Jetzt beginnt die schlimmste Zeit des Jahres

Immer, wenn das Jahr einen Buckel bekommt, die Tage kürzer und Gesichter länger werden, kommt wieder dieses unangenehm drückende Wintergefühl. Da wird gern gejammert, aber auch gern ertragen—immerhin hat man ein klares Ziel vor Augen: Weihnachten, Silvester, Ferien. Und obwohl sich die Feiertage eher wie ein Höhepunkt, ein wohlverdienter Abschluss der Kälte und der ganzen Dunkelheit anfühlen, sind sie das nicht. Der beschissene Teil hat nämlich gerade erst angefangen. Willkommen in der Post-Weihnachtsdepression.

Zwischen Weihnachten und Silvester ist so viel Luft. Landluft, in der man sich leicht verfängt, die aber auch schnell wieder dünn wird und verbrennt. Und noch bevor man „Frohes neues Jahr” sagen kann, wird #backtowork getaggt, zusammen mit einem frechen Spruch über Koffein. Zurück ins Büro, zurück auf die Uni, zurück in die Schule. Ins Leben. Ins Bett.

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Im Kino nennt man sie „Dump Months”—die floppigste Zeit im Jahr. Jänner, Feber, bisschen auch März. Übertragen lässt sich dieser Terminus auch auf das echte Leben. Die vermeintliche Kälte vom Glühweinstand, sie ist noch immer da. Nur tausendmal schlimmer. Es ist jetzt sogar so kalt, dass einem das Gesicht wehtut. So kalt, dass man dauernd leicht geduckt gehen muss, um zumindest den Teil bis zur Nase im Schal eingraben zu können.

Es ist so schön und bizarr zugleich, wie wir Menschen immer wieder nach einem bestimmen Zeitintervall beschließen, jetzt noch mal von vorne anfangen zu dürfen. Richtig zeremoniell, so ein Neubeginn mit Vorsätzen und Plänen. Eigentlich ist das sogar ziemlich bequem—neues Jahr, alles auf Anfang. Alles auf der Zaubertafel wegradiert, mit einem Wisch. Und dennoch sind wir genau in der Zeit, in der wir „Geil, Neuanfang!” schreien sollten, einfach nur traurig und müde.

Foto: CC0 Public Domain

Die einzigen, die diese Sache mit dem Neuanfang wirklich ernst zu nehmen scheinen, sind Pärchen—die trennen sich nämlich im Jänner. Das heißt, die meisten. Eine Umfrage der Online-Partnervermittlung Parship hat das zumindest ergeben. Weder zufällig noch überraschend. Ich wette, Winterdepression und Liebeskummer verstehen sich gut. Die Miesepetrigkeit aus dem Alltag scheint also sogar auf Beziehungen abzufärben—sie macht sie grau.

Alles ist grau und nass und kalt und dunkel. Angeblich geht die Sonne dieser Tage um 7:45 Uhr auf und vertschüsst sich gegen 16 Uhr schon wieder—hab sie aber schon länger nicht mehr gesehen, mehr so Wolken und Nebel. Keine Hausfrau der Welt packt so viele Graunuancen wie der Jänner, wenn er nicht gerade sein nächtliches Wind-Programm pfeift—und das tut er die meiste Zeit. Es ist fucking Island.

Das alles wäre so viel leichter auszuhalten, gäbe es da nur irgendetwas in unseren Hinterköpfen, auf das wir uns freuen könnten. Etwas, worauf wir hinarbeiten können. Etwas, für dass es sich durchzuhalten lohnt. Ein Ansporn—so wie Weihnachten einer war, als es draußen kühler wurde. Dieses Etappen-Denken ist so tief in uns verankert, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir tun sollen, wenn wir plötzlich mal keinen großen Streckenabschnitt in Aussicht haben. Das einzige, was die meisten jetzt überhaupt in Aussicht haben, sind Prüfungen und eine eitrige Angina.

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Jeder Tag fühlt sich an wie Montag, und ein echter Montag fühlt sich an wie eine ganze Woche voller Montage. Der dritte Montag im Jänner, „Blue Monday” getauft, ist laut pseudowissenschaftlichen Berechnungen sogar der deprimierendste Tag des Jahres. Der ideale Nährboden für Tränen und Adele. Jänner und Feber: Sie sind der Montag unter den Monaten.

Und Schnee, du Wichser, du brauchst mir jetzt auch nicht mehr anzukommen. Als ich dich brauchte, warst du nicht da, ließt mich an Weihnachten in ekelhaft braunen Wiesen versinken. Jahr für Jahr enttäuscht du mich während der Feiertage aufs Neue. Und dann tauchst du plötzlich auf, einfach so—genau dann, als ich dich fast schon wieder vergessen hatte. Und dann tut es dir leid, doch dann ist es zu spät, zu spät! Schleich dich. Wirst eh wieder nur Matsch.

Es sind harte zwei(einhalb) Monate. Aber schaffbare zwei Monate. Was tun? Verfrühten Frühling beschwören. Den März und die Zeitumstellung abwarten. Ostern als nächstes Etappenziel anvisieren. Tageslichtlampe kaufen. Und die positiven Dinge an den „Dump Months” erkennen—hochgekrempelte Jeans und nackte Knöchel sind jetzt zumindest keine Option mehr.

Helft Franz beim Sudern: @FranzLicht