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Pepe der Frosch ist jetzt offiziell ein Hasssymbol—aber ist das gerechtfertigt?

Pepe the Frog erschien vor einem Jahrzehnt auf der Bildfläche. Der Comic-Zeichner Matt Furie begann den Online-Comic-Strip „Boy’s Club” mit den leicht abgefuckten Protagonisten Andy, Brett, Landwolf und Pepe auf MySpace zu veröffentlichen. Die oft spätpubertären kurzen Geschichten um Drogen, Sex und alltäglichen Unfug fanden ersten Anklang. Einer der vier Charaktere—Pepe the Frog—bahnte sich seinen Weg in Meme-Brutstätten wie 4Chan und Reddit.

In den ewigen Bildbearbeitungsmaschinerie der anarchischen Boards wurde der gründe Frosch in einem Wettlauf immer neuer Bilder mit möglichst surrealen oder ekligen Neuinterpretationen immer weiter gesponnen. In den letzten 11 Jahren hat sich der latent-traurige Frosch nicht nur in den Mainstream der Internet-Kultur vorgearbeitet—er fand sich schon zwischen den Fronten eines digitalen Kulturkampfs, erreichte den den US-Wahlkampf und hat sich nun sogar einen offiziellen Platz auf einer Liste von Hass-Symbolen.

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Doch der Reihe nach: Neben Pepe selbst gibt es weitere Meme, die durch Boy’s Club inspiriert oder zumindest verstärkt wurden. “Deal with it” geht möglicherweise auf einen Boy’s Club Strip von 2005 zurück, in dem dem meditierenden Pepe ins Gesicht gefurzt wird. Furies Vorlagen scheinen die idealen Kandidaten für den obskuren Humor in Bilderboards wie 4Chan zu sein. So mag es zwar überraschen, dass ein weitgehend unbekannter Webcomic eine Figur hervorbringt, die zu einem Internet-Star wird, sieht man sich jedoch die Kompatibilität zwischen dem im wahrsten Sinne dreckigen Humor von Furie und Bilderboards wie 4Chan an, liegt die Liebe auf der Hand.

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Im Laufe der Jahre zog Pepe von MySpace über 4Chan, Reddit und Tumblr seine Kreise. Als er 2015 zum #1 Mem auf Tumblr gekürt wurde, schien die Spitze der Aufmerksamkeit mit einer breiten Berichterstattung erreicht. Neben den eher unpolitischen Witzbildern tauchten jedoch mit steigender Bekanntheit zunehmend rechts politisierte Pepe-Bilder auf, z.B. Pepe als Jude vor den einstürzenden Twin Towers an 9/11, Pepe vor einem KZ-Krematorium, Pepe als Ku Klux Klan Member:

Warum musste Pepe soweit über das Original hinauswachsen? Die radikale Politisierung des Memes liegt auch in der Abwehrreaktion der 4Chan-Community gegenüber den „Normies”, den normalen Internetnutzern, begründet. Memes gelten auf Bilderboards nur so lange als wertvoll, bis sie vom Mainstream übernommen werden.

Bereits Anfang 2015 gab es Versuche, das Meme Pepe für tot zu erklären obwohl es im selben Jahr erst die Spitze seiner Bekanntheit erreichen sollte. In dem so verzweifelten wie destruktiven Versuch, das Meme Pepe zurückzuerobern, in dem es für die Allgemeinheit ungenießbar gemacht wird, wurde der Frosch zum SS-Führer, jüdischen Attentäter oder anderen schwer zu verdauenden Personifikationen. So erklären es zumindest Quellen aus dem 4Chan Umfeld.

Wie es mit einem Meme so ist, verselbständigte sich auch diese Lesart und wurde bereitwillig von der Alt-Right-Bewegung in den USA aufgegriffen. Jener Gruppe von rechten Online-AktivistInnen und Trump-UnterstützerInnen formte Pepe weiter, so dass selbst Trump offiziell von dem Bild von Pepe als Präsident mit Trump-Frisur Kenntnis nahm.

Die Geschichte von Pepe ist so kompliziert und voller Haken, wie sie beispielhaft ist für die niemals aufhörende freie Signifikationskette ist, mit der jeder im Internet Bilder mit Bedeutung auflädt: Aus dem Unterfangen, ein Meme von der Masse zurückzuerobern, wurde ein weiteres, politisches Meme.

