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Frauen schlagen Wellen in der marokkanischen Surf-Community

Alaeï steht im Wasser und zieht ein blaues Surfbrett hinter sich her. In dem Artikel geht es um marokkanische Frauen, die surfen.

Es ist ein Festwochenende in Marokko. Am Tag nach dem Zuckerfest Anfang April dieses Jahres herrscht am Oudayas-Strand in Rabat reges Treiben. Inmitten von Familientreffen, Amateurfußballspielen und Urlaubsgästen warten Dutzende Menschen auf Surfbrettern im Wasser auf die richtige Welle.


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Randa El Amraoui ist eine 31-jährige Professorin für Sprachen und Kommunikation. Mit noch nassen Haaren erzählt sie an einem Plastiktisch unter den Sonnenschirmen des örtlichen Surfclubs, wie sie zum Surfen kam. El Amraoui ist seit acht Jahren dabei. “Es war ein Kindheitstraum von mir, seit ich hawaiianische Surferinnen bei Disney Channel gesehen habe”, sagt sie und lacht.

Mit seiner weitläufigen, 3.600 Kilometer langen Küste hat sich Marokko in den letzten Jahren einen Ruf als Land mit großartigen Surfgebieten erworben. Der lange Zeit von Männern dominierte Sport habe sich langsam auch für Frauen geöffnet, vor allem in den letzten fünf Jahren, sagt Chadi Lahrioui. Sie ist mehrfache marokkanische und afrikanische Meisterin im Surfen und betreibt einen Surfclub am Oudayas-Strand. Dass der Sport in Marokko beliebter geworden ist, schreibt El Amraoui Instagram-Posts zu, die ausländische und einheimische Mädchen auf den Wellen zeigen.

Drei Frauen surfen im Meer.

Die 24-jährige Zainab Rabbaa aus der Stadt Meknès war schon immer sportlich. Als langjährige Schwimmerin und Fußballspielerin habe sie das Surfen entdeckt, als sie nach Rabat zog, um einen Doktor in angewandter Kunst zu machen. “Beim ersten Mal hat es mich richtig begeistert”, sagt sie. “Eine Freundin hatte es mir empfohlen.” Seitdem habe sie jede Woche trainiert. Als Nächstes steht für sie ein Urlaub in Taghazout an, ein Badeort in Südmarokko, der für seine Wellen bekannt ist.

Obwohl der Sport unter Frauen beliebter wird, ist es als Frau an einem marokkanischen Strand oft schwierig. “Wenn ich nur mit Freundinnen unterwegs bin, treffen wir manchmal auf feindselige Leute”, sagt Rabbaa. “Wenn ich mit einem Mann gehe, ist alles in Ordnung.”

Sobald die Surferinnen ihre Neoprenanzüge anziehen, ändert sich diese Dynamik oft. “Wenn die Leute dich mit einem Surfbrett sehen, sprechen sie dich nicht an, du wirst nicht sexuell belästigt”, fügt El Amraoui hinzu. “Entweder denken sie, du wärst reich und gehörst zu einem der Surfclubs, oder dass du nur trainieren und nicht flirten willst.”

Zainab trägt einen grünen Pullover, Jeans, und ein Kopftuch.
Zainab

Die gelegentlichen missbilligenden Blicke der Menschen am Strand sind nicht das Einzige, was die Surferinnen belastet. Ihre Familien haben Bedenken, der Sport sei zu gefährlich für Frauen. “Am Anfang war meine Familie komplett dagegen, dass ich surfe, weil sie Angst vor dem Wasser hatten”, erinnert sich El Amraoui.

Auch Rabbaa musste einige heikle Gespräche mit ihrer Familie führen, um surfen zu dürfen. “Die Eltern von Mädchen, die noch nie alleine das Haus verlassen haben oder verreist sind, haben oft sehr große Angst”, sagt sie. Ihre Eltern hätten allerdings nie wirklich versucht, sie aufzuhalten, da sie bereits früh sehr unabhängig gewesen sei. “Mit 20 habe ich meinen ersten Ausflug gemacht. Ich bin an den Strand gegangen, also haben sie sich daran gewöhnt.” Außerdem hätten die Familien “mehr Angst vor Männern als vor Wellen”, fügt sie hinzu.

Ines Tebbai ist 17 Jahre alt und ein aufgehender Stern im marokkanischen Profi-Surfsport. Ich treffe sie in der Wohnung ihrer Familie in Casablanca, die nur ein paar Hundert Meter vom Meer entfernt liegt. Im Wohnzimmer sind mehrere Surfbretter ausgestellt, auf den Regalen türmen sich Medaillen und Trophäen. Tebbai geht noch zur Schule, aber sie hat sich für ein Fernprogramm angemeldet und lernt selbstständig. In zwei Jahren wird sie auf den Kanarischen Inseln in Spanien studieren. “Wenn ich ins Ausland gehe, bekomme ich eine Aufenthaltsgenehmigung. Ich werde durch Europa reisen und Erfahrungen sammeln”, sagt sie hoffnungsvoll. “Ich könnte internationale Surfprofis treffen und hätte vielleicht mehr Wettkampfmöglichkeiten.”

Tebbai repräsentiert Marokko bereits bei Wettkämpfen, genau wie ihre ältere Schwester Lilias. Sie sind zwei von drei marokkanischen Surferinnen, die international antreten. “Es ist immer noch eine Herausforderung, sie zu schlagen”, scherzt sie. Trotz ihres jungen Alters hat Tebbai bereits an marokkanischen, europäischen und afrikanischen Meisterschaften teilgenommen. Damit ist sie in die Fußstapfen von Fatima Zahra Berrada getreten, der ersten marokkanischen Surferin, die 1996 an internationalen Wettkämpfen teilgenommen hat.

