All You Need Is <3: Ein Interview mit Paul McCartney über seine Emojis

Kurz bevor unser Telefonat angesetzt ist, meldet sich Paul McCartneys Presseagent mit einer kurzen Nachricht: „Ja, entschuldige … Wir sind uns nicht ganz sicher, wann er anrufen wird. Er ist gerade in seiner ‚Paul Time‘.“

Normalerweise wäre eine Nachricht wie diese ein wenig nervig. Aber es ist OK, denn, naja, es ist Sir Paul McCartney, wahrscheinlich der wichtigste Musiker, der jemals gelebt hat. Er ist Ritter und ein Beatle und über seine einmaligen Frisuren wurden tatsächlich Bücher geschrieben. Wenn man bedenkt, dass beinahe jede Person Texte von ihm zitieren kann, könntest du sagen, dass die gesamte Menschheit „Paul Time“ macht.

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Letztendlich ruft er ungefähr eine Stunde später an. Und er ruft an, um mit mir über Emojis zu reden.

Ja, Emojis. Der Grund, warum ich mit einem Beatle spreche, ist, weil er sich vor Kurzem mit Skype für einige Emojis mit Liebesthematik namens „Love Mojis“ zusammengetan hat, die die Firma im Rahmen des Valentinstags eingeführt hat. McCartney wurde an Bord geholt, um für jedes Emoji Musik aufzunehmen, mit Gitarre, Schlagzeug, Synthesizern, Xylophon und seiner Stimme. Auf den ersten Blick erscheint diese Sache ein wenig seltsam—aber wenn du genau darüber nachdenkst, dann sind Emojis vielleicht die effektivste Form der emotionalen Kommunikation, die wir heute verwenden. Sie sind die Beatles-Songs der Smartphone-Tastatur. Du hast ein schlechtes Gewissen wegen einer knapp geratenen Email, die du verfasst hast? Schick ein lachendes Gesicht hinterher. Du schickst einen sarkastischen Kommentar an einen Freund, der als Witz aufgenommen werden soll? Pack einen auf dem Kopf stehenden Smiley dazu. Du willst sexten? Dann vergiss die Aubergine oder den Pfirsich nicht.

„Die einzige Gefahr bei diesem Projekt war, ob ich einfach dachte: ‚Ist das zu albern für mich, um meine Zeit damit zu verbringen?‘ Es wird Leute geben, die das sagen werden und natürlich werfe ich das auf, indem ich es selbst sage“, so der 73-Jährige. „Aber ich mache das—bestimmte Dinge wie diese, die ein bisschen abseitig sind und nicht das, was ich normalerweise mache—genau deshalb. Weil es nicht das ist, was ich normalerweise mache.“

Außer über Emojis sprach McCartney während unseres 17-minütigen Gesprächs mit mir darüber, wie er kleine Projekte wie diese—oder andere, wie die Arbeit mit Kanye West—nutzt, um sich selbst kreativ frisch zu halten. Was recht herausfordernd sein muss, wenn man bedenkt, dass er in seiner sechs Jahrzehnte umspannenden Karriere 60 goldene Schallplatten eingesammelt und mit den Beatles und als Solokünstler über 100 Millionen Alben und 100 Millionen Singles verkauft hat und er, ach ja, Paul McCartney ist. Wenn ich hier sitzen und dir seine Wichtigkeit erklären würde, wäre das albern. Ihn als Legende zu bezeichnen reicht gar nicht aus.

Noisey: Hallo?
Paul McCartney:
Hallo Eric, hier ist Paul, ich rufe aus England an.

Hallo Paul, wie gehts dir?
Gut. Ich hoffe, du hast meinen Anruf erwartet—ansonsten ist das eine ziemliche Überraschung.

Ja, habe ich. Wie geht es dir heute Nachmittag?
Mir geht es gut, danke. Ich bin gerade in meinem Aufnahmestudio angekommen; ich sitze draußen im Auto und spreche mit dir, bevor ich reingehe.

Cool. Also ich wollte dich schon immer interviewen, hätte aber nicht gedacht, dass es wegen dieser Art von Sache sein würde. Ich denke, wir sollen über Emojis sprechen.
Ja, ich denke, darum geht es.

