Zu den Selbstverständlichkeiten moderner Medizin gehört, jederzeit über Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten Bescheid zu wissen. Welche Wirkstoffe und wie viel davon in einer Pille stecken, erläutert der Beipackzettel. Nicht so bei illegalen Drogen. Kein Dealer muss auf einem Tütchen Speed Wirkstoffkonzentration, Streckmittel oder Produktionsrückstände deklarieren. Täte er es doch, garantiert nichts, dass er die Wahrheit sagt. Eine einzige Line Kokain gestreckt mit Opiaten wird so zur tödlichen Mischung. Ebenso wie die zwei Ecstasy-Pillen – und damit eine viel zu hohe Dosis MDMA – die eine Touristin 2018 im Berghain schluckte.
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Jedes Jahr sterben weltweit Hunderttausende Menschen an illegalen Drogen – oft, weil sie einfach nicht wussten, welche Stoffe noch so darin stecken. Dagegen gibt es ein einfaches Mittel: Drug-Checking. In Laboren oder direkt in Clubs können Konsumierende die Inhaltsstoffe ihrer Drogen testen lassen – und erhalten gleich noch eine Beratung zu sicherem Konsum und Schadensminderung. So verringert Drug-Checking gleich in mehrfacher Hinsicht das Risiko bei den Konsumierenden und die Zahl der Todesfälle.
Der Nutzen von Drug-Checking ist auf EU-Level von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht anerkannt und hat sich in vielen deutschen Nachbarländern bewiesen. Legale Projekte findet man etwa in der Schweiz (Saferparty), in Österreich (ChEckiT!) und in den Niederlanden (DIMS). In Deutschland dagegen gibt es zwar immer wieder vereinzelte Modellprojekte, grundsätzlich bleibt Drug-Checking aber verboten. Das will die Linkspartei jetzt ändern. Mit einem Antrag im Bundestag, den VICE vorab einsehen konnte, möchte sie Drug-Checking auf eine rechtlich sichere Basis stellen.
Bislang müssen Drug-Checking-Projekte in Deutschland immer mit der zuständigen Staatsanwaltschaft klären, dass Konsumierende nicht wegen Drogenbesitzes strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie die Ware bei den Teststellen abgeben – ebenso wie die Menschen, die das Testen übernehmen. Auch das Berliner Modellprojekt für Drug-Checking hatte immer wieder mit dieser rechtlich unsicheren Lage zu kämpfen.
Die Linksfraktion im Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern. Stationäres sowie mobiles Drug-Checking in Kooperation mit kommunalen Drogenberatungen und medizinischen Labors soll damit keine Straftat mehr sein und auch keiner Erlaubnispflicht unterliegen.
Anlass für den Antrag der Linksfraktion waren unter anderem Meldungen über mit synthetischen Cannabinoiden gestrecktes Cannabis. Die Stoffe, oft unwissentlich konsumiert, können die Wirkung von THC um ein Hundertfaches übertreffen. Auch VICE hat ausführlich darüber berichtet.
Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, schreibt in einem Statement, Drug-Checking könne Leben retten. “Die illegale Produktion und der Verkauf auf dem Schwarzmarkt bringen teilweise größere Gesundheitsrisiken mit sich als die Substanz selbst.” Solange Cannabis, aber auch zum Beispiel Ecstasy nicht legalisiert sei, müsse man Konsumierenden zumindest die Möglichkeit geben, die Drogen auf ihre Inhaltsstoffe prüfen zu lassen. “Das wäre im Sinne der Schadensreduzierung ein echter Beitrag zum Gesundheitsschutz!”, schreibt Movassat.
Auch die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig hatte sich Anfang 2020 für Drug-Checking ausgesprochen. Am Jahresende scheiterte jedoch ein Gesetzentwurf zu Drug-Checking. Der Rechtsausschuss des Bundesrates hatte empfohlen, ihn nicht weiterzuverfolgen – höchstwahrscheinlich mit den Mehrheiten von CDU und CSU.
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