Pöbeln, Prügeln, Betrügen: 10 Berliner S-Bahn-Kontrolleure stehen vor Gericht

Die Karriere-Website des Dienstleisters Wisag liest sich so, als ob das Arbeitsklima dort einem verträumten Nachmittag in der Strandmuschel gleicht: “Mit dem wertschätzenden Umgang, dem Sie bei uns begegnen, wollen wir auch Sie gewinnen.” Von Prügeleien und Betrug steht da natürlich nichts. Doch genau das wirft die Staatsanwaltschaft zehn Berliner S-Bahn-Kontrolleuren vor, die bei Wisag beschäftigt sein sollen.

In insgesamt sieben Fällen hat die Berliner Staatsanwaltschaft laut Tagesspiegel Anklage erhoben. Am Donnerstag beginnt die Verhandlung gegen zwei Kontrolleure wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Dem einen der beiden Wisag-Männer wird vorgeworfen, einem Fahrgast gegen das Schienbein getreten zu haben, der andere soll einen Studenten mit gültigem Semesterticket mehrere Minuten lang festgehalten haben.

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In einem anderen Fall geht es darum, ob ein Kontrolleur einen Fahrgast beschimpft und dessen Monatskarte zerrissen hat. Ein weiterer Wisag-Mitarbeiter soll einen Fahrgast geschlagen und ihm eine Platzwunde im Gesicht verpasst haben. Außerdem sollen laut Tagesspiegel insgesamt sechs Kontrolleure Schwarzfahrer oder Schüler auf Klassenfahrt mit falsch gestempelten Tickets in Bar abkassiert und das Geld selbst behalten haben.

Betrügerische Ticketkontrolleure sind schon länger bekannt

Dabei könnten sie sich einer Masche bedient haben, die offenbar schon länger bei Berliner S- und U-Bahn-Kontrolleuren beliebt ist: Sie halten gezielt nach unwissenden Touristen Ausschau. Wenn sie diese beim Schwarzfahren erwischen, erstellen die Kontrolleure für die Strafe keine Quittung und stecken sich das Geld in die Tasche. Trotzdem nötigen sie die Schwarzfahrer, am nächsten Automaten ein neues Ticket zu ziehen. Die mobilen Ticketgeräte der Kontrolleure würden den Vorgang registrieren. Falls die Schwarzfahrer wieder in eine Kontrolle geraten würden, hätten sie ein Ticket und das Ganze bliebe unentdeckt. Der B.Z. sagte ein angeblicher Ex-Mitarbeiter von Wisag, dass in Berlin “90 von 100” Kontrolleuren betrügen würden: “Besonders bei Chinesen ist es leicht, die kriegen gleich Angst, wenn sie das Wort ‘Polizei’ hören.” Solche Insiderberichte lassen sich schwer verifizieren, doch im Januar 2017 ermittelte die Bundespolizei gegen fünf Kontrolleure, weil sie genau diese Taktik angewandt haben sollen.

Damals sagte die Deutsche Bahn der Berliner Morgenpost, sie wolle das verlorene Vertrauen der Kunden wiedergewinnen. Auch eine Kündigung des Dienstleisters schließe man nicht aus. Wenig später verlängerte die Bahn die Zusammenarbeit mit Wisag bis März 2019, die Negativschlagzeilen gingen weiter.

Im Dezember 2017 tauchte der Name Wisag wieder in einem Verfahren gegen drei dort angestellte S-Bahn-Kontrolleure auf. Weil sie sich auf einen Studenten gestürzt hatten, nachdem er ihre Ausweise verlangt hatte, standen sie vor dem Amtsgericht Tiergarten. Der Fahrgast hatte selbst ein Monatsticket und sagte damals vor Gericht aus, er sei sofort geduzt, zu Boden geworfen und in den Schwitzkasten genommen worden. In der Nähe stehendes DB-Sicherheitspersonal habe ihm nicht geholfen. Die drei Wisag-Mitarbeiter wurden wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Bewährung verurteilt, die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Die S-Bahn Berlin schweigt zu den aktuellen Anklagen. Schon in früheren Fällen verwies sie auf den Dienstleister Wisag, von dem sie eine schnelle Aufarbeitung der Vorfälle erwarte. Wisag wiederum teilte gegenüber dem Tagesspiegel mit, man spreche immer wieder mit Mitarbeitern, um den korrekten Umgang mit Fahrgästen zu thematisieren. Offenbar ist so manchem Angestellten trotzdem nicht klar, dass ein “wertschätzender Umgang” auch beinhaltet, einem Fahrgast nicht grundlos ins Gesicht zu schlagen.

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