Also, wie ist es zu diesem Deal gekommen und was ist da passiert?
Weißt du, die jungen Leute in meinem Büro—mein Team—wissen, dass ich gerne neue Ideen höre und sie wissen, dass ich entweder „auf keinen Fall“ oder „hmmmm, das ist interessant“ sage. Einige meiner Leute hatten mit einer Sache in Japan mit LINE zu tun [einer japanischen Social-Media-Plattform], wo es Emojis von mir gab. Japanische Kids hatten also dieses kleine Ding von mir, mit dem sie zu ihren Freunden „Es tut mir leid“ oder „Ich liebe dich“ oder was auch immer gesagt haben. Also wusste ich in etwa, was los ist. Ich war beeindruckt, als ich hörte, dass 11 Millionen Leute diese Dinger benutzen, also dachte ich: „Das ist irgendwie cool.“ Aber es war nichts, was mich wirklich interessiert hat, außer, dass ich selbst … Wenn ich das Gefühl hatte, dass eine Nachricht, die ich jemandem schicke, als etwas zu ernst wahrgenommen werden könnte, dann habe ich einfach ein lachendes Gesicht oder so dahinter gemacht.

Genau, natürlich. So machen es alle.
Also, ja, ich habe diese Emoji-Sache verstanden und habe es sporadisch benutzt, aber ich habe es benutzt. Es war dann also irgendwie faszinierend, als es hieß: „Skype wird diese Dinger für den Valentinstag machen und sie wollen, dass du sie mit ein wenig Musik versiehst.“ Sie haben mir kleine Animationen gezeigt. Also dachte ich: „Na ja, OK, das ist irgendwie cool.“ Irgendjemand schickt eine Nachricht, schickt aus dem Büro ein Geschenk an die Person, die sie liebt. Ich habe mir einfach vorgestellt, wie das Ganze vor sich geht. Weißt du, die kleine Animation zeigt auf visuelle Weise das Gefühl: Ich liebe dich oder ich vermisse dich oder was auch immer. Und dann das fertige kleine Ding mit ein wenig Klang.

Du weißt schon, heute sind wir … Die Welt ist voll mit diesen kleinen Hörsachen. Eine ist gerade auf meinem Telefon passiert, jetzt weiß ich, dass ich eine Nachricht bekommen habe. Klingeltöne, diese kleinen Dinge. Wie auch immer, um es kurz zu machen, ich war ziemlich angetan und sie haben gesagt: „Schau, sie werden dir eine Liste mit 20 Emotionen geben, die du ausdrücken sollst.“ Ich sagte: „OK, lasst mich sehen, ob mir das Spaß macht.“ Der Haken war dann, dass sie unter fünf Sekunden sein mussten. Das war eine Herausforderung. Ah, OK. Ein Song ist vielleicht drei oder vier Minuten lang. Wenn ich ein langes, orchestrales Stück schreibe, dann ist es vielleicht eine Stunde oder so. Aber ich wurde noch nie zuvor gefragt, ob ich etwas unter fünf Sekunden schreiben könnte. Ich war also recht amüsiert von dieser Idee. Ich dachte: „Schauen wir mal, ob wir das hinbekommen.“ Ich habe einfach losgelegt und habe mich durch all die Emotionen gearbeitet, die sie mir gegeben haben. Und ich fand, dass es tatsächlich ziemlich spaßig war, es war eine schöne Herausforderung. Es hat mich nicht zu sehr gestresst, ich dachte einfach: „Was solls! Es macht Spaß.“

Es ist interessant. Wenn du dir ausdenken sollst, welchen Song du über das Gefühl „Ich vermisse dich“ legen würdest. Und ich dachte einfach, es sollte das [fängt an, eine melodische Polizeisirene zu imitieren] sein oder so. Du weißt schon, nur besser. [Lacht] Also bin ich alle durchgegangen und habe meine ersten Ideen abgeliefert und bin dann nochmal alle durchgegangen. Bei einigen habe ich ein paar Ideen aufgenommen, um zu wählen, welche das Gefühl am besten ausdrückt. Also habe ich das gemacht und dann angefangen, andere Klänge über das ursprüngliche Instrument, das ich benutzt habe, zu legen.

Es ist merkwürdig, darüber zu sprechen, aber es ist wirklich interessant, darüber nachzudenken, wie Emojis ein wenig verändert haben, wie wir als Menschen kommunizieren.
Das ist es. Ich stimme dir zu. In gewisser Weise ist es ziemlich beängstigend. Ich bin von der alten Schule—ich rufe lieber jemanden an und hoffe, sprechen zu können, so wie wir es jetzt machen, mit unseren Stimmen. Aber weißt du, es geht niemand an das verdammte Telefon.