Ob Trump sich der teils drastischen rechten Symbolik, die Pepe mittlerweile auch verkörperte, bewusst war, mal sei dahingestellt. Dennoch griff auch sein Sohn das Meme Monate später auf, als er auf Instagram eine satirische, gephotoshopte Unterstützer-Liste mit treuen Unterstützern wie dem erst im Juli permanent von Twitter verbannten Alt-Right-Star Milo Yiannopoulos weiterverbreitete:

Screenshot: Donald Trump Jr. | Instagram

Nun dauerte es nicht mehr lange, bis das Meme endgültig zum Politikum wurde: Wenig später griff nämlich auch die Wahlkampf-Kampagne von Hillary Clinton das Thema in ihrem Wahlkampf-Blog auf und titelt „Donald Trump, Pepe the frog, and white supremacists: an explainer“. Clintons Kampagne erklärt darin knapp die Geschichte des Mems, dessen Beliebtheit in der rechten Szene und zieht entsprechende Schlüsse über Trumps politische Position. Auf das Meme angesprochen und die Frage, ob er sich bewusst sei, dass es sich um ein „wohlbekanntes Symbol des White Supremacist-Movements” handele, antwortete Trump Jr. ausweichend: „I thought it was a frog in a wig. I thought it was funny. I had no idea there was any connotation there.”

Seinen vorläufigen Mainstream-Höhepunkt findet die Auseinandersetzung um Pepe nun in der Aufnahme in der „Hate on Display”-Liste der Anti Defamation League (ADL). Die ADL, eine der hiesigen Amadeu Antonio Stiftung ähnliche Nichtregierungsorganisation, führt seit 2000 eine Liste von rechten und antisemitischen Hass-Symbolen.

Am 27. September erklärt die ADL in einer Pressemitteilung, dass Pepe nun auf dieser Liste neben anderen Symbolen wie dem Hakenkreuz geführt werde. Zwar verweist man explizit auf die unpolitische Herkunft des Memes, sieht jedoch steigende Nutzung im rechten Kontext.

Und was sagt Furie zur Entwicklung seiner Figur? Er sieht es recht entspannt als „Phase” und kommentiert in seinem Tumblr durch Bilder wie dieses:

Bild: Matt Furie | Tumblr

Auch ein Statement.

Ein Statement, das zeigt, wie beliebig Memes einsetzbar sind. Zugleich aber auch ein Argument, das zeigt, wie schwierig es ist, wenn ein nahezu beliebig verwendbares Symbol neben einem Hakenkreuz in einer Hass-Liste geführt wird. In Deutschland wäre dieser Schritt wahrscheinlich nicht denkbar.

Prinzipiell ist der Umgang mit Nazisymbolik hierzulande klarer als in den USA geregelt. Es gibt eine Liste verbotener Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Verwendung eines Hakenkreuzes ist in Deutschland damit strafrechtlich untersagt.

In den USA, einem Land das per Verfassung der „free speech” einen sehr hohen Stellenwert bemißt, gibt es solche prinzipiellen Verbote nicht. Daher springen NGOs wie die Anti Defamation League ein, um von nicht-staatlicher Seite eine Lücke zu füllen. Das hat Vor- und Nachteile. Aus „free speech” Perspektive bleiben Symbole weiterhin nicht verboten und die Aufnahme in eine Liste stellt eher eine öffentliche Warnung im Sinne einer Meinung dar. Einen solchen Umgang kann man positiv oder negativ bewerten, je nachdem für wie wichtig man ein Recht auf freie Meinungsäußerung auch bei Hasssprache hält.

Damit erinnert die Diskussion um den Umgang mit dem rassistisch aufgeladenen Meme nicht zuletzt an die Debatte um Hasskommentare, mit der sich Facebook seit geraumer Zeit rumzuschlagen hat: Facebook—als US-Unternehmen durch und durch mit dem free speech Gedanken durchdrungen—sieht die effektivste Strategie im Kampf gegen Online-Hass lieber in der sogenannten Counterspeech, als Inhalte zu verbieten oder entfernen. Andere, wie der deutsche Justizminister Heiko Maas wünschen sich dagegen, dass Facebook sehr viel restriktiver auch Inhalte entfernt.

Es gibt aber auch einen Unterschied zwischen Facebooks Hatespeech-Dilemma und einem Meme: Nämlich die Differenz zwischen konkretem, zielgerichteten Hass gegen einzelne Personen und Personengruppen und der allgemeinen Nutzung eines weit verbreiteten Symbols, das von manchen für rechte Propaganda eingesetzt wird. Klar ist: Die erstaunliche Laufbahn von Pepe dem Frosch bleibt auch im zwölften Jahr spannend.