachhalten. Wenn ich nüchtern bin, sind sie noch lauter. Großartig.
Mach Sport, meditiere. Das riet mir meine Freundin Merrill. So sollte ich die inneren Dämonen in Schach halten, die mich zum Dämon Alkohol verleiteten. Sie brachte mir ein Mantra bei. Es war an ihres angelehnt, aber eben nicht dasselbe, denn für ein eigenes Mantra muss man sich zum Transcendental Meditation Center begeben und so einem Schamanen einen Haufen Geld in die Hand drücken. Dafür verdiene ich nicht genug. Das Mantra, das Merrill mir beigebracht hat, bestand nur aus zwei bedeutungslosen Silben (bedeutungslos heißt in diesem Fall, dass sie in irgendeiner erleuchteten Sprache etwas bedeuten). Ich beschloss, mir selbst ein Mantra auszudenken—eins in einer Sprache, die ich verstehe. Ich entschied mich für „rein, raus”. So werden Babys gemacht, so werden Maschinen hergestellt, Karten gestempelt, so arbeiten unsere Lungen. Die Quelle allen Lebens. Rein, raus.
Ich lag auf meinem Bett, hatte mir die Decke über den Kopf gezogen und wiederholte mein Mantra. Rein, raus. Merrill hatte mir gesagt, dass es völlig normal sei, wenn mir unzusammenhängende Gedanken durch den Kopf schwirrten, aber dass ich sie so gut es geht ignorieren müsste. Ich gab mir alle Mühe, nicht darüber nachzudenken, mit wem mein Ex jetzt das Bett teilte, ob meine Mutter stolz auf mich war und so weiter. Es gelang mir ganz gut, bis mein Kater anfing, mich unter der Decke anzugreifen. Er war kein Gedanke, er war ein Kater. Und im Gegensatz zu Gedanken war es unmöglich, ihn zu ignorieren. Ich gab mich geschlagen ohne einer Erleuchtung nahe gekommen zu sein.
Ich nutzte mein Rudergerät, auf dem ich normalerweise Zigaretten rauche, tatsächlich zum Rudern. Nach 35 Minuten sollte man genug Endorphine ausgeschüttet haben. Danach sollte es mir besser gehen, hatte Merrill mir gesagt. Das Ganze war unglaublich mühsam, jeder Augenblick kam mir wie 35 Minuten vor. Auf halber Strecke ins Nirvana gab ich auf.
Ich fragte meine Freundin Karen, warum sie aufgehört hatte zu trinken. „Wegen der Krampfanfälle”, antwortete sie. Schön und gut. Das ist ein guter Grund, um aufzuhören. Ich hatte nie Krampfanfälle wegen des Alkohols, aber ich habe mal eine ganze Folge Last Call With Carson Daly gesehen, weil ich zu besoffen war, um umzuschalten. Also, wer ist hier schlechter dran? (Sie, definitiv sie.)
Die Leute fragen mich, weshalb ich mich entschlossen habe, weniger zu trinken. Weil ich so nicht weiterleben konnte, antworte ich ihnen. Nach dieser Antwort starren sie mich ausdruckslos an. Viele sagen mir auch, dass ich den Eindruck erwecke, Alkohol sehr gut zu vertragen. Das ist fast wie eine Heroinabhängige zu beglückwünschen, weil sie ihre Einstichwunden so gut versteckt. Die Tatsache, dass ich in betrunkenem Zustand nie eine riesige Szene gemacht hatte, beeindruckte die Leute (Um aber ganz ehrlich zu sein: Ich bin mal die Treppe heruntergefallen).
Seit ich über mein Alkoholproblem geschrieben habe, habe ich Dutzende von ellenlangen E-Mails von Leuten bekommen, die auch gegen ihre Trinksucht kämpfen. Ihre Probleme erscheinen tausendmal größer als meine, weshalb ich mich wie eine Hochstaplerin fühle. Ich bin keine Expertin, ich trinke bloß zu viel. Ich antworte aber gern auf diese E-Mails—ich fühle mich dann nicht so allein. Obwohl ich natürlich allein in meiner Wohnung sitze, während ich darauf antworte.
Der Artikel, den ich geschrieben habe, war kein Hilfeschrei. Er war eine Feststellung. Er war auch kein Ausdruck dessen, dass ich aufgegeben habe. Aufzugeben ist meine Grundeinstellung. Ich wollte das Aufgeben aufgeben, mich dazu zwingen, es zu versuchen. Es zu versuchen, ist mir genauso fremd, wie nüchtern zu sein. Ich hasse es. Ich hasse das Versuchen. Aber ich bin daran gewöhnt zu hassen. Deshalb bin ich überhaupt so weit gekommen.