Genau.
Sie sehen nur … Die sagen: „Oh, ich mache das später“ oder so. Ich meine, ich habe das mit meinen Kindern. Ich schreibe also—ich sende eine Nachricht. Die sehen sie sich viel wahrscheinlicher an. Und manchmal schreibst du einfach: „Kuss, Kuss, Kuss, Emoji.“

Es ist fast wie eine neue Sprache.
Ja, wir sprechen miteinander. Ich meine, vergiss dieses ganze „R U“ und diese neue Sprache. Ich meine, ich habe Mitleid mit Shakespeare.

VICE: Kommunizieren wir in Zukunft alle nur noch über Emojis?


Hast du ein Lieblings-Emoji?
Von denen, die ich gemacht habe?

Allgemein.
Es gibt eines namens „Lust“, bei dem ich dachte: „OK, das ist interessant.“ Aber ich mag sie irgendwie alle. Ich habe versucht, sie unterschiedlich zu halten und trotzdem einen Zusammenhang zwischen ihnen zu haben. Es gibt also eine Art Handschrift dabei, wie wenn du zum Flughafen gehst, gibt es eine Art Kontinuität, du weißt irgendwie, was dir über einen Flug erzählt wird. Das war also die Welt, in der ich war. Und ich habe fünf Tage damit verbracht, alles zusammenzustellen, es ein bisschen raffiniert zu machen. Aber es war gut. Ich konnte mit einer Menge Instrumenten und meiner Stimme arbeiten und ich und mein Techniker hatten viel Spaß. Wir haben damit herumgespielt und alles zusammengestellt. Und ich glaube, dass Skype zunächst zehn davon nutzen werden und ich denke, dann wird es noch eine zweite Welle geben. Wir werden sehen, welche sie nutzen. Ich hoffe sie nehmen meinen Liebling.

Es muss interessant für jemanden aus deiner Perspektive sein, der… Deine Karriere baut im Prinzip darauf auf, Liebeslieder zu schreiben und die englische Sprache zu nutzen, um schöne Formulierungen zu erschaffen. Und jetzt gibt es diese seltsame Bewegung—besonders in meiner Generation—Emojis zu nutzen, um sich selbst auszudrücken und du schreibst Musik für Emojis. Das muss eine merkwürdige Perspektive sein.
Absolut. Wie ich gesagt habe, mir ist es in Japan aufgefallen, wo viel von dieser Technologie ursprünglich herstammt. Und mir fiel einfach auf, dass Leute, besonders Kinder, diese Art von Zeug mögen. Also ja, dann habe ich angefangen, es zu benutzen. Ich denke, die einzige Gefahr bei diesem Projekt war, ob ich einfach dachte: „Ist das zu albern für mich, um meine Zeit damit zu verbringen?“ Es wird Leute geben, die das sagen werden und natürlich werfe ich das auf, indem ich es selbst sage. Aber ich mache das—bestimmte Dinge wie diese, die ein bisschen abseitig sind und nicht das, was ich normalerweise mache—genau deshalb. Weil es nicht das ist, was ich normalerweise mache. Und es bedeutet, dass ich eine Zeit habe, in der ich das mache, was ich sonst nicht mache—dieses kleine Projekt oder irgendeine Filmmusik oder so—und ich denke, dass du ein bisschen frischer bist, wenn du dann wieder einen normalen Song schreibst, denn du hast nicht nur diese Songs abgeliefert. Es frischt deine Herangehensweise auf. Es ist also irgendwie nett, es macht das, was du normalerweise tust, recht attraktiv, um wieder darauf zurückzukommen, wenn du etwas Abseitiges gemacht hast. Es ist eine Ski-Analogie—wenn du einmal etwas abseits von der Piste gemacht hast, ist es schön, wieder auf der Strecke zu sein.

