Popkultur

​Myspace war das beste soziale Netzwerk der Welt

Eines meiner noch weniger peinlichen Myspace-Fotos. Don’t judge me. 

Erinnert ihr euch noch an das erste soziale Netzwerk eures Lebens, das wirklich annähernd cool war? Nein, ich rede nicht von Eventshooters, studiVZ oder sms.at, wo diejenigen unter uns, die Monat für Monat mit ihren Frei-SMS gekämpft haben, ein Konto hatten, sondern von Myspace. Myspace war zumindest in meinem Freundeskreis das Netzwerk, in dem wir so richtig mit der Online-Inszenierung losgelegt haben. Überbelichtete Fotos, auf denen wir unsere Münder so auf cool zur Seite verziehen, mit einem schwarzen Flügerl aus der Dorfdisco posieren und unser Profil von oben bis unten durch-designen—von der aktuellen Emotion bis hin zum Profil-Design, das man per Quellcode von dubiosen Seiten kopieren konnte.

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Wahrscheinlich trägt Myspace Mitschuld daran, dass wir heute im Internet leben. Vielleicht hätte es ohne Myspace Facebook nie gegeben. Vielleicht bin aber auch einfach nur ein bisschen nostalgisch, weil ich mein Myspace-Konto nach Jahren wieder aktiviert und gemerkt habe, dass mein minderjähriges Ich ziemlich peinlich war. Aber zum Glück tut das hier nichts zur Sache und wenn ihr diesen Artikel lest, ist mein Profil längst im Limbus der Online-Alter Egos verschwunden, also sucht erst gar nicht danach. Also egal, wie peinlich ihr Myspace und eure Profile heute findet, es war super, ihr wart super und Myspace Tom wird euch für immer lieben.

Die Stimmungen

Myspace hatte Features, von denen ich heute auf Facebook immer noch träume. Eine davon hat Facebook schon versucht, zu kopieren: Die Stimmungs-Emojis. Man konnte auf Myspace aus einer Liste von unzähligen Emotionen auswählen, wie man gerade drauf war und jeder konnte die Stimmung ganz oben am Profil sehen. Wurde man gerade von einer Freundin angelogen oder der drei Jahre ältere Skater hat auf dem Zeltfest mit einem anderen Mädchen geschmust, hat man ganz dramatisch etwas wie „enttäuscht” oder „verraten” angegeben, um dann von so vielen wie möglich gefragt zu werden, was denn los sei. Auf Facebook kann man Emotionen lediglich zu Beiträgen hinzufügen und der mysteriöse, Gespräche ankurbelnde Charakter der Gefühls-Emojis geht verloren. Danke für nichts, Zuckerberg.

Die Top Friends

Was aber noch viel besser war: Die Top Friends. Anhand der Top Friends konnte man jedem zeigen, mit welchen coolen Menschen man gerade Best Friends war und auch, mit wem man gerade gestritten hatte. Wenn einen der Typ, in den man ein bisschen verliebt war, in die Top Friends gegeben hat, wusste man, man hat es nicht nur auf sein Profil, sondern auch in sein Herz geschafft. Hat einen die beste Freundin aus den Top Friends gekickt, wusste man, dass der Streit wirklich ernst war und es höchste Zeit war, sich zu entschuldigen. Oder man hat sich gerächt und die Erzfeindin der besten Freundin in die eigenen Top Friends aufgenommen—zumindest für einen Tag, bis der Streit ohnehin wieder gut war und man gemeinsame Selfies hochgeladen hat, die völlig überbelichtet waren.

Der 2008er-Filter

2008er-Starter Kit: Weißes Gesicht, Seitenpony, Schwarzer Billigvodka.

Überbelichtete Fotos waren auf Myspace das, was Spiegelselfies mit offenem Klodeckel im Hintergrund auf Facebook sind: Im Moment des Entstehens völlig OK, vier Jahre später die Selbstinszenierungs-Hölle. Damals wurden bei jedem Foto gnadenlos der Kontrast und die Belichtung bis zum Anschlag hoch gedreht—und das perfekte Bild war geschaffen. Ich habe auf beinahe keinem der Bilder, die ich auf Myspace gestellt habe, eine Nase in meinem Gesicht, weil sie einfach weg-beleuchtet wird. Liebes 16- oder 17-jähriges Ich: Fandest du es damals wirklich schön, ein Gesicht zu haben, das heller strahlt als Fukushima? Die Antwort war damals wohl „JaAa <3 ^”, heute ist sie „Nein.”

Die Musiker

Ursprünglich ging es auf Myspace einmal um Musik. Bands und Musikern sollte dort die Möglichkeit gegeben werden, mit ihren Fans in Kontakt zu treten und umgekehrt. Aus diesem Grund war die Schwelle zu den „Stars” auf Myspace sehr niedrig, was den Selbstbewussteren unter uns den Einstieg ins Groupie-Leben erheblich erleichtert hat. Außerdem konnte man Playlists für das eigene Profil erstellen, um seinen Verbindungen zu zeigen, was für einen tollen Musikgeschmack man hat. Ich vermisse Myspace—und vielmehr, Myspace Tom:

Myspace Tom

Das Beste an Myspace war Tom. Tom hat einen nie im Stich gelassen, einen absichtlich schikaniert oder anders schlecht behandelt. Myspace Tom war einfach da—die Konstante in einer schlechten Welt voll von Menschen, die einen mit einem Klick aus ihren Top Friends verbannen und schlecht „bearbeiteten” Fotos. Myspace Tom hat einen jahrelang im weißen Shirt über die Schulter angelächelt, als wäre ihm noch nie im Leben etwas Schlimmes widerfahren. Heute ist Tom übrigens ein verdammt reicher Frührentner—unsere Jugendsünden haben ihn dazu gemacht. Gern geschehen.

Heute ist das Design von Myspace so spacig und verwirrend, dass ich es nicht verstehe und mich fühle, wie eine Mama, der man erklären muss, wie man „was ins Facebook schreibt”. Alles ist anders, die meisten tollen Features sind weg, nur die Top Friends sind geblieben. Und die meisten von denen, die ich heute noch in meinen Top 8 habe, habe ich seit Jahren nicht gesehen. Aber auch sie scheinen ab einem gewissen Punkt nie mehr auf Myspace das grüne Online-Zeichen zum Pulsieren gebracht zu haben, denn auf ihren Profilfotos sind sie genau so wie ich noch 16-jährige Poser. Auf Myspace ist die Zeit stehen geblieben—und es wird Zeit, sich endgültig zu verabschieden. Tschüss Myspace, tschüss Tom, tschüss Jugendbekanntschaften, die ich nie mehr sehen werde. Schön wars mit euch.

Myspace wird für immer das Nummer-Eins-Netzwerk in Verenas Herz sein. Folgt ihr trotzdem auf Twitter: @verenabgnr