Auf dem Niveau von Tebbai erfordert der Sport natürlich erhebliche persönliche und finanzielle Investitionen. Aber auch auf niedrigerem Level ist Surfen für die meisten Menschen in Marokko unerschwinglich. Das Land befindet sich gerade mitten in einer Wirtschaftskrise, die sich angesichts zunehmender Armut und sozialer Ungleichheit sehr auf die Kaufkraft der Bevölkerung auswirkt. Ein neues Surfbrett kostet etwa 5.000 Marokkanische Dirham (460 €), ein gebrauchtes 2.000 Dirham (180 €). Der Mindestlohn in Marokko liegt zum Vergleich bei nur 2.769 Dirham, also etwa 250 Euro. Manchen gelingt es, ein von Reisenden zurückgelassenes Brett zu ergattern, aber das sind Einzelfälle.

Ines grinst in die Kamera und hält ein pinkes Surfbrett.
Ines

Wer wirklich surfen möchte, aber nicht die Mittel dazu hat, kann sich oft auf die Hilfe der Community verlassen. “Manche Leute sind echt gut, aber meistens haben sie alte und kaputte Bretter”, seufzt El Amraoui. Oft teilen sich mehrere Menschen einen Neoprenanzug oder vereinbaren, das Equipment später zu bezahlen. El Amraoui findet trotzdem, dass dieses System Jungen bevorzugt, weil ihnen normalerweise ein größeres Netzwerk zur Verfügung steht.

Abgesehen von den Anschaffungskosten schließt auch die Lage der besten Surfstrände Marokkos – Rabat, Casablanca, Mehdia und Oualidia – Leute aus anderen Teilen des Landes aus, die keine lange Anfahrt auf sich nehmen können. Auch Schwimmen zu können ist für viele marokkanische Frauen ein Privileg. “Überall auf der Welt hängt das soziale Gefälle beim Schwimmen eng mit sozialen Faktoren zusammen”, erklärt Meriam Cheikh. Die Anthropologin untersucht die Unzufriedenheit unter Jugendlichen aus der marokkanischen Unterschicht. “Jungen hingegen lernen aufgrund von Genderkonstrukten eher von sich aus.”

Obwohl sich immer mehr Frauen in Städten wie Rabat für das Surfen interessieren, dominieren weiterhin fast ausschließlich Männer den Sport. Laut Cheikh beginnen die meisten Surferinnen mit dem Sport oft eher, um etwas mit Freunden, Brüdern oder Cousins zu unternehmen, als als Auflehnung gegen traditionelle Gendernormen.

Surfen in Marokko ist immer noch eine nischige Subkultur, andere Sportarten wie Fußball, Handball und Leichtathletik sind wesentlich beliebter. In diesem Mikrokosmos werden Frauen nicht als Außenseiterinnen betrachtet, weil sie auf dem Brett stehen. Tatsächlich genießen sie laut Cheikh eine “positive Aufwertung, weil es ein Sport ist, den Mädchen für sich selbst machen.”

Eine Frau rennt mit einem Surfbrett ins Meer. Zwei andere Menschen kommen gerade aus dem Meer.

El Amraoui erzählt, dass sie fast ausschließlich mit Männern surfe und von ihnen viel Zuspruch erfahre. “Es gibt einen Spot, wo nur die Besten surfen. Wenn ich da hingehe, sind die Jungs sehr unterstützend – sie freuen sich, dass wenigstens ein Mädchen dabei ist. Die Frauen hier kann man an einer Hand abzählen. Die Jungs sind wirklich meine Freunde.”

Auch der Königliche Marokkanische Surfverband FRMS versucht, mehr Frauen für den Sport zu gewinnen. 2016 organisierte er den ersten internationalen Wettkampf in Marokko, bei dem es auch eine Kategorie für Frauen gab. Doch letztendlich gibt es nur drei Frauen, die international antreten, wie Tebbai seufzend bemerkt. “Und wenn sich eine von uns verletzt, sollten mehr Mädchen dabei sein, um zu zeigen, dass unsere Teilnahme nicht nur Glückssache war.”

Im März 2023 fand die erste Ausgabe der Africa Surfing Games in Taghazout statt. Zum ersten Mal kamen ausschließlich Profis aus afrikanischen Ländern zusammen, darunter Senegal, Kap Verde, Côte d’Ivoir, Madagaskar, Mauritius, Burkina Faso, die Republik Kongo und Marokko. Tebbai belegte den ersten Platz in der Kategorie unter 18 und den zweiten bei den Frauen, hinter ihrer Schwester Lilias.

Laut Cheikh ist das Surfen nur eine von vielen Erscheinungsformen der “zunehmenden Betonung von Individualität in Marokko.” Diesen Trend erkennt man auch an anderen Subkulturen im Königreich, zum Beispiel beim Skateboarden und in der Kunst. “Die Leute haben oft den Eindruck, dass junge Menschen in der arabischen Welt eine uniforme Gruppe mit einheitlichen Normen und Werten sind”, sagt sie. “Es ist wichtig zu zeigen, dass es viele Wege gibt, in der arabischen Welt jung zu sein. Sportkulturen sind einer davon.”

Surferinnen kommen mit ihren Surfbrettern aus dem Wasser. Die Sonne geht unter.

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