Es ist immer interessant, mit älteren Musikern zu sprechen, die seit Jahrzehnten Musik machen, und zu erfahren, wie sie sich selbst auffrischen oder sich neue Inspiration holen. Weil du quasi ununterbrochen einen Berg erklimmst und ich kann mir vorstellen, dass das herausfordernder wird, je länger du das machst.
Ja, ich denke, das stimmt. Ich denke, wenn du anfängst, dann sind deine Ideen natürlich alle frisch, die ganze Sache ist frisch, alles, was passiert, ist neu. Und dann wird es mit der Zeit immer weniger frisch, nicht mehr so neu. Und die Gefahr ist—was auch vielen Leuten passiert—dass du dich einfach langweilst und abstumpfst und du anfängst, es einfach herunterzuleiern. Wenn also diese kleinen Dinge um die Ecke kommen. Ich meine, vor Kurzem habe ich mit Kanye West gearbeitet und einen Moment lang dachte ich: „Ist das etwas, was ich machen will, machen soll?“ Also habe ich darüber nachgedacht und dann gesagt: „Warum nicht?“ Er ist zumindest ein interessanter Charakter.

Natürlich. Wie war es, mit ihm zusammenzuarbeiten?
Na ja, weißt du, er ist ein großartiges Talent. Er trägt das sehr zur Schau, aber ich mag ihn. Er ist sehr talentiert. Er arbeitet total anders als ich, also war es sehr anders. Es ist interessant. Alles, was ich gemacht habe, war, ihm eine Menge Ideen vorzusetzen und ihn dann damit machen zu lassen. Und er hat mir nach und nach diese Tracks geschickt, von denen einer, „All Day“, für einen Grammy nominiert ist, als Song des Jahres oder so. Und der stammt von einer Melodie, die ich ihm gezeigt habe und einer Geschichte, die ich ihm erzählt habe. Und während es eine recht nette Melodie war, die ich ihm gegeben habe, kam es als eine Art urbanes Hymnen-Riff zurück. Aber es war einfach faszinierend, zu sehen, dass das aus unserer Zusammenarbeit entstanden ist. Eine andere Sache war, dass der Rihanna-Song „FourFiveSeconds“ daraus entstanden ist. Und dann Kanyes „Only One“, was aus etwas entstanden ist, über das wir einfach geredet haben. Also ja, das ist die tolle Sache an dem Ganzen, es hält dich frisch und auch wenn es Leute gibt, die sagen werden: „Ich will, dass er mit diesem Kram auf Tour geht“, gibt es Leute, die sagen werden: „Ich weiß nicht, warum du das machst“. Weil es in ihrer Wahrnehmung—natürlich nicht in meiner—so ist, als würde ich mich rumtreiben, schlecht essen, eine schlechte Zeit haben, keine ausverkauften Konzerte spielen und so. Aber wenn du es magst, so wie ich, dann ist es überhaupt nicht so, es ist etwas sehr Attraktives. Und ich denke, diese ganze Idee, diese unkonventionellen Projekte zu machen, hilft wirklich, die Sache frisch zu halten. Das ist meine Geschichte und dabei bleibe ich.

Gibt es jemals irgendeine Angst oder Herausforderung, die du spürst, wenn du dir auf diese Weise neue Inspiration holst? Ich kann mir vorstellen, dass diese gezielten Entscheidungen, über die du sprichst—also mit Kanye zu arbeiten, ein Projekt wie dieses zu machen—dich ein wenig neu beleben. Aber gab es jemals irgendwelche Ängste oder Zweifel dabei wie: „Oh Mann, ich muss das schon wieder machen.“ Wie kommst du darüber hinweg?
Ich denke, das ist einfach Teil des kreativen Prozesses. Ich hatte einen Neffen, der beschloss, zu malen, weil er dachte, es wäre reinigend. Er sagte, es wäre beängstigend gewesen. Also nach dem Motto: „Oh je, das ist nicht gut. Was mache ich? Wo führt dieses Gemälde als nächstes hin? Bin ich fertig oder nicht?“ Es ist tatsächlich nur Teil des Prozesses und gehört dazu. Also ja, es gibt immer die Angst, es nicht zu schaffen, aber demgegenüber überwiegt die Sache, dass du dich privilegiert fühlst, das machen zu können. Ich sehe mir einen Song an und es ist ein schwarzes Loch, in dem nichts ist, und in drei Stunden werde ich einen Planeten haben. Ich werde irgendwas aus diesem schwarzen Loch holen. Und das ist sehr aufregend. Ich mag das, weißt du. Aber es ist immer Angst damit verbunden, in ein schwarzes Loch zu greifen.

Ja, das kann ich mir vorstellen.
Wir lassen hier die ganz großen Metaphern raus. Schwarze Löcher und Skifahren, alles mögliche.

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