Die Pubertät ist eine schwierige Zeit. Unterm Strich geht es immer nur darum, besonders cool zu sein. Das war Anfang der 2000er nicht anders. Als das Internet damals seinen Weg in quasi jeden Haushalt fand, suchten sich Teenager dementsprechend extra ausgefallene Namen für ihre erste E-Mail-Adresse aus.
Ich bildete da keine Ausnahme: Als eingefleischter Slipknot-Fan musste ich natürlich Flagge zeigen und landete bei florianmaggot@web.de. Die Band nannte ihre Anhänger damals nämlich ganz zärtlich “Maggots”, also Maden. Das Ganze musste außerdem ja zu meiner stümperhaft zusammengebauten Slipknot-Fan-Website passen. Meine Eltern fanden es übrigens nicht so cool, dass ich mich in meiner ersten E-Mail-Adresse als Ungeziefer bezeichnete.
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Inzwischen gibt es sowohl die Adresse als auch die Homepage nicht mehr. Aber vor über zehn Jahren war ich definitiv nicht der einzige Jugendliche, der sich eine “coole” E-Mail-Adresse zulegte. Deswegen habe ich Freunde und Kollegen gebeten, mir die Geschichte hinter ihren ersten digitalen Anschrift zu erzählen. Geteiltes Leid ist immer noch halbes Leid.
Aus dem VICE-Universum: Samy Kamkar legt Myspace lahm
Nina, 27 – damals 14: mrs-atzin@hotmail.com
Da meine Mutter äußerst misstrauisch gegenüber diesem neuartigen Internet war, hatte ich keine Ahnung von nichts und konnte immer nur dann das World Wide Web erforschen, wenn ich bei meiner besten Freundin Larissa zu Hause war. Sie konnte sogar ihren Myspace-Hintergrund selbst programmieren, was mich schwer beeindruckte. Und so wurde sie zu meiner Internet-Mentorin, brachte mir alles Wichtige bei und richtete eben auch meine erste E-Mail-Adresse ein. Da ich damals schweres Bassboxxx- und generell Westberliner Rap-Fangirl war, wählte sie “Mrs. Atzin” als Name. Ich bin nicht stolz drauf, aber hey: einmal Atze, immer Atze!
Paul, 26 – damals 12: playboyno.1@hotmail.de
Während der Schulzeit mussten E-Mail-Adressen natürlich besonders cool sein. Wie sonst sollte man Credibility im MSN-Messenger aufbauen?
Sara, 29 – damals 12: sari-smile@web.de
Mir war schon klar, dass andere sich verrücktere E-Mail-Adressen ausdachten – aber ich war damals schon so langweilig vernünftig, dass ich einen Namen wählte, der sympathisch klingen sollte. Also nahm ich einfach die Verniedlichungsform meines Vornamens (niemand nennt mich jemals so, außer meiner kleinen Schwester) und hing ein keckes “smile” dran. Smileys und Anglizismen waren für mich relativ neu, ich fand das angemessen für eine Adresse in diesem Internet. Meine Schwester legte sich ein paar Minuten später ebenfalls eine eigene E-Mail-Adresse zu: steffi-grins@DamalsBeliebterE-MailServer.de. Ich dachte zu der Zeit immer, sie hasse mich. Aber da dämmerte mir erstmals, dass sie mich vielleicht doch als Vorbild betrachtet.
Bernhard, 29 – damals 11: boerni-easy@web.de
Noch peinlicher als die Adresse an sich ist höchstens die Tatsache, dass ich die Idee von einem Freund geklaut habe, der das Gleiche mit seinem Namen gemacht hatte.
Marvin, 24 – damals 8: undertaker2711@hotmail.de
Ich war früher ein ziemlich großer Wrestling-Fan und der “Undertaker” – schwarzer Hut, Umhang, rollende Augen – mein großes Idol. 2711 steht für meinen Geburtstag. Schon als kleiner Junge war ich immer dabei, wenn mein Vater WWE SmackDown eingeschaltet hat. Meine Mutter fand das schrecklich. Verständlich, wenn sich ihr Sohn für einen Typen begeistert, der gerne mal in brennenden Särgen liegt. Aber mein Dad und ich hatten eben unser festes Ritual: Jeden Freitag schmissen wir uns um 22 Uhr aufs Sofa und schauten zu, wie sich schweißgebadete Männer gegenseitig verprügelten. Good times.
Rebecca, 25 – damals 14: miss-slatka@hotmail.com
Meine beste Freundin stammt aus Bosnien und hat mich immer “Slatka Mala” genannt – auf Deutsch “Süße Kleine”. Das “Miss” war so ein Teenie-Ego-Ding, weil ich immer R’n’B und HipHop gehört habe und mit einer Beyoncé-Attitude durch die Schule gelaufen bin. Ich hatte zu der Zeit auch einen gleichnamigen Blog, auf dem ich mich immer mit irgendwelchen anderen “Miss”-Mädchen gestritten habe – Gossip Girl-Style, XOXO.
Vanessa, 24 – damals 12: w.nessa@internetanbieter.de
Zwar ist meine erste E-Mail-Adresse nicht wirklich schlimm, aber mein Vater hat mir damals dazu extra eine Visitenkarte erstellt – auf der ein sehr peinliches Bild von mir prangte. Darauf war er so stolz, dass ich diese Visitenkarte überall verteilen musste. Viele Freunde haben sie selbst heute noch irgendwo rumliegen und ziehen mich manchmal damit auf.
Niclas, 30 – damals 15: ruffrydernic@hotmail.com
DMX war damals in meiner Clique der unumstrittene König. Weil ich den Rapper so vergötterte, bezog sich meine erste E-Mail-Adresse natürlich auf seinen Hit “Ruff Ryders’ Anthem”. Alle meine Freunde waren total neidisch und versuchten direkt, sich ähnliche Adressen zu besorgen. Vielleicht war das Ganze also doch ganz cool?
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