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Jungs, wir müssen über Präejakulat reden

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In den meisten Sexkolumnen von Broadly beschäftigen wir uns mit Fragen wie: Warum hat man während seiner Tage so oft Durchfall, wie bekomme ich einen vaginalen Orgasmus oder wie sollten sich gesunde Brüste eigentlich anfühlen? Doch endlich—endlich!—haben wir ein Thema gefunden, bei dem auch mal die Herren der Schöpfung vor Scham erröten. Eine Frau hat auf Reddits r/sex-Seite einen Beitrag gepostet, in dem sie über die „Eimer voll Präejakulat” ihres Freunds schreibt:

Wir sind jetzt seit 4 Monaten zusammen und der Sex ist fantastisch. Aber er produziert ziemlich viel Präejakulat, mehr als ich es jemals zuvor bei irgendjemandem gesehen habe. Ich finde das wirklich heiß, ich frage mich bloß, ob es normal ist, dass ein Mann so viel Präejakulat produziert, dass sein Penis komplett voll ist. Ich muss meine Hände mehrere Male abwischen, während ich ihm einen runterhole.

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Eine gute Frage. Ist es normal, dass der Penis deines Freunds während des Vorspiels tropft wie eine defekte Softeismaschine?

Zunächst müssen wir uns genauer ansehen, was Präejakulat eigentlich ist, bevor wie darüber sprechen können, wie viel es davon geben sollte. Präejakulat, oder auch Lusttropfen genannt, wird von der Cowperschen Drüse produziert, zwei erbsengroßen Drüsen, die direkt unter der Prostata sitzen. Diese Drüsen produzieren eine Flüssigkeit, die beim Austritt aus dem Penis den pH-Wert der Harnröhre neutralisiert. Auf diese Weise verhindert der Körper, dass die Spermien absterben, noch bevor sie es aus dem Penis geschafft haben. Bei ungeschütztem Verkehr neutralisiert der Lusttropfen auch den pH-Wert der Vagina und sorgt dort ebenfalls für ein spermafreundlicheres Klima.

Laut einer Zeitschrift für Andrologie variiert die Menge des abgegebenen Präejakulats „zwischen wenigen Tropfen und mehr als 5 ml”—also etwas mehr als ein Teelöffel. Das hört sich zunächst nicht nach besonders viel an, aber wenn man sich vorstellt, dass es bei jedem nicht jugendfreien Gedanken, ungehindert herausspritzt, dann kann sich der tägliche Weg zur Arbeit schon mal in eine Fahrt mit der Wildwasserbahn verwandeln. „Ich pendle jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit”, sagt ein Mann im Netdoctor-Forum, „und wenn ich ein attraktives Mädchen sehe, kriege ich sofort einen Steifen und es beginnt aus meiner Penisspitze zu tropfen. Meistens ist es so viel, dass meine Unterwäsche und meine Hose, bis ich bei der Arbeit ankomme, so durchnässt sind, dass mich meine Kollegen damit aufziehen.”

Wenn es keine hinreichende Lösung ist, eine Wechselhose mit zur Arbeit zu nehmen, kann man auch zu drastischeren Mitteln greifen. Einige Männer sagen, dass es ihnen geholfen hat, ihren Beckenboden zu trainieren oder einfach häufiger zu masturbieren. Die Theorie hinter der zuletzt genannten Lösung ist Folgende: Der unkontrollierte Verlust von Präejakulat scheint in Verbindung mit mentaler Erregung zu stehen. Wenn man also so lange masturbiert, bis man innerlich tot ist, dann wird man auch nicht mehr tagtäglich von seinen sexuellen Fantasien gequält. Leider gibt es keine wissenschaftlich fundierte Meinung zu solchen Theorien. „Die einzige medizinische Behandlungsmethode ist meines Wissens nach Finasterid”, sagt Dr. Andrew Rynne, Gründer der Website Medical Advice und Autor des Buches Vasectomy Doctor.

Finasterid ist ein Wirkstoff, der auch gegen Haarausfall bei Männern eingesetzt wird. Genau wie der Haarausfall wird auch die Cowpersche Drüse durch das Hormon Dihydrotestosteron (DHT) angeregt. Finasterid bewirkt, dass Testosteron nicht weiter in DHT umgewandelt wird. Somit gibt es keinen Lusttropfen mehr und vielleicht sogar noch ein paar Haare mehr auf dem Kopf—eigentlich doch eine Win-Win-Situation, oder?

Vielleicht auch nicht. „Finasterid hat viele potenziell verheerende sexuelle Nebenwirkungen”, sagt Dr. Rynne. Wie bei vielen hormonverändernden Medikamenten, kann auch die Einnahme von Finasterid zu einem signifikanten Libidoverlust führen. Manche Menschen verlieren das Interesse an Sex sogar komplett oder können einfach nicht mehr zum Höhepunkt kommen. „Es gab nur einmal eine Zeit, in der ich einige Monate lang kein Präejakulat produziert habe. Damals habe ich ein spezielles verschreibungspflichtiges Medikament genommen”, erzählt ein Nutzer in einem Forum für sexuelle Gesundheit. „Gleichzeitig konnte ich damals aber auch überhaupt nicht mehr kommen. Nachdem ich aufgehört habe, das Medikament zu nehmen und es wieder vollständig aus meinem System raus war, war dann aber auch meine Unterwäsche wieder ständig nass.”

Was tun? Genau wie Sperma, das nicht in der Vagina bleibt oder riechende Vaginas oder komisch aussehende Vaginas ist auch dieses „Problem” eigentlich gar kein Problem. Das einzige Problem ist unsere Gesellschaft, die uns in Bezug auf unsere Genitalen ständig an Normen misst. Viele Männer sagen, dass sie, als sie älter wurden, auch irgendwann „trocken” wurden. Mit der Zeit beruhigen sich die Cowperschen Drüsen und auch die Wechselhose gehört irgendwann der Vergangenheit an. In der Zwischenzeit rät Dr. Rynne: „Wenn möglich, sollte man die ‚übermäßige Präejakulation’ als normalen, gesunden und angenehmen Zustand hinnehmen und aufhören, es als etwas schmutziges oder peinliches zu betrachten.” Mit anderem Worten: Jeder wird mal feucht.