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Physik-Nobelpreis bestätigt: Gravitationswellen läuten eine neue Ära der Astrophysik ein

Seit gestern ist es offiziell: Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an die US-amerikanischen Forscher Rainer Weiss, Kip Thorne und Barry Barish. Geehrt werden die drei Astrophysiker für ihren “ausschlaggebenden Beitrag zum LIGO-Detektor und den Nachweis von Gravitationswellen”, heißt es in der Pressemitteilung der Royal Swedish Academy of Sciences.

Gravitationswellen entstehen durch extreme Ereignisse im Weltall, wie einer Supernova oder bei der Kollision Schwarzer Löcher. Albert Einstein hatte bereits 1916 mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt, dass solche kosmischen Störungen wellenförmige Energie ins All abgeben, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durch die Raumzeit fortbewegt.

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Da die Vibrationen, die durch Gravitationswellen ausgelöst werden, extrem schwach sind – ungefähr 400 mal kleiner als der Durchmesser eines Protons –, zweifelte Einstein jedoch selbst daran, dass sie jemals mit technischen Geräten vom Menschen gemessen werden könnten.

Hundert Jahre später hatte der Nachweis der Gravitationswellen dann aber tatsächlich ein neues Fenster zum Universum aufgestoßen. Was Galileo Galileis Teleskop vor 400 Jahren der optischen Astronomie geschenkt hatte, haben die Gravitationswellen-Forscher nun für die Astrophysik erreicht: Das menschliche Verständnis vom Weltall wurde um eine Sinneswahrnehmung erweitert. Während Galileis optische Teleskope es plötzlich möglich machten, in die Weiten des Weltalls zu blicken, lassen uns die Gravitationswellen Ereignisse im All hören.

Wofür die Forscher den Nobelpreis bekommen haben

Die Physiker Thorne und Barish vom California Institute of Technology und der in Berlin geborene Weiss vom Massachusetts Institute of Technology konnten nachweisen, dass auch die extrem schwachen Signale von Gravitationswellen vom Menschen eingefangen werden können. Bereits 1967 hatte Weiss die Fundamente einer Theorie entwickelt, um Gravitationswellen mit Hilfe von Lasern zu messen. In den 70er Jahren entwickelte Thorne dieses Konzept weiter und schuf somit die Basis für das Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium (LIGO). Seit 1994 ist Barish als Leiter des Observatoriums tätig.

Das LIGO besteht aus zwei Observatorien – eines in Hanford im US-bundesstaat Washington, das andere in Livingston, Louisiana. In den Zwillings-Einrichtungen befinden sich jeweils ein L-förmiger Tunnel, in dem ein so genanntes Ultrahochvakuum herrscht, ein Druckbereich von unter 10-7 Millibar. Die Tunnel haben eine Schenkellänge von jeweils 4 Kilometern und sind mit einem Laser-Interferometer ausgestattet.

Im ersten Durchlauf von 2002 bis 2010 erzielte das LIGO kein verwertbares Ergebnis. Doch nach einem Upgrade gelang der Einrichtung am 14. September 2015 die Sensation: Sie konnte zum ersten Mal Gravitationswellen nachweisen, die vor 1,3 Milliarden Jahren durch die Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern entstanden waren. Dieser wissenschaftliche Durchbruch wurde im Februar 2016 öffentlich gemacht.

Noch immer keine weibliche Preisträgerin für den Physik-Nobelpreis

Es steht außer Frage, dass die drei Physiker den Nobelpreis verdient haben, denn ihre Entdeckung eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Erforschung des Universums. Trotzdem bleibt nach der Bekanntmachung in Stockholm der bittere Nachgeschmack, dass auch in diesem Jahr keine Frau mit dem höchsten Preis für Physik ausgezeichnet wird.

Der Nobelpreis für Physik ist einer der prestigeträchtigsten unter den Nobelpreisen – er wurde bereits an Albert Einstein, Niels Bohr und Richard Feynman verliehen. In seiner 116-jährigen Geschichte wurde er jedoch nur an zwei Wissenschaftlerinnen verliehen: Marie Curie wurde 1903 für ihre Strahlungsforschung geehrt, Maria Goeppert-Mayer erhielt 1963 den Preis für ihre Entdeckung der nuklearen Schalenstruktur.

Dabei gibt es genügend Beispiele für bahnbrechende Entdeckungen von Wissenschaftlerinnen, die den Nobelpreis verdient hätten, etwa die Physikerin Vera Rubin. Ihre Beobachtungen der Andromeda-Galaxie gaben erste Hinweise auf die Existenz von Dunkler Materie. Trotzdem wurde die 2016 verstorbene Forscherin Zeit ihres Lebens nicht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Posthum wird der Preis nicht vergeben.

Laut Regelwerk können maximal drei Menschen pro Jahr mit dem Nobelpreis für Physik geehrt werden. Doch wie Weiss gegenüber der New York Times äußerte, sieht er den Preis als Auszeichnung für die tausenden von Menschen, die über Jahrzehnte hinweg an dem Projekt beteiligt waren – und dazu zählen auch viele Frauen. Seit seinem ersten Durchbruch sind dem LIGO noch drei weitere Gravitationswellen ins Netz gegangen und es scheint sehr wahrscheinlich, dass diese Entdeckungen in den nächsten Jahren verstärkt zunehmen werden. Dafür spricht auch, dass ein drittes Observatorium, der Gravitationswellendetektor Virgo in der Nähe von Pisa, vergangene Woche seinen ersten Nachweis einer Gravitationswelle bekannt gegeben hat.

Nach Einsteins ersten Berechnungen hat es hundert Jahre gedauert, bis Wissenschaftler mit dem LIGO die Existenz der Gravitationswellen tatsächlich belegen konnten. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, zu welchen weiteren bahnbrechenden Entdeckungen dieser Forschungszweig der Astrophysik noch beitragen wird.